Staffel zwei auf Amazon Prime

"Absentia": Eine Frau am Anschlag

von Eric Leimann

Amazon setzt die spannende, wenn auch ein wenig überdrehte Thrillerserie "Absentia" mit Stana Katic als geschundene FBI-Agentin fort. Ein Programm für Fans des ehemaligen "Castle"-Stars sowie atemloser Thriller mit extra-taffen Frauenfiguren.

Ganz schön wandelbar ist sie, die schöne Stana Katic. Einst war die mittlerweile 41-jährige Kanadierin mit kroatischen Wurzeln einer der größten Stars im amerikanischen Free-TV. Von 2009 bis 2016 ermittelte sie als New Yorker Detective Kate Beckett in der überaus erfolgreichen ABC-Serie "Castle". Eine leichte, von ihrem Dialogwitz lebende Dauerromanze zwischen einer Ermittlerin und dem namensgebenden Krimischriftsteller Richard Castle (Nathan Fillion), die ein wenig an alte Kultprogramme wie "Remmington Steele" erinnerte. Nach Katics Ausstieg und dem Ende von "Castle" kam ihre selbst produzierte, sehr viel düsterere Serie "Absentia" im Herbst 2017 beim US-Kabelanbieter AXN heraus. In Deutschland und weiten Teilen Europas war das Programm bei Amazon Prime zu sehen. Ab Freitag, 14. Juni, kann man dort auch Staffel zwei sehen.

Worum ging es? In den Folgen eins bis zehn spielte Katic die FBI-Agentin Emily Byrne, die nach sechs Jahren Gefangenschaft durch einen mysteriösen Peiniger scheinbar grundlos zurück ins Leben entlassen wurde. Doch was für eine Art Leben war das?

Emilys Mann und Kollege Nick (Patrick Heusinger) lebte mittlerweile mit einer anderen Frau (Cara Theobald), der mittlerweile neunjährige Sohn Flynn (Patrick McAuley) konnte sich nicht an seine Mutter erinnern und blieb ihr gegenüber kühl. Weil "Absentia" mehr Thriller als Psychodrama ist – obwohl gerade Katic die düstere, aber immer menschliche Hauptfigur sehr überzeugend darstellt – musste natürlich eine neue Mordserie den Handlungsort Boston erschüttern und die zurückgekehrte, irgendwie "brainwashed" wirkende Emily zur Hauptverdächtigen machen. Überaus spannend und wendungsreich waren die zehn Folgen der ersten Staffel – allerdings glaubte man auch die Kalkül-Nachtigall gängiger Serienmörder- und Thrillerklischees mehrfach pro Folge trapsen zu hören. Das Publikum störte dies nicht, "Absentia" lief und streamte sich mit gutem Erfolg, sodass Produzentin und Hauptdarstellerin Katic das Okay für eine zweite Staffel erhielt.

Die hat nun inhaltlich das Problem zu lösen, dass die düstere Vergangenheit der Hauptfigur, die sich in Staffel eins an die Einzelheiten ihrer Gefangenschaft kaum erinnern konnte, mittlerweile geklärt und ein Serientäter überführt ist. Doch wie das so ist mit den Traumata – sie lassen sich nicht so einfach aus dem Leben entfernen. In Staffel zwei lebt Emily zwar in Freiheit, aber reichlich derangiert im eigenen Apartment. Drogenkonsum und schneller Sex helfen über schlimme Flashbacks und andere emotionale Tiefs hinweg.

Als ein Giftgas-Anschlag im großen Stil die Stadt erschüttert, steht Emily aber auch als Mutter wieder voll im Saft. Sohn Flynn muss von der Schule abgeholt werden, weil der Vater auf Verbrecherhatz und die Ziehmutter in der U-Bahn festsitzt. Kein Problem für Emily, deren Verhältnis zur alten Familie (neben Sohn und Ex-Mann sind auch Stiefvater und -bruder aus Staffel eins wieder dabei) zwar spannungsreich bleibt, aber nicht abgerissen ist.

Insgesamt schafft Staffel zwei recht gut den Spagat, eine vordergründig auserzählte Story fortzusetzen. Die dunklen Geheimnisse von Emilys Vorleben inklusiver Gefangenschaft erweisen sich als bei weitem nicht vollständig ausgeleuchtet, während ein neuer Fall sowohl von offizieller FBI-Seite als auch von den Guerilla-Ermittlern Emily und ihren versteckten Helfern im Staatsapparat angegangen wird. Dass "Absentia" bei "Rotten Tomatoes", dem Meta-Portal für Film- und TV-Kritiken, auf einen paritätischen Wert von 50 Prozent positiver und negativer Kritiken kommt, ist nachvollziehbar. Meist werden die Hauptdarstellerin sowie der gesamte Cast gelobt, ebenso die dunkle Bildsprache sowie die hohe Grundspannung der Handlung. Was die Originalität des Plots betrifft, weist "Absentia" jedoch unübersehbare Schwächen auf. Wer die letzten Jahre nicht wie Emily in Isolation und einem verriegelten Aquarium verbrachte, dürfte fast alle Tricks der Serienmacher so oder ähnlich schon mal gesehen haben.

Dennoch kommen Thrillerfans auf ihre Kosten, während sich Freunde des psychologischen Dramas die durchaus interessante Geschichte der geschundenen Hauptfigur wohl gerne aus einer mehr aufs Menschliche konzentrierten, alternativen Drehbuchversion angeschaut hätten. Insofern ist "Absentia" eher etwas für Fans von "24" als von "Rectify".


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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