Filmkritik

"Tatort: Tyrannenmord" - Diktatoren-Kinder an deutschen Schulen

20.03.2022, 08.35 Uhr
von Eric Leimann
Wir stellen Ihnen im Folgenden die Teams der ARD-Krimireihe "Tatort" vor.
BILDERGALERIE
Wir stellen Ihnen im Folgenden die Teams der ARD-Krimireihe "Tatort" vor.  Fotoquelle: WDR/Markus Tedeskino

An einem Eliteinternat verschwindet ein Schüler. Sein Vater ist ein hohes Tier in einem diktatorischen Fantasieland in Südamerika. Ausgerechnet Falke (Wotan Wilke Möhring) muss ermitteln ...

ARD
Tatort: Tyrannenmord
Kriminalfilm • 20.03.2022 • 20:15 Uhr

Auf Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring) kommen im "Tatort: Tyrannenmord" gleich mehrere Aufgaben zu, mit denen sich der Ex-Punk sichtlich schwertut. Während der Staatschef des südamerikanischen Fantasiestaates Orinaca Deutschland besucht – ein Diktator – verschwindet der Sohn eines wichtigen Mitgliedes seiner Regierung aus seinem deutschen Internat. Die Mutter des 17-Jährigen ist Deutsche, ebenso dessen Freundin Hanna (Valerie Stoll), die der Junge am Elite-Internat kennengelernt hat. Falke muss unter den Kindern reicher Eltern ermitteln und dazu noch mit den Vertretern eines autoritären Unrechtsregimes klarkommen. Das alles ohne seine Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz), die derweil den Staatsbesuch des Orinaca-Despoten im Hintergrund "absichern" soll.

Damit Falke nicht alleine durch die niedersächsische Provinz stapft, erhält er Unterstützung durch den jungen Dorfpolizisten Felix Wacker (Arash Marandi). Der ist zwar ein sympathischer Kerl, doch er redet dem diesmal etwas angespannten und latent übellaunig wirkenden Falke ein wenig zu viel. Und noch ein weiterer "merkwürdiger" Gast schleicht auf dem Internatsgelände von Schulleiterin Marie Bergson (Katarina Gaub) und ihrem Mann Andreas (Christian Erdmann), der dort als Lehrer arbeitet, herum: Personenschützer Carlos (José Barros), der den Jungen bewachen sollte, aber kurz vor dessen Verschwinden mit K.o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt wurde. Jetzt fürchtet der Finstermann, von seiner Regierung für den Fauxpas betraft zu werden – weshalb er – mit eigenwilligen Methoden – ebenfalls ermittelt.

Drehbuchautor Jochen Bitzer (Grimmepreis für "Der Fall Jakob von Metzler") und Regisseur Christoph Stark, der früher einige "Bloch"-Episoden mit dem viel zu früh verstorbenen Dieter Pfaff drehte, sind zusammen zur Schule gegangen – was bei der Ausgestaltung eines Internatsfilms von Vorteil sein mag. Bitzer ließ sich für sein Drehbuch von Biografien des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, der in der Schweiz zur Schule ging, oder auch des Syrers Baschar Al-Assad inspirieren, der in London zum Augenarzt ausgebildet wurde. "Offenbar sind die elterlichen Prägungen stärker als der Einfluss humanistischer Bildung", sagt Bitzer zu seiner Hintergrundrecherche. "Ausbildung im Westen, alles gut und schön, aber wenn es darum geht, die eigene Macht und das Vermögen der Familie zu bewahren, dann werden die Kinder autoritär."

Dreharbeiten im  Kloster Corvey

In diesem "Tatort" geht es allerdings weniger darum, was später einmal aus dem Jungen im niedersächsischen Elite-Internat wird, wo im Unterricht schon mal über Tyrannenmord als Mittel einer wehrhaften Demokratie gestritten wird. Eher schon untersucht Falkes "fish out of water"-Einsatz, wie man am humanistisch "denkenden" Internat damit umgeht, wie der Bodyguard aus dem Sicherheitsapparat eines Despoten in diesem System aufgenommen wird – und welche Rechte dieser sich andererseits herausnimmt. Das Aufeinanderprallen jener Welten hätte durchaus Stoff für interessante Geschichten geboten, doch der Krimi macht letztendlich wenig daraus.

Das an sich interessante Gedankenspiel rund um die Legitimität eines Tyrannenmordes geht mehr und mehr in einem uninspirierten Whodunnit unter, in dem Handlungsfäden und Figuren im Lauf der 90 Minuten zunehmend willkürlich verknüpft scheinen. Einzig José Barros, Hamburger Schauspieler mit chilenischen Wurzeln, schafft es als schillernder Bodyguard, echtes Interesse für seinen Charakter zu wecken.

Gedreht wurde der NDR-Krimi – übrigens als erster "Tatort" überhaupt – im Weserbergland. Die Mauern des Klosters Corvey dienten dem Film als Internatsmauern. Ein kulturhistorisch bedeutender Ort: Immerhin war hier Hoffmann von Fallersleben, Textautor der deutschen Nationalhymne, als Bibliothekar tätig. Auch sein Grab befindet sich neben der Kirche. Fallersleben war übrigens alles andere als ein aufrechter Demokrat. Er galt als Antisemit – und er hasste Franzosen. Es ist eben gar nicht so einfach mit der Demokratie – und ihrem Personal.

Tatort: Tyrannenmord – So. 20.03. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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