Die Geschichte von Arm und Reich

"Terra X": Macht Geld wirklich glücklich?

Unter dem Dach der ZDF-Reihe "Terra X" blickt Dirk Steffens zurück in eine Zeit, in der die Geschichte von Arm und Reich ihren Anfang nahm. Die insgesamt drei Teile sind an nur einem Abend bei 3sat zu sehen, später auch im ZDF.

Nach der aktuellen "Forbes"-Liste vom März dieses Jahres bleibt Jeff Bezos der reichste Mensch der Welt. Der Amazon-Gründer verfügt demnach über ein Vermögen von stattlichen 179,6 Milliarden US-Dollar. Zu verdanken hat er diesen unermesslichen Reichtum vor allem der Kauflust des modernen Menschen, der ja möglicherweise doch in erster Linie ein Konsument ist. Jedenfalls gilt es als besonders erstrebenswert, möglichst viel Eigentum anzuhäufen. Doch machen Besitz und Habe sowie ein zum Bersten gefülltes Bezos-Konto auch wirklich glücklich? Oder wenigstens zufrieden? – Unter anderem dieser philosophischen Frage geht Dirk Steffens in einer dreiteiligen Dokumentation über die "Geschichte des Reichtums" nach.

Unter dem Dach der ZDF-Reihe "Terra X" ist die kleine Reihe am Donnerstag, 20. Mai, 20.15 Uhr, bei 3sat in Erstausstrahlung zu sehen. Der Sender zeigt alle Folgen an nur einem Themenabend. Dieser steht unter dem Motto "Wem gehört die Welt?". Im ZDF sind die Filme ab 23. Mai, sonntags, 19.30 Uhr, zu sehen, und bereits ab 19. Mai ist die Reihe in der Mediathek abrufbar. Ein durchaus massiver Programmschwerpunkt, der zeigt, wie ernst es den Machern aus Mainz bei diesem Thema ist. "Wie stets bei 'Terra X' schlagen wir den großen Bogen – von den Jägern und Sammlern und den ersten Ackerbauern über die Fürsten und Banker des Mittelalters bis zu den Aktionären und Hedgefonds der Neuzeit", erklärt Friederike Haedecke. Die Redaktionsleiterin von "Terra X" betont: "42 Milliardäre besitzen nach einer Studie von 2018 soviel wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Anders ausgedrückt: Dem reichsten Prozent der Weltbevölkerung gehören 90 Prozent des Besitzes der Welt. Eine absurd erscheinende Ungleichverteilung ist es, die die moderne Welt auszeichnet. Aber war es je anders?"

Ein denkbar weiter Ansatz also, der sich dabei auch um Tiefgang bemüht. Moderator und Präsentator Dirk Steffens befindet: "Prinzipiell ist endloses Wachstum auf einem endlichen Planeten kein logischer Ansatz. Und dass ein Rekordverdienst in diesem Jahr im nächsten unbedingt nochmal getoppt werden muss, macht auch keinen Sinn, wird aber von Anlegern und offenbar gar nicht so weisen Wirtschaftsweisen trotzdem gefordert." Er, so Steffens weiter, "würde aber dennoch nicht gleich eine Kapitalismus-Krise ausrufen", denn es sei "ja gerade die Stärke einer freien Marktwirtschaft, sich an die Bedürfnisse der Menschen anpassen zu können. Wir sollten also vielleicht besser unsere Ziele verändern und nicht unser System".

"Dass der Konflikt zwischen Arm und Reich im Grunde seit mehr als 10.000 Jahren, seit der Neolithischen Revolution, seit der Sesshaftwerdung, niemals gelöst werden konnte", habe ihn am meisten überrascht, als er sich eingehend mit dem Thema der ungleichen Verteilung auseinandergesetzt hat, gibt Steffens zu Protokoll. "Zwar stützte sich Reichtum mal auf Vieh, mal auf Land, mal auf Gold und heute eher auf Aktien. Aber durch alle Zeiten und alle Systeme hindurch ist die Ungerechtigkeit ein Wesensmerkmal menschlicher Gesellschaften." Aktuell sei "die Zahl der absolut Armen zwar so gering wie noch nie in der neueren Geschichte, gleichzeitig hat die Ungleichheit aber zugenommen, weil die Reichen noch schneller reich werden als die Armen weniger arm", so Steffens. "Man könnte fast befürchten, wir seien prinzipiell unfähig, Besitz halbwegs gleichmäßig zu verteilen. Vielleicht sind ja Gier und Neid die wahren Geißeln der Menschheit."

Wie glücklich und zufrieden Bezos mit all seinem ganzen Reichtum sein wird, lässt sich aus der Ferne nur schwerlich bewerten. Laut einer Studie muss es dem Multi-Multi-Multi-Milliardär nicht unbedingt himmelhochjauchzend ergehen. Die wissenschaftliche Erhebung jedenfalls besagt: Das Glück beispielsweise der Deutschen steigt nur bis zu einem Jahresgehalt von rund 70.000 Euro – darüber hinaus nehme es nicht mehr zu.

"Die Balance ist wichtig"

Steffens bleibt bei seiner Reise durch die "Geschichte des Reichtums" nicht nur bei Bezos und einer Gegenwart, in der jeder Durchschnittsdeutsche heute im Schnitt rund 10.000 Gegenstände besitzt. Überhaupt die eigene Habe: Für das ganz frühe Leben als Jäger und Sammler waren ganz viele Besitztümer sogar eher hinderlich. Mit der neolithischen Revolution änderte sich das. Der Mensch wurde sesshaft, Äcker, Häuser, Vieh und Vorräte wurden Eigentum, das für die Existenz von Bedeutung war. Ob das ein Fortschritt war, sei dahingestellt. Immerhin musste sich ein Jäger und Sammler nur zwei bis drei Stunden am Tag mit der Nahrungssuche beschäftigen, also 20 Stunden die Woche. Davon können die Menschen und festgestellten Arbeitskräfte der heutigen Industriegesellschaften nur träumen. Und Bezos wohl auch.

Geld, befindet Steffens, "verschafft mir Freiheiten. Armut macht unfrei, das ist unbestreitbar". Der renommierte ZDF-Wissensvermittler: "Wer jeden Tag um seine schiere Existenz kämpfen muss, hat kaum Möglichkeiten, Talenten und Neigungen zu folgen, er oder sie kann sich als Mensch also nicht voll entfalten. Deshalb bin ich unendlich froh über den unverdienten Zufall, in ein wohlhabendes Land und eine freie Gesellschaft hineingeboren zu sein. Wäre ich arm, hätte ich niemals meinen Traumberuf ergreifen können. Andererseits hat ein übertriebenes Streben nach Wohlstand auch das Potenzial, ein Leben zu ruinieren. Die Balance ist wichtig."

Das Ganze schreit förmlich nach Einordnung und Debatte. Zwischen den einzelnen Teilen der "Terra X"-Reihe mit Dirk Steffens diskutiert bei 3sat Gert Scobel um 21 und um 22 Uhr in zwei Teilen des "3satThema Talk" mit dem Ökonomen und Psychiater Stefan Brunnhuber über globalen Kapitalismus.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte dich auch interessieren