Zuckersand
TV-Film, TV-Tragikomödie • 11.10.2017 • 20:15 - 21:45
Lesermeinung
Fred (Tilman Döbler, rechts) und Jonas (Valentin Wessely) halten Ausschau mit dem Feldstecher von Kazmareck. Von ihrem Posten können die beiden Jungs bis zur Grenze sehen. Weiteres Bildmaterial finden Sie unter www.br-foto.de.
Vergrößern
Hint
Audiodeskription
Produktionsland
Deutschland
Produktionsdatum
2017
TV-Film, TV-Tragikomödie

Traumreise ans andere Ende der Welt

Von Wilfried Geldner

Fred und Jonas sind zwei Zehnjährige in der DDR. Sie träumen von einer Reise ans andere Ende der Welt. Dazu wollen sie ein Loch mitten durch den Globus graben.

"Mit dem Kopf kann man überall hinreisen", hat der gescheite Nachbar Kaczmareck (Hermann Beyer) zu den zehnjährigen Freunden Fred und Jonas gesagt. "Und wenn du auf den Mond willst, stellst du eine Leiter ran – und rauf!" Fred und Jonas, von Tilman Döbler und Valentin Wessely fantastisch ungezwungen gespielt, glauben alles, was Kaczmareck so sagt: dass ein Stück Zucker schwimmen kann, wenn man nur fest daran glaubt, dass die Aale aus Kuba kommen und tausende Kilometer weit wieder dorthin ziehen – und eben auch, dass man einen Tunnel durch die Erde bis hinunter nach Australien graben kann. Dirk Kummers Film "Zuckersand" ist eine Familiengeschichte aus der DDR im Jahr '79. Doch sie ist mehr als das – eine schöne Feier der Fantasie.

12.742 Kilometer müsste man graben. Dann würde man am anderen Welt von den Aborigines, von Koalabären und Kängurus begrüßt. Als Jonas' Mutter einen Ausreiseantrag stellt und die Trennung der Freunde droht, nimmt dieser Plan Gestalt an: Jonas und Fred fangen in einer alten Fabrikhalle an, sich durch den sandigen Brandenburger Boden zu graben. Man muss nur gerade bohren. Wenn man es genau macht, kann man sich sogar einen Kilometer sparen.

PRISMA EMPFIEHLT
Täglich das Beste aus der Unterhaltungswelt bequem in Ihr Mail-Postfach? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter "PRISMA EMPFIEHLT" und erhalten ab sofort die TV-Tipps des Tages sowie ausgewählte Streaming- und Kino-Highlights.

Was nach Tunnelbau und einer weiteren DDR-Fluchtgeschichte klingt, ist in Wahrheit eine ebenso mitreißende wie rührende Geschichte über die wahre Freundschaft in harter Zeit. Die Geschichte von Fred und Jonas, die sich ihre Blutsbrüderschaft in die Arme ritzen, wird von Dirk Kummer (Buch und Regie) in Erinnerung eigener Kindheitserfahrungen konsequent aus der Perspektive der Jungen erzählt. Geschichte von unten, und bei aller aufkommenden Tragik ganz nah am Alltag dran in der zugemauerten DDR. Nie verbiestert, immer mit einer Prise Komik durchsetzt, werden die Eltern-Kind-Beziehungen oder der Schulalltag gezeigt. Ein Streichholz, das einen Arbeiter symbolisiert, kann leicht gebrochen werden, sagt die Lehrerin, aber die Arbeiterschaft als Ganzes ist unbesiegbar und stark.

Gegenüber den Aborigines, die problemlos in Gedanken weiteste Strecken überwinden können, ist in den Augen der Jungen aber auch eine noch so starke Arbeiterschaft ohne Chance, zumal sich nach dem Ausreiseantrag die Kontaktverbote verstärken. Freds Vater (Christian Friedel) ist Grenzbeamter, so muss man wissen, er ist zufrieden mit "seinem" Staat – ebenso wie die Mutter in ihrem Kindergarten. Jonas' Mutter, die Ausreisewillige, ist gläubige Christin und friedensbewegt. Fred bewundert sie, nicht zuletzt wegen ihrer wallenden roten Haare. "Aber meine Mutter kannste nicht heiraten", sagt Jonas sehr bestimmt. Freds Schwester wechselt schon die Freunde wie die Hemden. Sie will die Pille, das hat sie aus der "Bravo" des Nachbarn gelernt.

Dass Fred neben dem Tunnel noch einen anderen Trumpf im Ärmel hat, macht die Träume von Freiheit schon fast zu perfekt: Er wird fürs Sport-Internat auserlesen, einst könnte er mit dem Olympiakader der DDR nach Australien reisen. Fred will einer wie Emil Zatopek werden. Ach was? sagt die Mutter, und holt alle ein wenig aus dem Himmel der Träume zurück. Für den Zuschauer gibt's allerdings in diesem Zusammenhang viel Realismus aus der Sportkaderzüchtung der DDR. Aber dann ist es eben doch Jonas, der bei der Ausreise im "Tränenpalast" mit viel Geschick der Mutter entschlüpft.

