Schauspieler Eric Stehfest

"Ich möchte nicht mein ganzes Leben 'Eric, der Junkie' sein"

von Sarah Kohlberger

Schauspieler Eric Stehfest war jahrelang drogenabhängig. Über seine Sucht hat der frühere "GZSZ"-Star ein Buch geschrieben, das nun für ProSieben verfilmt wurde. Im Interview verrät Stehfest, wie die Drogen sein Leben veränderten.

Neun Tage und Nächte lang war er wach. Es war der Gipfel einer jahrelangen Crystal-Meth-Sucht, danach unterzog er sich einem Entzug. Eric Stehfest (30) machte nie ein Geheimnis um seine Drogenabhängigkeit. 2017 veröffentlichte er darüber sogar das Buch "9 Tage wach". Heute genießt der ehemalige "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"-Schauspieler ein drogenfreies Leben, ist seit 2015 glücklich verheiratet und seit 2016 Vater eines Sohnes. ProSieben zeigt am Sonntag, 15. März, 20.15 Uhr, die Verfilmung des Bestsellers mit Jannik Schümann in der Hauptrolle. Der Film erzählt von einem jungen Mann, der viele Höhen und Tiefen durchlebt, und die Tiefen meist in einem Drogenrausch begräbt. Im Interview verrät Stehfest nun, warum er seine Geschichte publik machte, warum er bereits Leben rettete und was ihn nun nach "9 Tage wach" erwartet.

prisma: Warum haben Sie sich entschlossen, Ihre Geschichte in Buchform zu veröffentlichen?

Eric Stehfest: Ich wollte versuchen, denen eine Stimme zu geben, die sich nicht trauen, ihre zu benutzen. Das ging einher mit einem Prozess der Selbstwahrnehmung und der Selbstliebe. Ich habe während meiner langwierigen Therapiezeit viele Biografien gelesen, die nach einem ähnlichen Konstrukt aufgebaut waren. Da ist mir das Ausmaß dieser Droge und dieser Welt bewusst geworden.

prisma: Wie authentisch ist das Buch?

Stehfest: Alles, was im Buch steht, ist genau so gewesen. Seit ich etwa 14 Jahre alt bin, geriet ich immer wieder in wirklich außergewöhnlich skurrile Situationen, die mitunter auch sehr schmerzvoll waren. Aber ich dachte mir immer: "Pass auf Eric, das wird irgendwann alles einen Sinn haben." Daher habe ich diese ganze Drogenzeit dokumentiert. Die Originalaufzeichnungen haben am Anfang sehr geholfen.

prisma: Warum haben Sie das Buch in der dritten Person und nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben?

Stehfest: Diese dritte Person war im Grunde genommen schon jemand anderes als ich. Ich möchte nicht mein ganzes Leben "Eric, der Junkie" sein. Wenn man sich so laut outet, passiert es relativ schnell, dass man nur noch so wahrgenommen wird. Deswegen war es mir wichtig, ein außenstehender Autor zu sein. Ich schreibe über "Eric, den Junkie", und nicht "Eric, der Junkie" schreibt.

prisma: Sie beschreiben im Buch, wie Ihre Mutter Sie während Ihrer Drogensucht immer unterstützt hat, Sie konnten mit Ihr über alles reden. Würden Sie sich wünschen, sie hätte anders reagiert?

Stehfest: Nein, in Bezug auf meine Drogensucht nicht. Sie hätte sich eher damit auseinandersetzen müssen, wie ihre Beziehung zu ihren Eltern ist, und warum sie so ist, wie sie ist. Ich glaube, dass sie darunter immer noch leidet. Das ist das, was man letztendlich überträgt. Deswegen war es schon in Ordnung, wie sie sich verhalten hat und dass sie es geschafft hat, in so einer schwierigen Zeit trotzdem eine Art beste Freundin für mich zu sein.

prisma: Hatten Sie noch andere Freunde um sich, zu denen Sie gehen konnten?

Stehfest: In der Zeit hatte ich nicht wirklich gute Freunde, das waren alles eher Einweghandschuhe. Man hat sie einmal benutzt, und dann waren sie auch schon wieder fort. Es war wichtig, dass diese konstante Mama da war, die immer noch neben einem saß, wenn man runterkommt und anfängt, paranoid zu werden. Das ist der Unterschied zwischen einem Junkie, der in dieser Welt verloren geht und stirbt, und einem Junkie, der von Eltern oder Großeltern gehalten wird und es rausschafft.

prisma: Wie war die Resonanz auf Ihr Buch?

