Japans Unterwelt im Fokus

Die Yakuza – Ritter oder Räuber?

26.03.2024, 10.30 Uhr
von Hans Czerny

In dieser Doku treten die Mitglieder der japanischen Mafia vor die Kamera. Wie heldenhaft und ritterlich sind die Yakuza wirklich?

ARTE
Yakuza – Japans Mafia
Doku • 26.03.2024 • 20:15 Uhr

Ohne Zweifel ist der Mythos des organisierten Verbrechens in familiärer Struktur durch die italienische Mafia schon besetzt. Japan steht da aus europäischer Sicht weit hinten an. Doch für die Yakuza (die Form gilt für Einzelpersonen wie auch für die gesamte Organisation) spricht ihre große Tradition, die zurückreicht bis ins 17. Jahrhundert. Im Film von Michaël Prazan (ARTE F, 2023) dient der amerikanische Investigativjournalist und Autor Jake Adelstein als kenntnisreicher Zeuge. "Tokyo Vice", die Verfilmung seiner Erinnerungen an seine Zeit als Polizeireporter in Tokio, lief soeben als HBO-Fictionserie im Ersten (auch in der ARD-Mediathek). Adelstein kann als Yakuza-Experte aus dem Vollen schöpfen, die trockenen Selbsterklärungen der stolzen Yakuza vor der Kamera kommentiert er mit zurückhaltender Sympathie.

Wenn der Clan-Chef Takeshi Ychiama seinen entblößten Rücken zeigt, auf dem in bunten Farben eine Frau mit Riesenschlange zu sehen ist – "Der Meister tätowierte fünf bis sechs Männer gleichzeitig!" – zeigt sich die Größe einer ganzen Welt. Gewöhnlicher wird sie, wenn der Meister über sein eher karges Brusttatoo referiert. Es ist das Zeichen seines Clans, dem er für immer angehört. In ihrer Selbstbeschau sehen sich die Yakuza in der Nachfolge der Samurai. Die "Familien" – 23 von ihnen teilten von Tokio ausgehend das Land unter sich – fungieren nach strengeln Regeln. Dass Korruption und Erpressung zum Kerngeschäft gehören wie Glücksspiel und Drogenhandel gehört genauso zum Kodex wie die streng patriarchale Struktur. Sie sind stolz darauf, dass mit ihnen angeblich schon immer die Starken die Schwachen und Armen stützten.

Wer sich mit der Frau des Chefs einlässt, verliert den Daumen

Weil Straßenkämpfe und öffentliche Ärgerniserregung traditionell verpönt waren, blieben die Yakuza mit ihren 35.000 Mitgliedern (2010) lange von Justiz und Polizei unbehelligt. Gewalt regelte sich selbst mit Gewalt. So sitzen sie nun in ihren Dreiteilern mit Einstecktuch und Seidenkrawatte vor der Kamera und feiern sich auch immer ein wenig selbst. Mal zeigt einer einen abgeschnittenen Finger vor. War es selbst auferlegte Strafe für ein Vergehen oder doch nur ein ewiges Zeichen der Familienzugehörigkeit? Wer sich freilich mit der Frau des Clanchefs einlässt, verliert den Daumen – da beißt die Maus keinen Faden ab.

Die goldene Zeit der Yakuza jedoch ist vorüber. 1990 kam es zum Börsencrash, die Korruption in den Bau- und Finanzkonzernen, an denen die Yakuza beteiligt waren, wurden gnadenlos aufgedeckt, auch die Beteiligung vieler Politiker. Dass der Bürgermeister von Nagasaki, der sich in die Baugeschäfte eingemischt hatte, ermordet wurde, war dann doch zu viel für die Behörden und führte endlich zur Einführung eines "Gesetzes zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens".

Doch bei den illegalen Geschäften gebe es noch immer "keinen großen Unterschied" zwischen gestern und heute, sagen die alten Herren. Allerdings: "Der Profit ist kleiner geworden." Auch regiere jetzt nur noch das Geld: "Wo bleibt die Ritterlichkeit?" – Lose strukturierte Banden ohne strenge Regeln hätten die Nachfolge der Yakuza angetreten. "Wir tun, was wir wollen!", sagen die jungen Ganoven. Familiäre Hierarchien spielen keine Rollen mehr. Aber auch so funktionieren illegales Glücksspiel, Drogenhandel und Korruption. Ihre Devise ist nicht sonderlich neu: "Wenn wir sterben, dann sterben wir eben", so sagen sie. Da sind sie genauso wie die Alten zu ihrer besten Zeit.

Yakuza – Japans Mafia – Di. 26.03. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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