Alina Levshin

"Für mich gehören 'Die Spezialisten' in die Primetime"

von Maximilian Haase

In der Rolle der Neonazi-"Kriegerin" erlebte sie vor zehn Jahren als junge Schauspielerin den Durchbruch. Fortan ging es für Alina Levshin schnell voran. Vielleicht ein wenig zu schnell: 2013 wurde sie Teil des jüngsten "Tatort"-Teams aus Erfurt, hängte die Rolle nach nur zwei Fällen und schlechten Kritiken aber wieder an den Nagel – woraufhin der "Tatort" aus der thüringischen Hauptstadt eingestellt wurde.

Eine Krimi-Phobie entwickelte die gebürtige Ukrainerin, die auch in Fernsehdramen wie "Schuld" und "Unterwerfung" eindrückliche Rollen übernahm, deshalb nicht. Fünf Jahre später hilft die 34-Jährige nun abermals Mord- und sonstige Fälle aufzuklären: Als unnahbare Pathologin unterstützt Alina Levshin "Die Spezialisten" im ZDF (ab Mittwoch, 23.1., 19.25 Uhr), die ihrer Meinung nach ins Hauptprogramm gehören.

prisma: Täuscht der Eindruck oder kann Ihre neue Figur, Dr. Julia Löwe, bei den "Spezialisten" mit Menschen nicht viel anfangen?

Alina Levshin: Sie beschäftigt sich gern alleine in der Pathologie mit den Menschen, die schon tot sind, die nur noch Material sind. Das hat sie definitiv lieber, aber besitzt durchaus auch andere Interessen. Zum Beispiel Tiere auszustopfen.

prisma: Wäre das auch etwas für Sie?

Levshin: Es ist sicher sehr meditativ. Ich kann mir vorstellen, dass mich etwas Ähnliches schon reizen würde. Malerei etwa, das hat auch etwas Meditatives. Eine Sache, an der man mehrere Stunden dranbleibt, ohne mit anderen ins Gespräch zu kommen. Es ist entspannt, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Am Ende hat ja jeder Mensch eine Art Hobby, aber so etwas Spezielles gibt es bei mir eigentlich nicht. Nichts krass Verrücktes.

prisma: Fehlt uns so etwas heute?

Levshin: Oft gelten solche Hobbys als Zeitverschwendung. Wenn, dann muss es effektiv sein für den Job, dann darf man "nur" Sport treiben etwa. Auch einfach rauszugehen und in der Natur auf einer Bank zu sitzen – das macht man nicht mehr. Sinnfreie Hobbys sind ja auch Luxus heute. Da kommt uns sicher etwas abhanden.

prisma: Trifft das bei Ihnen und Ihren nicht gerade hobbyfreundlichen Arbeitszeiten als Schauspielerin umso mehr zu?

Levshin: Manchmal habe ich schon ungewöhnliche Arbeitszeiten. Bei einem Kinofilm auch mal später, nachts oder am Wochenende. Auch bei einer Serie arbeitet man von sieben bis sieben. Beim Film sind keine Grenzen gesetzt. Man kommt sich vor, als wäre man kein "normal" arbeitender Mensch. Man muss schon für seinen Beruf brennen, sonst tut man sich das nicht an.

prisma: Für "Die Spezialisten" konnten Sie immerhin zu Hause in Berlin drehen ...

Levshin: Ja, das sind für Filmschaffende relativ geregelte Arbeitszeiten. Da freut man sich schon, im eigenen Bett zu schlafen. Wobei es dennoch eine Herausforderung ist: Die Welt dreht sich weiter, und da ich nicht in einem Hotel bin, muss ich mich um gewisse Dinge natürlich weiter kümmern – Wäschewaschen etwa. Nach Feierabend gibt es noch genug zu tun. Zudem ist ein Dreh von insgesamt mehr als fünf Monaten am Stück auch einfach wie ein Dauerlauf. Das schlaucht.

prisma: War das neu für Sie?

Levshin: Der Dauerlauf? Nein, nicht wirklich, aber ich bin in einer anderen Lebensphase. Noch vor meinem Studium habe ich mich bereits sportlich betätigt. Ich tanze, war im Leichtathletikverein. Lieber waren mir aber eher die kurzen Strecken. Nun sind knapp fünf Monate am Stück zu drehen eine Umstellung und eine Herausforderung zugleich. Um die Erfahrung bin ich aber froh – man hat ja selten Gelegenheit, über lange Zeit mit denselben Leuten zu arbeiten. Es ist ein bisschen wie ein Ensemble. Da hilft man sich gegenseitig, dass man ein gutes Ergebnis bekommt und dennoch rechtzeitig nach Hause gehen kann.

prisma: "Die Spezialisten" läuft bereits seit drei Jahren. War es schwierig, sich im eingespielten Team einzuleben?