Stehfest: Das Ausmaß war gigantisch. Das habe ich zwar ein bisschen vermutet, aber dass es so krass wird, hätte ich nicht gedacht. Ich nenne uns mittlerweile Sonderrettungskommando (Stehfest und seine engen Freunde, die sich im Bereich Drogenprävention engagieren, d. Red.), weil wir eine Art freiwillige Helfer sind. So wie die Freiwillige Feuerwehr loszieht und Menschenleben rettet, haben wir auch schon Menschenleben gerettet.

prisma: Inwiefern das?

Stehfest: Es hat sich einmal ein Mann bei uns gemeldet, der seine Frau tot in seinem Schlafzimmer aufgefunden hatte. Er wollte sich das Leben nehmen. Ich habe in einem Chat mit ihm diskutiert, dass er doch die Polizei ruft und sich noch eine Chance gibt. Er ist dann in eine Klinik gegangen. Auch da waren Drogen im Spiel. Ein anderes Mal hatten wir Kontakt mit einer Mutter eines Zwölfjährigen, der vergewaltigt wurde und dabei zusehen musste, wie jemand vergewaltigt wurde. Seine Psychologin erzählte dann der Mutter, dass jemand namens Eric Stehfest auf mysteriöse Art und Weise dafür gesorgt hat, dass ihr Sohn sein Schicksal jetzt annimmt und weitermacht. Und solche Geschichten kamen immer wieder. Ich habe da eine Tür aufgemacht für Schicksale, die deutlich schlimmer waren als meine.

prisma: Ihr Buch liest sich wie eine moderne Version von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Was hat sich seitdem verändert?

Stehfest: Die Politik hat momentan Wichtigeres zu tun, als sich um so etwas zu kümmern. Christiane F. ist damals sofort auf offene Ohren gestoßen. Weltweit wurde die Geschichte diskutiert, weil sie ein Abbild dieser Generation und dieser Bewegung war. Die aktuelle Politik sorgt dafür, dass nichts mehr sichtbar ist, dass Bahnhöfe sauber sind, wenn Touristen kommen. Nicht ein einziger Politiker ist auf mich zugekommen, um mich in irgendeiner Form zu unterstützen, das Thema voranzubringen. Ich merke, dass das Thema Sucht momentan keinen Raum hat.

prisma: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Ihre Geschichte zusätzlich zum Buch zu verfilmen?

Stehfest: Ich habe als Autor eine recht gewöhnungsbedürftige Handschrift. Ich schreibe relativ filmisch, mit vielen Szenen- und Zeitsprüngen. Das war für viele nicht verständlich. Das ist nicht schlimm, ich fand das sogar gut. Aber um die Ernsthaftigkeit des Themas noch mal zu verdeutlichen und für jeden verständlich zu machen, ist der Film die beste Sprache.

prisma: Warum haben Sie nicht selbst die Hauptrolle übernommen?

Stehfest: Mir war vor allem wichtig, dass das Drehbuch gut wird. Es bringt nichts, wenn ich selber spiele, das Drehbuch aber schlecht ist. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, den Stoff mitzuentwickeln und weiter bei dieser Welt zu bleiben. Spannend war, dass einer der Produzenten, Andreas Bareiss, dann meinte: "Eric, pass auf, dass du nicht gefressen wirst von der '9 Tage wach'-Welt. Versuche, loszulassen. So früh du kannst." Dadurch, dass ich nicht gespielt habe, konnte ich darüber nachdenken, wie es für mich weitergeht. Außerdem finde ich es wahnsinnig spannend, dass Jannik Schümann auch etwas aus seiner Welt reinbringt, das ich nicht hätte liefern können.

prisma: Wie finden Sie Jannik Schümann in der Rolle?

Stehfest: Er hat keine Angst gehabt, in den Schmerz zu gehen. Ich hatte das Gefühl, dass er wirklich diesen Leidensweg durchlebt hat. Es ist eine sehr körperliche Rolle, und es ist wirklich stark, wie er da rangegangen ist. Wir haben uns im Vorfeld mit dem Stoff auseinandergesetzt, danach haben wir uns aber nur noch einmal getroffen. Es brauchte dann den Abstand zwischen dem Original und dem, was dort am Set passieren soll.

prisma: Was haben diese neun wachen Tage am Ende des Films und am Ende Ihrer Sucht mit Ihnen gemacht?

Stehfest: Sie haben mir ein Bewusstsein für mich und meine Umwelt geschenkt. Nach diesem Drogenausstieg fühlte ich eine stetige Kraft, die jeden Tag wächst, die mich antreibt, dafür zu sorgen, dass Menschen sich miteinander verbinden, dass wir Hass und Hetze nicht siegen lassen. Ich gucke sensibler nach draußen und habe keine Angst mehr vor den Gefühlen.

prisma: Waren die Gefühle ein Grund, warum Sie überhaupt mit den Drogen angefangen haben?

