Foxtrot
26.08.2020 • 20:15 - 22:00 Uhr
Spielfilm, Antikriegsfilm
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Vergrößern
Originaltitel
Foxtrot
Produktionsland
ISR, CH, D, F
Produktionsdatum
2017
Altersfreigabe
12+
Kinostart
Do., 12. Juli 2018
Spielfilm, Antikriegsfilm

Auf der Stelle treten

Von Andreas Fischer

Das fesselnde Drama "Foxtrot" behandelt mit visueller Brillianz und bizarren Szenen Tabuthemen der israelischen Gesellschaft.

Das Tor zur Hölle ist nur ein Klingeln entfernt: Als die Soldaten läuten, fällt die Mutter in Ohnmacht, der Vater in Agonie. Ihr Sohn Jonathan ist tot. Mit gerade mal 18 Jahren gefallen für sein Land, berichten die Militärs mit bürokratischer Empathie. Sie haben den Teufel im Schlepptau, der im Film des Israelis Samuel Maoz ("Lebanon") das ganze Land diabolisch grinsend im Würgegriff hält. In der Free-TV-Premiere auf ARTE gibt es keine Chance zu entrinnen: Maoz hat seinem preisgekrönten Drama "Foxtrot" den Titel eines Standardtanzes gegeben. Beim Foxtrott landet man am Ende, egal wie man tanzt, immer am Ausgangspunkt.

Maoz tanzt seinen "Foxtrot" mit unbedingtem Stilwillen und einigen Finten, springt vor und zurück in der Zeit und landet am Ende doch wieder nur in der Hölle. Er hat seinen Film in drei Akte unterteilt, die sich in ihrer visuellen Ästhetik stark unterscheiden, in ihrer erzählerischen Dichte aber nicht. Allesamt setzen sie sich in komplexer Beiläufigkeit mit Tabuthemen der israelischen Gesellschaft auseinander, was im Heimatland des Regisseurs für Kontroversen sorgte. "Foxtrot" aber nur als Kritik am Militärgehabe Israels zu sehen, wäre zu kurz gegriffen.

Natürlich ist es befremdlich, wie durchchoreografiert die Abläufe in der Armee sind, wenn ein Soldat stirbt. Die Überbringer der Todesnachricht mögen höflich und betroffen sein, sie folgen aber nur einem Protokoll. Der Tod ist für sie Routine, dass sich die Hinterbliebenen ihres Schmerzes irgendwie erwehren müssen, haben sie vergessen zu akzeptieren.

Ohnmacht oder Wut: Dem Schmerz entkommt keiner

Dafna (Sarah Adler) und Michael (Lior Ashkenazi) gehen sehr unterschiedlich mit der Nachricht vom Tod ihres Sohnes um. Die Mutter flieht vor dem Schmerz in eine anhaltende Ohnmacht, der Vater wütet gegen sich selbst, den Familienhund und Verwandte. Dem Schmerz entkommen sie aber nicht, genauso wenig, wie die Zuschauer. Maoz verweigert dem Publikum mit präzisen Bildern die Distanz, bevor er im zweiten Akt die Zeit zurückdreht und der Film weiter und heller wird.

An einem unwirtlichen Grenzposten zwischen Westjordanland und Israel verrichtet Jonathan (Yonatan Shiray) seinen Dienst. Auf beiden Seiten des Schlagbaums ist nichts außer Staub. Das Kamel, das täglich zweimal vorbeitrottet, darf die Grenze ungehindert passieren, die wenigen Menschen werden streng und mit vorschriftsmäßigen Demütigungen kontrolliert. Viel zu tun haben die vier Soldaten, allesamt noch grün hinter den Ohren, nicht. Sie versinken in Langeweile wie ihr Wohncontainer im Morast.

