Schmink-Artist im Gespräch

Riccardo Simonetti spricht über negative Kommentare im Netz

01.09.2023, 15.10 Uhr
Riccardo Simonetti moderiert eine Schmink-Sendung im ZDF.
Riccardo Simonetti moderiert eine Schmink-Sendung im ZDF.  Fotoquelle: ZDF Ariel Oscar Greith

Die Fernsehshow „Glow Up – Deutschlands nächster Make-up-Star“ mit Moderator Riccardo Simonetti geht in die zweite Runde. Im prisma-Interview erklärt er, warum Make-up in Deutschland so ein schwieriges Thema ist geschminkte Männer nichts Neues sind.

„Glow Up – Deutschlands nächster Make-up-Star“ geht in die zweite Runde. Warum ist die Sendung so wichtig fürs deutsche Fernsehen?

In Deutschland werden Menschen, die sich mit Make-up beschäftigen, gerne in eine Schublade gesteckt und für oberflächlich gehalten. Wir zeigen, dass Make-up viel mehr als Eitelkeit ist und greifen gesellschaftliche Themen auf. Wir sprechen zum Beispiel über Erfahrungen mit Rassismus, Homophobie und Transfeindlichkeit, die unsere Make-up-Artists gemacht haben. In unseren Challenges wird außerdem sehr deutlich, wie viel Handwerk und künstlerisches Talent im Make-up steckt. Viele unserer Kandidaten arbeiten nicht hauptberuflich als Make-up-Artists und haben sich alles selbst beigebracht. Es fasziniert mich immer wieder, wie talentiert sie sind.

„Dafür zahle ich Rundfunkgebühren“ ist ein Kommentar, den man im Trailer zur zweiten Glow Up-Staffel häufig in der Youtube-Kommentarspalte liest. Wie gehst du damit um?

Gibt es so viele Formate im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die diese Themen – vor allem die Ebene, die hinter dem Make-up steht – thematisieren? Ich glaube nicht. Ich bezahle auch Gebühren und fühle mich persönlich nicht immer von jeder Sendung abgeholt. Und das muss auch nicht so sein. Es ist wichtig, dass gerade die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihren Auftrag wahrnehmen und versuchen, verschiedene Themen und Personen stattfinden zu lassen.

Warum haben so viele Menschen ein Problem damit, wenn Männer Make-up tragen?

Viele denken, dass „Glow Up“ ein neues und bahnbrechendes Konzept ist, weil wir geschminkte Männer zeigen. Dabei geht die Historie von Make-up weit zurück. Es wurde, so wie High Heels, für Männer erfunden. Wir befinden uns zurzeit in einer geschichtlichen Periode, in der Make-up als unmännlich wahrgenommen wird, aber das war nicht immer so. Der Fußballstar auf dem Magazin-Cover, der Nachrichtensprecher oder der Hollywood-Schauspieler – sie alle sind geschminkt und gestylt. Wenn jemand berühmt ist, empfinden wir das aber nicht als schlimm. Und das ist das Neue bei „Glow Up“: Wir möchten, dass sich nicht nur Stars schminken können, sondern jeder Mensch, der Lust darauf hat.

In Amerika und im UK gibt es „Glow Up“ schon etwas länger. Verläuft die Diskussion um Make-up dort anders?

Ich glaube, dass geschminkte Männer dort eine größere Sichtbarkeit haben. In Amerika liegt es auch an der hohen Bevölkerungsdichte: Je mehr Menschen es gibt, desto mehr Menschen beschäftigen sich mit vermeintlich nischigen Themen. Make-up-Artists haben dort automatisch eine viel größere Followerschaft. Auch im UK ist die Diskussion weiter als hier. In Deutschland müssen wir noch von diesem Stigma weg, dass Make-up etwas Oberflächliches ist, dann kann die Konversation tiefer gehen. Ich hoffe, ich kann noch miterleben, dass sich Männer schminken können, ohne dass es negativ kommentiert wird.

In „Glow Up“ berichten vor allem männliche Make-up-Artists von negativen Erfahrungen. Fällt es dir als Moderator manchmal schwer, vor der Kamera auf diese emotionalen Schicksale einzugehen?

Das sind oft Situationen, die ich als schwuler Mann selbst erlebt habe und deswegen nachvollziehen kann. Außerdem baue ich eine sehr intensive Beziehung zu diesen Menschen auf. Wir verbringen sechs Wochen miteinander, in dieser Zeit treffe ich keine Freunde oder Familie, auch meinen Partner sehe ich kaum. Wir sind dann in einer Art Blase und verbringen auch nach den Dreharbeiten Zeit miteinander. Das hilft mir sehr, wenn sie mir ihre Geschichte erzählen. Ich sehe unsere Make-up-Artists aber auch in Momenten, in denen sie scheitern oder nicht mehr weiterwissen, in denen sie verletzlich sind. Das geht mir total nahe und ich werde emotional, weil auch das Gefühle sind, mit denen ich vertraut bin.

Die erste Staffel von „Glow Up“ hat vor allem das junge Publikum abgeholt, was im klassischen Fernsehen heutzutage nicht einfach ist. Machst du daran den Erfolg der Sendung fest?

Ich bin ein großer Fan von generationsübergreifendem Fernsehen, weil nur so ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden kann. Wenn wir Fernsehen für Jüngere und Ältere machen, wird das gefühlte gegeneinander Ausspielen nur noch viel größer. Stattdessen sollten wir lieber in den Dialog treten. Ich möchte eine Sendung machen, die Familien mit ihren Kindern, Teenager, Senioren und Menschen gucken, die sich noch nie mit Make-up beschäftig haben und die trotzdem sehen wollen, was unsere Make-up-Artists damit zaubern können. Wie viele Menschen gucken sich Back-Shows an, ohne backen zu können? Das ist Erfolg für mich.

Wonach sucht ihr bei Glow-up? Wer ist der perfekte Kandidat?

Armin Morbach und Loni Baur, beide sind Teil der Jury, haben jahrelange Erfahrung in dem Bereich und schon viel gesehen. Deswegen suchen sie nach jemandem, der sie umhaut und unkonventionell an das Thema Make-up rangeht. Ich finde es toll, dass die beiden nicht nur ihren Geschmack in den Vordergrund stellen, sondern auch objektiv bewerten, wenn ein Make-up technisch gut umgesetzt ist oder etwas Eigenes geschaffen wird.

Worauf können wir uns in Staffel 2 freuen?

Auf außergewöhnliche Looks, noch mehr Diversität und berühmte Stars, die unsere Jury unterstützen.

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