Stehfest: Ja, auch. Ich bin ein sehr sensibler Mensch, der viel wahrnimmt. Wenn man durch die Reizüberflutung und die Atemlosigkeit nicht weiß, was man sagen soll, weil man Angst hat, der eigenen Meinung eine Stimme zu geben, dann nimmt man Drogen oder betäubt sich, damit es erträglicher ist. Aber das tue ich jetzt nicht mehr. Ich sehe, was mich berührt, und ich will und werde dazu auch etwas sagen. Das ist letztendlich das, was für mich nach dieser Reise übriggeblieben ist: Ich habe keine Angst mehr.

prisma: Wissen Sie noch, wie der Moment war, in dem Sie gemerkt haben, dass Sie abhängig sind?

Stehfest: Der entstand durch das Einströmen von Empathie in meinem Mechanismus. Die Dozenten und Kommilitonen in der Schauspielschule wollten Eric sehen, und keine Figur. Durch dieses ehrliche Interesse an meiner Person war es für mich nicht mehr möglich, die Maske aufzusetzen, die mir die Illusion von "Es ist alles in Ordnung, es läuft alles" gab. Ich stand vor dem Spiegel und habe der Wahrheit ins Auge sehen müssen. Da blickte mir nicht das entgegen, was ich dachte, das ich bin, sondern ein abgemagerter, trauriger Junge, der kurz davor ist, umzufallen.

prisma: Was war Ihre Reaktion, als Sie den fertigen Film zum ersten Mal gesehen haben?

Stehfest: Ich hatte ein bisschen Angst davor, dass ich vergesse, dass es meine Geschichte ist. Aber nach ungefähr 20 Minuten war ich plötzlich so drin, dass ich sogar immer wieder Originalfiguren kurz habe aufflackern sehen, das war krass. Ich glaube, so wie ich schaut niemand anderes auf dieser Welt diesen Film.

prisma: Im Film kommt immer wieder das Lied "Nights In White Satin" vor. Was hat es damit auf sich?

Stehfest: Der Song hat mich tatsächlich über diese Jahre immer wieder verfolgt. Allerdings wusste das der Regisseur nicht. Er und der Cutter haben dieses Lied einfach ausprobiert. Als ich ihn dann im Schnittraum gehört habe, war ich sehr überrascht. Ich glaube daran, dass Rhythmus und Musik dazu beitragen können, dass man gewisse Zeiten übersteht. Das kennt man zum Beispiel bei Herzschmerz, da können bestimmte Songs aufbauen oder Trauer zulassen.

prisma: Sie haben vor ein paar Jahren eine 16-teilige Kurzfilm-Reihe über Sucht und Abhängigkeit geplant, davon sind bisher acht Teile auf YouTube zu finden. Wie sieht es mit den weiteren Folgen aus?

Stehfest: Wir haben auch noch einen neunten Film gedreht. Aber danach hatte ich irgendwie Angst, weiterzumachen. Ich bin in einen Perfektionismus gerutscht. Als ich erst mal nichts mehr machen konnte, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir einfach noch mal von vorne anfangen und daraus ein richtiges Serienkonzept machen sollten. Seit einigen Monaten entwickeln wir nun mit der UFA Fiction diese Serie, die nun auch die Größe und den Rahmen bekommt, den sie verdient.

prisma: Bei "Dancing on Ice" haben Sie bekannt gegeben, dass Sie sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen und sich auf andere Projekte konzentrieren wollen. Gibt es einen Auslöser für diese Entscheidung?

Stehfest: Ja, wir sind nach einer Lesung angegriffen worden. Maskierte Männer sind auf uns losgegangen und meinten: "Verpisst euch mit eurem '9 Tage wach". Meine Frau und andere Frauen waren dabei, und ich hatte zum Glück einen Personenschützer bei mir. Man könnte das nun abstempeln und sagen, dass so was eben mal passiert. Aber das passiert nicht einfach so. Als wir uns kennenlernten, habe ich zu meiner Frau gesagt: "Edith, es kann sein, dass wir irgendwann in einem Haus mit einem Zaun und Securitys leben. Menschen, die die Wahrheit aussprechen, oder sich mit der Wahrheit beschäftigen, machen sich nicht nur Freunde."

prisma: Und wie sieht nun Ihr Weg aus?

Stehfest: Ich empfinde mich immer mehr als Totalkünstler. Ein Tausendsassa lebt in mir, der sich abarbeiten möchte. Seit ich 13 Jahre alt bin, gibt es eine ungestillte Ader in mir. Und das ist die Musik. Ich habe mit meiner Frau zusammen und zwei anderen Freunden eine Band gegründet, außerdem planen meine Frau und ich ein gemeinsames Buch. Ich habe bei "Dancing on Ice" gesagt, dass ich mich als Eric Stehfest aus der Öffentlichkeit zurückziehe. Aber es wird schon noch jemand anderes wiederkommen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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