Trotzdem ahnt man in jeder Einstellung, dass etwas Schreckliches passieren wird. Wut und Hass sind Alltag im Nahen Osten, darunter leiden Israelis und Palästinenser gleichermaßen. Und sie sind hilflos – was Maoz in einer sehr eindrücklichen Szene zeigt, die das ganze Trauma der Jugend auf beiden Seiten in wenigen Filmminuten konzentriert. Wut, Trauer und Hilflosigkeit – im Schlussakt bleibt Dafne und Michael nur ein Joint, um damit klarzukommen. Den Teufel können sie damit freilich nicht vertreiben.

Trotz viel Kritik und teils sogar Boykottaufrufen aus dem konservativen Lager Israels, erhielt der Film acht Ophir Awards, die "Oscars" der nationalen israelischen Filmakademie. Unter anderem wurde "Foxtrot" als bester Film und für den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Foxtrot – Mi. 26.08. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Der Trailer zu "Foxtrot"

Weitere Darsteller
Χρήστος Βουδούρης Sarah Adler Yonaton Shiray Yehuda Almagor Karin Ugowski Etay Axelrod Dekel Adin Shaul Amir Gefen Barkai Yael Eisenberg Aryeh Cherner Roi Miller Danny Isserles Itamar Rotschild Eden Daniel Eden Gmliel Rami Buzaglo Ilia Grosz

Das beste aus dem magazin

Eine Grafik des menschlichen Körpers.
Gesundheit

Klartext über Hepatitis

Am 28. Juli steht der Welt-Hepatitis-Tag unter dem Motto "Lass uns Klartext reden". Deutsche Leberhilfe informiert über die Gefahren und Impfungen gegen Hepatitis.
Professor Dr. Dr. med. Dagmar Führer-Sakel, Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel an der Universitätsmedizin Essen/Universität Duisburg-Essen.
Gesundheit

Wie Umwelteinflüsse den Hormonhaushalt stören

Endokrine Disruptoren, wie Bisphenol A und Phthalate, können den Hormonhaushalt stören und gesundheitliche Risiken wie Unfruchtbarkeit und Krebs erhöhen.
Eine Frau mittleren Alters sitzt mit strengem Blick am Computer.
HALLO!

Silke Bodenbender: „Vielleicht drängt es ja mal eine Schauspielerin in die Politik“

Kristina Lurz, die Bürgermeisterin von Waldsee, muss sich in der ZDF-Komödie "Ein ganz großes Ding" nicht nur gegen einen Erpresser behaupten, sondern auch ihren Traum von der großen Politik verfolgen. Silke Bodenbender brilliert in der Rolle der ambitionierten Politikerin.
Ein Mädchen hält sich eine Wasserflasche an den Kopf.
Gesundheit

Was tun bei einem Sonnenstich?

Im Sommer kann zu viel Sonne gefährlich werden. Das Deutsche Rote Kreuz gibt Tipps, wie man einen Sonnenstich vermeidet und was im Notfall zu tun ist.
Dr. Julia Fischer moderiert mittwochs um 20.15 Uhr die SWR-Gesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des „ARD Gesund“-YouTube-Kanals erklärt sie medizinische Themen.
Gesundheit

Multiple Sklerose – wenn das Immunsystem angreift

Eine Patientin teilt ihre Erfahrungen mit Multiple Sklerose. Von der Diagnose am Gardasee bis zur modernen Therapie mit monoklonalen Antikörpern und Veränderungen im Alltag.
Jil Eileen Füngeling vor der Golden Gate Bridge.
HALLO!

„Meine Träume sind wichtiger als meine Schmerzen“ - Jil Eileen Füngeling

Reise-Influencerin Jil Eileen Füngeling hat 2018 ihre erste Weltreise gestartet. Seitdem ist das Reisen ihr Beruf. Nach einem Horror-Unfall mit einem Geisterfahrer in Namibia kämpft sie sich zurück ins Leben. Darüber schreibt sie auch in ihrem zweiten Buch, das am 1. September erscheint.