Fred wird Jonas nie wieder sehen, und das ist dann eine ganz andere Geschichte – von Tragik und Trennung, bei der noch nicht einmal die Aborigines helfen können. Schade drum. Aber die leichte, humorvolle Poesie des Films, egal ob er nun als Jugendfilm firmieren mag oder nicht, kann das keineswegs mildern. Beim Münchner Filmfest wurde "Zuckersand" übrigens mit dem Preis für den besten Fernsehfilm gekürt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Darsteller

Weitere Darsteller

Top stars

Feierte 2001 mit seiner Rolle in "Donnie Darko" seinen Durchbruch: Jake Gyllenhaal.
Jake Gyllenhaal
Lesermeinung
Trotz unvorteilhaftem Aussehen ein Star: Danny DeVito.
Danny DeVito
Lesermeinung
August Zirner in "Milchgeld. Ein Kluftingerkrimi".
August Zirner
Lesermeinung
Immer eine schwer lastende Figur: Richard Harris drehte Filme ganz unterschiedlicher Qualität
Richard Harris
Lesermeinung
Schauspieler und "Tatort"-Star Axel Prahl.
Axel Prahl
Lesermeinung
Axel Milberg als "Tatort"-Kommissar Borowski
Axel Milberg
Lesermeinung
Andreas Hoppe als Tatort-Kommissar Mario Kopper
Andreas Hoppe
Lesermeinung
Alwara Höfels wandelt auf den Spuren ihrer Eltern.
Alwara Höfels
Lesermeinung
Spezialist für harte Aktion: Regisseur John Boorman
John Boorman
Lesermeinung
Oft ein athletischer Bösewicht: Michael Biehn
Michael Biehn
Lesermeinung

Das beste aus dem magazin

"Kafka"-Darsteller Joel Basman im Interview.
HALLO!

Joel Basman über Kafka: „Er hätte einen Riesenspaß an TikTok gehabt“

Das Erste zeigt zum 100. Todestag von Franz Kafka eine sechsteilige Miniserie über den berühmten Schriftsteller. Joel Basman hat die Hauptrolle übernommen und erklärt im Interview, wie er sich Kafka vorstellt, warum er ein schlechter Mitbewohner gewesen wäre und was ihn heute immer noch relevant macht
Dr. Melanie Ahaus ist niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Leipzig und Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Sachsen.
Weitere Themen aus dem Magazin

Was tun, wenn Kinder an den Nägeln kauen?

Nägelkauen ist eine der häufigsten Angewohnheiten, unter denen Kinder leiden – und manchmal noch mehr ihre Eltern. Eine Ärztin verrät, was Sie tun können.
Dieter „Maschine“ Birr ist immer seinen Weg gegangen.
HALLO!

„Mit den Puhdys ist jetzt Ruhe“

Dieter „Maschine“ Birr feierte im März seinen 80. Geburtstag. Anlässlich seines neuen Albums „Mein Weg“ und der neuen Biografie „Was bisher geschah“ hat prisma mit dem ehemaligen Sänger der Puhdys gesprochen.
Dr. Katrin Lossagk ist Ärztliche Leiterin bei Lipocura in der Münchner Klinik mednord und der Kölner Beethoven-Klinik. Die Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie spezialisierte sich bereits 2014 auf die Behandlung von Lipödemen.
Weitere Themen aus dem Magazin

Endometriose: Schmerzen durch wucherndes Gewebe

Endometriose kann die Lebensqualität von Betroffenen erheblich einschränken. Dr. Katrin Lossagk erklärt, was helfen kann.
Horst Klemmer denkt auch heute noch sehr häufig an Heinz Erhardt.
HALLO!

„Heinz Erhardts Humor war frei von Politik und Zoten“

Horst Klemmer lernte Heinz Erhardt als Fan kennen. Von 1962 bis 1971 war er Erhardts einziger und exklusiver Manager, ging mit ihm auf Tour, verhandelte seine Verträge und organisierte seine TV-Auftritte. Klemmer hatte viele Jahre eine enge Bindung zu der Komiker-Legende, war bis zu Heinz Erhardts Tod 1979 in regem Kontakt mit ihm. Seine Erinnerungen hat er nun in dem Buch „Heinz Erhardt – Hinter den Kulissen“, das im Lappan Verlag erschienen ist, aufgeschrieben. prisma hat mit dem mittlerweile 87-Jährigen über Heinz Erhardt gesprochen.
Dr. Julia Fischer moderiert montags die SWRGesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des neuen ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen.
Gesundheit

Schenkelhals-Fraktur – nach dem Sturz wieder fit werden

Nach einer Schenkelhalsfraktur ist es das Wichtigste wieder sicher Gehen zu lernen. Dr. Julia Fischer berichtet aus der Praxis.