Schwul, Jude, Nazijäger: Lars Kraume hat ein hoch spannendes Porträt von Fritz Bauer gedreht.
Lange hat es gedauert, bis der deutsche Staat sich des Jahrhundertverbrechens Auschwitz angenommen hat. Die große filmische Aufarbeitung der Prozesse ließ dann noch einmal auf sich warten. Dann aber erschienen binnen nur drei Jahren gleich drei Filme über dieses wichtige Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte: Giulio Ricciarellis "Im Labyrinth des Schweigens" (2014), der ARD-Film "Die Akte General" (2016) und Lars Kraumes meisterhaft inszeniertes Drama "Der Staat gegen Fritz Bauer" (2015), das nun erstmals im deutschen Free-TV zu sehen ist. Am Beispiel des vormaligen Widerstandskämpfers und späteren Frankfurter Generalstaatsanwalts Bauer führt der Film auf beeindruckende Weise vor, wie schwer es den Verfechtern der Gerechtigkeit nach dem Krieg gemacht wurde, ehemalige Nazis zur Rechenschaft zu ziehen.
Es gibt – wir schreiben zu Beginn des Films das Jahr 1957 – viele, die an der Aufdeckung von Nazi-Gräueltaten kein Interesse haben. Längst sitzen die Täter von einst selbst wieder in wichtigen Ämtern bis hinauf in die Spitzen von Politik und Justiz. So wird denn auch jener rechtschaffene Staatsanwalt Fritz Bauer, großartig gespielt von Burghart Klaußner, selbst zum Gejagten. Die Geheimdienste und das Bundeskriminalamt beschatten ihn, sie geben alles, um ihn an seiner Arbeit zu hindern. "Der Jude ist schwul", dieser harte Satz fällt im Film. Er spielt damit auf Bauers jüdische Herkunft und die in der dänischen Emigration protokollierte Begegnung mit männlichen Prostituierten an. Der unter den Nazis verschärfte und in der Bundesrepublik noch lange gültige Paragraf 175 könnte der Strick sein, so denken die Gegner, den man Bauer drehen kann.
Als Bauer Hinweise auf den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann erhält, lässt er äußerste Vorsicht bei der Verfolgung walten. Er schaltet den israelischen Geheimdienst ein, wohl wissend, dass man ihn wegen der Umgehung der deutschen Ämter des Landesverrats bezichtigen könnte. Tatsächlich wird der unter falschem Namen lebende Eichmann nach Israel entführt, dort wird ihm 1961 der mit dem Todesurteil endende Prozess gemacht. Leider nicht in Deutschland – so hätte es Bauer gerne gehabt: als Lehrstück für die Deutschen, die sich endlich zu ihrer Vergangenheit bekennen sollten. Diese Genugtuung widerfuhr Bauer erst danach, 1963, als während der Frankfurter Auschwitz-Prozesse zahlreiche Mittäter verurteilt wurden. Dass er Eichmann fassen half, verschwieg Bauer bis zu seinem Tod 1968.
Aus alldem machen Regisseur und Autor Kraume und sein bestechendes Ensemble kein moralinsaures Biopic. Vor allem Hauptdarsteller Klaußner gelingt es, Fritz Bauer, den "Helden in der Amtsstube", dem heutigen Zuschauer nahezubringen – indem er ihn als pflichtbewussten, humorbegabten "Mann aus dem Volk" zeigt. Bauer hat nicht nur andauernd eine dampfende Zigarre im Mund, sondern auch den rechten Spruch auf den Lippen, etwa wenn er seine Behördenumgebung beim Verlassen des Amtszimmers als "Feindesland" charakterisiert. Dass man dann noch eine feine Männerfreundschaft zum jungen Anwaltskollegen (Ronald Zehrfeld) hinzuerfunden hat, macht Bauer vollends menschlich und gibt der hoch spannenden Geschichte Saft.