RTL-Dauerbrenner

Das Erfolgsgeheimnis von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"

von Jasmin Herzog

Ein Meilenstein für "Gute Zeiten, schlechte Zeiten": Am 29. April wird die 7000. Folge ausgestrahlt. Wie hat es die RTL-Serie geschafft, sich so lange auf dem TV-Markt zu halten? Eine Analyse.

Eigentlich wollte Wolfgang Bahro nur zwei Monate bleiben. Doch mit dem, was dann auf ihn zukam, hat er nicht gerechnet: Unglaubliche 27 Jahre lang spielt er nun schon den Fiesling Joachim "Jo" Gerner in der RTL-Vorabendserie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (montags bis freitags, 19.40 Uhr). "Experimentierfreudig war ich schon immer, also probierte ich es einfach aus. Dass wir allerdings ein TV-Dinosaurier wie die 'Lindenstraße' werden, hätte ich mir damals nie erträumt", so der heute 59-Jährige. Selbst "Die Lindenstraße" ist, wie man weiß, inzwischen Geschichte. "GZSZ" aber läuft und läuft und läuft ...

Am Mittwoch, 29. April, wird die sage und schreibe 7000. Folge ausgestrahlt – so lange hat sich bisher keine andere Serie in der deutschen TV-Landschaft halten können. Und sie ist nicht nur in Deutschland erfolgreich: Seit 2018 läuft die Serie auch in Frankreich und Belgien, auf Französisch synchronisiert, mit dem Titel "Au Rythme de la Vie". Doch warum ist "GZSZ" so ein Dauerbrenner?

Miese Schauspieler und miese Quoten in der Frühphase

Als am 11. Mai 1992 die erste Folge von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" über den Bildschirm lief, reagierten die deutschen Medien eher verhalten. "Fernsehen wird zur Sucht", titelte eine große Illustrierte und bezeichnete die erste deutsche tägliche Serie Nase rümpfend als "Fernsehen vom Fließband". Und auch die Quoten waren zu Beginn alles andere als berauschend: Nach einem akzeptablen Start fielen die Zuschauerzahlen im Sommer 1992 zeitweise unter die Millionengrenze, die Serie erntete desaströse Kritiken.

Erst als die Schauspieler – "learning by doing" – lernten, einigermaßen realistisch zu agieren und ein neues Autorenteam begann, deutliche Realitäts- und Aktualitätsbezüge in die einzelnen Folgen einzuarbeiten, stiegen die Quoten. So hielt sich die Serie allen Unkenrufen zum Trotz. Auch setzte sie sich gegen gerade zu Beginn harscher Kritik an arg gestelzt klingenden Dialogen und dürftigen schauspielerischen Leistungen durch. "GZSZ" entwickelte sich zum Soap-Flaggschiff schlechthin. "Aus dem stammelnden Kleinkind von damals ist längst ein wortgewandter Erwachsener geworden", sagte Bahro 2016. "Die meisten – vor allem jungen – Darsteller waren gutaussehende Models, die noch nie vor einer Kamera oder auf einer Bühne gestanden hatten."

Inzwischen habe sich das radikal geändert, wie Katrin Flemming-Darstellerin Ulrike Frank kürzlich im Interview berichtete. Inzwischen seien alle am Set "echte" Schauspielerinnen und Schauspieler. "Selbst die Jungen, die zu uns kommen, wenn sie 18 oder 19 Jahre alt sind, haben in der Regel schon Erfahrung im Bereich Schauspiel. Da kann man natürlich auch ganz anders arbeiten", so die 51-Jährige.

Daneben tragen aber auch die Auftritte der Schauspieler wesentlich zur Geschichten bei. Viele Figuren kamen und gingen, aber das Publikum nahm das nicht krumm. Der wechselnde Cast sorgt für Aktualität, immer wieder sind neue Gesichter zu sehen, die Schwung in die Produktion bringen. Aber auch Konstanten wie Wolfgang Bahro oder Ulrike Frank stehen seit vielen Jahren für Kontinuität und Verlässlichkeit. Neben den beiden Urgesteinen sind auch Daniel Fehlow, Felix von Jascheroff, Anne Menden und Jörn Schlönvoigt bereits tragende Charaktere, die die Zuschauer lieben gelernt haben. Man kennt die Figuren, identifiziert sich mit ihren Problemen, es herrscht eine ungewöhnliche Vertrautheit und Nähe.

Sprungbrett "GZSZ"

Für zahlreiche Jungschauspieler entpuppte sich die Produktion zudem als veritables Karrieresprungbrett. Als "Talentschmiede" bezeichnete Joachim Kosack, ehemaliger Geschäftsführer von der Produktionsfirma UFA Serial Drama, die Serie. Stars wie Jeanette Biedermann (von 1999 bis 2004 dabei), Saskia Valencia (1993 bis 1996), Yvonne Catterfeld (2002 bis 2005), Oliver "Oli P." Petszokat (1998 bis 1999), Nina Bott (1997 bis 2005), Alexandra Neldel (1996 bis 1999), Sila Sahin (2009 bis 2014) oder auch der Drehbuchschreiber Bora Dagtekin (2001) ("Fack Ju Göhte") haben sich hier in jungen Jahren ausprobiert und den Grundstein ihrer Karriere gelegt.

Passendes Beispiel dafür ist auch Janina Uhse, die von 2008 bis 2017 die Rolle der Jasmin Flemming verkörperte. Inzwischen hat sie ihr Können nicht nur in erfolgreichen Kinofilmen wie "Der Vorname" (2018) bewiesen, sondern macht auch als Food-Influencerin und Kochbuchautorin von sich reden. Im aktuellen Netflix-Film "Betonrausch" spielt sie neben David Kross und Frederick Lau eine Hauptrolle.

Den Begriff "Soap" hat "GZSZ" längst hinter sich gelassen. Die Geschichten wurden immer ausgefeilter und relevanter. Die Zuschauer bekommen hier nicht nur Liebesgeplänkel und seichte Alltagsproblemchen zu sehen. Zwar gibt es ihn noch, den ganz normalen Wahnsinn in hohen Dosen: Liebe, Freundschaft, Familie und Beruf – eben all das, was die Zuschauer auch betrifft. Aber mithin wagen die Macher auch den ein oder anderen Schockmoment und Skandal. "Die Serie verändert sich stetig und bleibt sich gleichzeitig treu", bringt Schauspielerin Ulrike Frank die Besonderheit von "GZSZ" auf den Punkt. Über die Jahre hinweg probierte man sich aus, setzte den Fans auch oft etwas komplett Neues vor: Man erinnere sich beispielsweise an den Strumpfhosenmörder, im Jahr 1994, der die Serie vorübergehend zu einem Ratekrimi mutieren ließ.

Inzwischen wagt sich "GZSZ" regelmäßig an schwere Themen wie Inzest, Sterbehilfe, Bulimie oder Drogenmissbrauch. Schauspielerin Valentina Pahde weiß, warum das für Relevanz sorgt: "Das ist nicht alltäglich, aber es passiert auf der Welt, und wir nehmen das 'GZSZ'-Universum von solchen Sachen nicht aus." Sie findet, das "Geheimrezept" der Serie "ist einfach, dass unsere Zuschauer sich und die reale Welt wiedererkennen". Pahde verkörpert seit 2015 die Rolle der Sunny Richter in der beliebten RTL-Serie. "Wir thematisieren ganz bewusst Probleme, um zu polarisieren. Denn die Serie möchte ihre Zuschauer auch aufrütteln."

Die Macher schreckten in der 28-jährigen Geschichte des Klassikers vor kaum einem Tabu zurück: Häusliche Gewalt, Inzest, Freitod, Essstörungen, Stalking, Mobbing, Rassismus, Jugendgewalt, Homosexualität, Krankheiten oder auch Drogen, Alkohol- und Tablettensucht sind nur einige der problematischen Themen, die die Serie behandelt. Zudem werden auch konkrete aktuelle Geschehnisse aufgegriffen, wie 2015 die Flüchtlingskrise, 2014 ein Organspendeskandal oder auch 2009 die Schweinegrippe.

Aufklärung statt Seifenoper

Man hört den Anspruch und das Engagement dahinter immer wieder heraus, wenn sich die Schauspieler über ihre Serie äußern. Oliver Franck, der 2017 als Martin Ahrens seine Frau Nina (Maria Wedig) schlug und somit häusliche Gewalt thematisiert, drückte die Hoffnung aus: "Vielleicht fühlen sich einige Opfer nicht mehr nur allein und hilflos, sondern unternehmen Schritte, um ihre Situation zu ändern." Lilly Seefeld (Iris Mareike Steen), die 2012 unter der Ess-Brech-Sucht Bulimie litt, verkörperte ein Problem, das damals angesichts des Magerwahns in den Medien nicht aktueller hätte sein könnte. Steen war sich ihrer Rolle als Vorbild auch bewusst: "Oft sind es, wie auch bei Lilly, äußere Einflüsse, die Menschen in die Bulimie treiben. Mobbing ist mehr als nur 'lustiges Ärgern'. Das sollte gerade Jugendlichen häufiger klargemacht werden." "GZSZ" fungierte durchaus für viele Fans als Aufklärungs- und Präventionshilfe und ist auch deshalb von einer seichten Seifenoper weit entfernt.

Wichtig ist den Machern insbesondere, dass die Schwere der Themen nicht heruntergespielt wird. Es soll nichts verharmlost werden. Die teils hochdramatischen Plots werden mit der gebotenen Sensibilität behandelt. "Wir haben uns dem Thema selbstbestimmtes Sterben mit Respekt und Sorgfalt genähert", betonte beispielsweise Schauspielerin Ulrike Frank, als Till "Bommel" Kuhn (Merlin Leonhardt) 2017 den Freitod wählte und ihre Katrin Flemming Sterbehilfe leistete.

Mit diesem engangierten Konzept fährt "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" nun schon seit 28 Jahren erfolgreich. Längst verbindet das Format auch vor der Kamera Generationen: Während ein aktueller Star wie Valentina Pahde mit ihren 25 Jahren noch nicht auf der Welt war, als "GZSZ" zum ersten Mal im TV lief, mimte der heute 59-jährige Wolfgang Bahro schon damals den fiesen Rechtsanwalt. Und auch vor den Bildschirmen wird die Altersspanne der Zuschauer immer größer: Die Teenager, die in den 90-ern Poster von Jan Sosniok aufhängten, CDs von Andreas Elsholz kauften und sich abends in die "GZSZ"-Bettwäsche kuschelten, sind inzwischen 40.

Die Mischung aus aktuellen und zeitlosen Themen, konstanten und wechselnden Schauspielern kommt beim Publikum einfach gut an. In den letzten Monaten ist die Einschaltquote im linearen Fernsehen zwar etwas gesunken. Während 2007 noch durchschnittlich insgesamt 3,69 Millionen Zuschauer einschalteten, waren es 2018 nur noch 2,84 Millionen Zuschauer. Allerdings darf dabei die Online-Nutzung nicht unterschlagen werden: "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gilt als eines der erfolgreichsten Formate des RTL-Streamingdienstes TVNOW – wie sich hier die Zuschauerzahlen entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Aber ein Ende ist erst mal auf jeden Fall nicht in Sicht. Denn "GZSZ" ist fraglos zu einem Aushängeschild des Senders geworden – und das zu Recht, denn, wie Darsteller Jörn Schlönvoigt einst sagte: "'GZSZ' ist mehr als eine Serie: Geschichten aus dem Leben, die dich fesseln und nicht mehr loslassen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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