Levshin: Ich kam in eine gut geölte Maschinerie. Alle kannten sich, das war schon cool. Alles läuft schon, man musste sich nicht erst mal eine Woche lang eingrooven. Sie haben es mir sehr einfach gemacht, reinzukommen. Das war sehr herzlich. Jeder Geburtstag wird etwa besungen. Inzwischen habe ich alle sehr, sehr gern. Wie eine kleine Familie.

prisma: Kannten Sie das Format vorher schon?

Levshin: Nicht wirklich, ich zappe wenig durchs Fernsehen. Aber ich bin von "Die Spezialisten" sehr begeistert. Für mich ist das auch kein Vorabend mehr, sondern gehört eher auf einen Sendeplatz 20.15 Uhr.

prisma: Wie würden Sie Ihre TV-Gewohnheiten beschreiben?

Levshin: Ich schaue nur, wenn ich genau weiß, was ich sehen will. Die Arbeit von bestimmten Kollegen etwa oder einem bestimmten Regisseur.

prisma: Wie änderte sich Ihr eigenes professionelles Leben nach Ihrem Durchbruch mit "Kriegerin"?

Levshin: Davor hatte ich in nur zwei Produktionen gespielt, etwa "Im Angesicht des Verbrechens" und noch auf keine lange Karriere mit den unterschiedlichsten Rollen zurückblicken können. Daher war es toll, dass ich nun im Fokus stand mit etwas, dass sich von meinen früheren Rollen stark unterschied – und dass der Film noch dazu so ein großer Erfolg war. Im Anschluss sah mich die Branche anders. Als Schauspieler ist man oft in einer Schublade. Viele Schauspieler können sich nicht aussuchen, was sie spielen. Es ist ja nicht so, dass Produzenten, Sender oder Verleiher meine Agentur anfragen und wissen wollen, was ich spielen will. Als Schauspieler ist man extrem von den angebotenen Rollen abhängig.

prisma: Hätten Sie gern mehr Auswahl?

Levshin: Natürlich. Welcher Schauspieler will das nicht? "Kriegerin" war für mich Chance und Versprechen zugleich, denn manchmal wird von mir immer wieder "Kriegerin" erwartet, obwohl das Rollenprofil, zu dem ich eingeladen werde, das dann gar nicht hergibt. Für die Branche ist die Umorientierung offenbar schwer, viel schwerer als für mich, denn als Schauspielerin wünsche ich mir Arbeitsmaterial, das mich inspiriert, und einen Regisseur, der mit mir beim Casting eine Vision und eine Kommunikationsebene teilt. Dann hat man eine Chance, aus etwas Schriftlichem etwas Lebendiges zu machen. Manchmal fehlt in Deutschland der Mut, neue Wege zu gehen, gerade im Denken.

prisma: Apropos: Hatten Sie nach dem Ende beim Erfurter "Tatort" eigentlich noch Lust auf Krimis?

Levshin: Ach, ich war danach nicht am Boden zerstört, das Team war cool. Ich konnte viel lernen und ausprobieren. Es war ein angenehmes Arbeiten in Erfurt. Nur manche Dinge haben eben nicht gestimmt. Aber da sagte ich natürlich nicht: So jetzt drehe ich dem Krimi den Rücken. Wenn ich was bekomme, schaue ich gar nicht so sehr auf Genre und Uhrzeit, sondern auf die Rolle und das Thema.

prisma: Das passte bei der Rolle der Pathologin Dr. Löwe bei den "Spezialisten"?

Levshin: Ich spüre eine gewisse Sympathie für sie. Im besten Fall spielt man ja Figuren, die man nicht verurteilt. Die man zeigt, wie sie sind. Als Schauspielerin ist es eine schöne Herausforderung, so jemanden zu spielen. Ich bin als Privatperson natürlich anders – aber je weiter weg von mir, desto interessanter ist es ja.

prisma: Mussten Sie sich in die Wissenschaft der Pathologie einlesen?

Levshin: Klar, ich studierte noch kurz Medizin (lacht)! Nein, im Ernst: Man hat Riesenrespekt davor, aber es hat mich auch immer interessiert. Und wenn man das schon nicht studiert hat, dann kann man wenigstens so jemanden spielen. Ich hatte während des Drehs auch eine medizinische Fachkraft, eine leidenschaftliche Pathologin, an meiner Seite. Wir durften uns bei den Jurastudenten an der Charité auch in eine Vorlesung setzen und an einer Obduktion teilnehmen.

prisma: Wie war das?

Levshin: Es ist schon etwas Außergewöhnliches. Jeder würde denken: Oh mein Gott, jemanden, der tot ist, aufschneiden! Aber man begreift, wie man das in dem Moment abstrahiert. Da wird zwar eine Frau aufgeschnitten, aber man fragt eher: Warum hängt das daraus? Was ist das? Es ist kein Mensch mehr, sondern Material. Die emotionale Ebene muss ausgeschlossen werden, sonst kannst du das nicht.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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