Neue Folgen im ZDF

"Fett und Fett": die vielleicht realistischste Serie aller Zeiten

von Andreas Schoettl

Wer meint, im ZDF kann es einfach kein cooles Fernsehen geben, liegt völlig falsch. "Fett und Fett" ist jedenfalls der Serie gewordene Gegenbeweis. Anders als andere hippe Serien, die mit Action, Spannung oder Herzschmerz ihr Publikum bannen, erzählt die junge ZDF-Produktion, die bereits in der Mediathek hinterlegt ist, eigentlich nur den Alltag. Dieser ist halt oftmals so, wie er ist: mal lustig, mal vernebelt, hin und wieder traurig, dann aber wieder auch neben der Spur oder dramatisch und damit durchaus vertraut.

Es ist eine recht gestrenge Psychotherapeutin (Katrin Röver) mit sehr scharfen Blick, die dem Kerl so richtig die Meinung geigt: "Wer will denn so etwas hören? Wer will den so etwas sehen?", faucht sie einen nächsten wehleidigen Gesellen an. Der Schlaffi vor ihr ist um die 30 und heißt Jaksch (Jakob Schreier). Er darf sich von seiner Therapeutin noch weiteres anhören. "Ich war doch nicht sechs Jahre auf der Uni und vier Jahre in der Ausbildung, um hier die Probleme von einem Dreißigjährigen nach dem anderen anzuhören, dem es eigentlich gut geht. Die sich aber alle darüber beschweren, dass sie nicht wissen, was sie wollen, sich nicht entscheiden können und sich nicht trauen, ihre Bedürfnisse zu äußern", schleudert sie ihm entgegen.

Jakob, eigentlich immer nur Jaksch genannt, ist das Musterbeispiel eines Ex-Studenten (der Theaterwissenschaften). Viel Vernünftiges hat er im Münchner Glockenbachviertel bislang nicht auf die Reihe gebracht, was ihm eine Ex-Freundin sogleich bei einem zufälligen Treffen vorwirft. Einen konkreten nächsten Schritt in Richtung Arbeitsleben bringt er nicht zustande. Lieber faselt er bei einem weiteren Bier darüber, wie seine bescheidenen Ziele denn aussähen: "Essen, Trinken, Frauen kennenlernen und viel Geld verdienen." Weil aber die letzten beiden Möglichkeiten in seiner Situation kaum erreichbar sind, bleiben ihm nur essen und trinken. Die Folge in Jaksch oftmals bedauernswerter Logik: Sol wird man(n) "Fett und Fett!"

"Fett und Fett" in der ZDF-Mediathek

"Fett und Fett", wobei sich das zweite "fett" auf einen österreichischen Ausdruck für "betrunken" bezieht, ist sodann auch der Titel dieses Serien-Experiments, das nun im Zweiten zu sehen ist. Das ZDF sendet die sechs Episoden im Rahmen von "Das kleine Fernsehspiel" ab 00.15 Uhr in der Nacht von Montag, 14. Oktober, auf Dienstag aufeinanderfolgend im linearen Programm. Zuvor wurden sie bereits in der Mediathek des Senders hinterlegt – wo sie für die Dauer von sechs Monaten bereitstehen.

"In zehn- bis 20-minütigen Episoden wollten wir das Lebensgefühl junger Städter einfangen und von allen Seiten beleuchten. Bis Dezember 2017 waren fünf frei finanzierte Folgen entstanden, die online auf Vimeo zu sehen waren", erklären die Ideengeber Chiara Grabmayr und Jakob Schreier. Beide sind Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München. Grabmayr übernimmt bei der Serie unter anderem die Regie, Schreiber, der die Hauptrolle des ewig unentschlossenen Jaksch spielt, sorgt für allem für das Drehbuch.

In den neuen Folgen, die nach dem Erfolg der zunächst reinen Webserie und großartigen Reaktionen bei Festivals nun in Zusammenarbeit mit "Das kleine Fernsehspiel" entstanden sind, führt Jaksch weiterhin ein eher erfolgloses Dasein zwischen Augustiner-Bier, Schelte von der Therapeutin und dem Versuch einen Job zu erlangen. Sogar ein Vorstellungsgespräch hat er.

Wie Jaksch witzig-schräg daneben tickt, wird vor allem dann deutlich, als er sich um eine Stelle als Regie-Assistent bemüht. Markus Lilienthal, der Intendant der Münchner Kammerspiele, fragt den etwas dicklichen Bewerber mit der Turm-Frisur, wie er seine Entscheidungsfreudigkeit auf einer Skala von eins bis zehn denn einschätze. Jaksch selbst bewertet sich mit einer traurigen "fünf". Auch dass er ausgerechnet zum Gespräch nach durchzechter Nacht und mit schlechtem After Shave erscheint, kommt nicht gut an. Den Job am Theater bekommt er natürlich nicht.

"Fett und Fett" erzählt einfach den Alltag von Menschen um die 30, der eben bei weitem nicht so grau ist, wie man meinen möchte. Oder doch? – Jaksch beispielsweise lernt beim Kauf einer gebrauchten Waschmaschine eine neue potenzielle Herzensdamen kennen. Trotz eines eindeutigen Angebots, gemeinsam in der Badewanne landet er mit ihr nicht. Dafür sitzt er später triefnass im Regen. Die Waschmaschine war ihm beim Transport abgestürzt. Jeder kennt wohl das Gefühl: Schlimmer geht es nicht mehr.

Mit seiner erhofften Herzensdame kommt Jaksch unter anderem nach einem Besuch mit Karaoke-Einlage in einer Schwulen-Bar dann allerdings doch noch näher in Kontakt. Die neue Liebe führt ihn dann sogar heraus aus seinem Bier-Mief in München. Die neuen Folgen bringen ihn auch nach Berlin. Dort macht er sogleich neue Erfahrungen. Oder sind es doch wieder nur wieder die alten, nur in einer anderen Stadt? Mit einem arabischen Kleingangster landet der immer wieder nett Scheiternde in einer intensiven Führung durch die Neuköllner Gastroszene.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren