"Plan A": Eine jüdische Partisanengruppe will sich an den Deutschen rächen
"Plan A" wirft ein Schlaglicht auf ein bislang ausgespartes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte. Mit einem fantastischen August Diehl beweist das sensibel erzählte Drama, wie grandios Geschichtskino sein kann.
Wissen Sie, was Nakam bedeutet? Sofern Sie kein Experte deutscher Nachkriegsgeschichte und des Holocaust sind, vermutlich nicht. Aus dem Hebräischen lässt sich das Wort am treffendsten mit "Rache" übersetzen. Gleichzeitig benannte es eine jüdische Organisation, die es sich nach Kriegsende 1945 zum Ziel setzte, den grausamen Genozid der Nazis nach dem Motto "Sechs Millionen für sechs Millionen" zu rächen. Für jeden getöteten Juden sollte ein Deutscher sterben. Dieses in fast jedem Schulunterricht ausgelassene Kapitel der Nachkriegsgeschichte erzählt in beeindruckender Manier die deutsch-israelische Sky-Co-Produktion "Plan A", die es bei ARTE nun erstmals im Free-TV zu sehen gibt.
Fragen, ohne eindeutige Antworten
Die Meriten für das imposante Stück Geschichtskino verdient sich vor allen Dingen das Regie-Duo, die israelischen Brüder Yoav und Doron Paz. Sie stammen selbst aus einer Familie deutscher und polnischer Holocaust-Überlebender und wurden auf dem Filmfestival in Haifa 2022 völlig zu Recht mit dem "Artistic Achievement Award" geehrt. Den Filmemachern glückt der schwierige Spagat zwischen erklärendem Geschichtskino und großen moralischen Fragen, ohne den Zeigefinger zu heben. Der große Kniff: Die Gebrüder Paz stellen Fragen in den Raum, liefern aber keine eindeutigen Antworten. Statt pathetischem Schwarz-Weiß-Denken binden sie das Publikum ein und regen zum Nachdenken an.
Als die jüdische Brigade der britischen Armee ihn aufliest, bietet sich für den jüdischen KZ-Überlebenden Max (August Diehl) die Möglichkeit, nach Palästina auszureisen, weg vom im Blut seinesgleichen getränkten deutschen Boden. Die Schrecken des Krieges haben ihm tiefe Furchen ins Antlitz gebrannt. Als er zerlumpt, verdreckt und mit ausgemergeltem Gesicht an seinem ehemaligen Zuhause ankommt, wird er vertrieben. Max ist ein Ausgestoßener, ein Mensch ohne Zuhause, ohne Familie und Identität.
Trotz des durchlebten Leids kann er nicht loslassen, will er doch den grausamen Tod seiner Frau und seines kleinen Sohnes rächen. Über den General Michael (Michael Aloni) wird Max Teil eines Rachekommandos, das versteckte Nazis aufspürt und nach Überprüfung zweier unabhängiger Quellen mit dem Tod bestraft. Rechtfertigt ein Genozid Selbstjustiz? Moralische Fragen wie diese lässt "Plan A" im Raum stehen und überlasst die Auseinandersetzung damit dem Publikum.
August Diehl glänzt in seiner Rolle
Der titelgebende Plan A wird erst später in die Handlung eingeflochten, als sich Max auf Geheiß Michaels den jüdischen und deutlich radikaleren Partisanen der Nakam anschließt. Rasch wird klar: Die Gruppe um Anführer Abba (Ishai Golan), der an sein reales Vorbild Abba Kovner angelehnt ist, und die undurchschaubare Anna (Sylvia Hoeks) plant einen Gift-Anschlag auf die Wasserversorgung mehrerer deutscher Großstädte. Das würde den stillen Tod tausender Deutscher bedeuten. Bald befindet sich Max zwischen den Fronten: Unterstützt er die Nakam oder folgt er Michaels Auftrag, den Anschlag aufzuhalten und noch mehr Hass zu verhindern?
"Plan A" inszeniert Max als personifiziertes moralisches Gewissen, dessen Pendel mal auf die eine, mal auf die andere Seite ausschlägt. Verzweiflung, Zerrissenheit und der unbändige Wille, sich mit Vergeltung für die erlebte Pein zu revanchieren: August Diehl bedient meisterhaft die gesamte Klaviatur der Emotionen und macht seelisches Leid körperlich spürbar. Er ist der Mittelpunkt einer Geschichte, die nie die Balance verliert, weder pathetisch überdreht noch in Actionorgien ausartet. Selbst eine zart angedeutete Liebesgeschichte weben die Regisseure ein, ohne je in Kitsch abzudriften.
Und gerade als der Film zum Ende hin droht, dramaturgisch überspitzt und hollywoodtauglich zurechtgebogen zu werden, holen Yoav und Doron Paz zu einem brillanten filmischen Kniff aus, der in einem bewegenden Abschluss mündet. Chapeau, so geht Geschichtskino!
Plan A – Fr. 25.08. – ARTE: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH