Trauer um Hannelore Elsner

"Der deutsche Film ist nun ärmer"

von Alexander Franck

Der deutsche Film verliert eine seiner großen Charakterdarstellerinnen. Hannelore Elsner ist tot. Die vielfach preisgekrönte Schauspielerin verstarb im Alter von 76 Jahren.

Wie "Bild" zuerst vermeldete, verstarb die Schauspielerin bereits am Wochenende nach kurzer schwerer Krankheit. Die "tz" präzisierte wenig später, Elsner sei am Ostersonntag in einem Münchner Krankenhaus einem Krebsleiden erlegen. Nur wenige seien "über ihren dramatischen Gesundheitszustand eingeweiht" gewesen, auch das medizinische Personal habe sich um äußerste Diskretion bemüht, hieß es.

In ersten Stellungnahmen verneigte sich die Branche vor einer ihrer prominentesten Schauspielerinnen. Sie habe "die deutsche Kino- und Fernsehwelt geprägt wie keine andere. Der deutsche Film ist nun ärmer. Wir verlieren eine Freundin." Mit diesen Worten ließ sich am Dienstag etwa Martin Moszkowicz, der Vorstandsvorsitzendes der Constantin Film zitieren.

Hannelore Elsner galt als eine der wenigen, großen Diven des deutschen Films. Ihr feinsinniges Spiel, ihre nuancierte Darstellung gipfelte immer in einer unmittelbaren, ja soghaften Präsenz – man denke nur an "Die Unberührbare" (2000) von Oskar Roehler. Unberührbar und kapriziös gab sich die Schauspielerin auch im echten Leben. Um den Kreislauf in Schwung zu bringen, orderte sie beim Interviewtermin schon mal ein Glas Champagner. Wobei sie bei solchen Gelegenheiten durchaus sperrig sein konnte. Pressetermine mit ihr vermochten bei Organisatoren und Journalisten für Angstschweiß zu sorgen.

Vielleicht war die 1942 als Tochter eines Ingenieurs im bayerischen Burghausen geborene Schauspielerin ja wirklich das, was man gemeinhin eine Diva nennt. Im Gegensatz zu anderen Prominenten, die den Begriff "Medienarbeit" wörtlich nehmen, erwartete die Elsner fundierte Kenntnisse ihres Lebens vom fragenden Gegenüber. Dazu Gespräche, die schmeicheln und von enormer Originalität sind. Insofern muss man Filmemacherin Inga Wolfram ein besonderes Kompliment machen. Ihr Porträt aus der Reihe "Deutschland, deine Künstler" schaffte es 2012 tatsächlich einer Frau näherzukommen, die prinzipiell auf Abwehr gebürstet ist.

"Sie verändert einen Raum und eine Szene, wenn sie dabei ist. Ja, eine Aura ist schon um sie rum", sagte es in dem immer noch sehr sehenswerten Beitrag Regisseur Marcus H. Rosenmüller, der mit Hannelore Elsner den Film "Wer's glaubt wird selig" gedreht hat. "Ich mag diesen öffentlichen Smalltalk nicht", erklärte Hannelore Elsner 1993 bei einem ihrer extrem seltenen Talkshow-Auftritte Roger Willemsen. "Eine Schauspielerin sollte Rollen spielen und nicht so oft privat zu sehen sein."

"Die Rollen kommen zu mir"

Auf der anderen Seite gab es auch die Hannelore Elsner, die vor Energie geradewegs sprudeln konnte. Insbesondere dann, wenn sie für ein Thema, für eine Geschichte, für einen bestimmten Fall brannte. In "Hannas schlafende Hunde" war sie 2016 als furchtlose Oma zu sehen, die ihrer Enkelin beibringt, zu ihrer Herkunft zu stehen. Der Film spielt gut 20 Jahre nach Kriegsende in der österreichischen Spießer-Provinz, wo noch viele versprengte Nazis leben und aus ihrem Hass auf die jüdischen Nachbarn keinen Hehl machen. Nur weil es ein wichtiger Film ist, von größter gesellschaftlicher Relevanz, erklärte Hannelore Elsner seinerzeit, haben sie das Rollenangebot angenommen. "Er geht jeden was an, ich bin überzeugt, dass es sehr viele mitreißt und bewegt", betonte sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur teleschau. Bewegen, mitreißen – das tat Elsner auch als blinde Großmutter, die hier erneut eine jüdische Frau spielte. Wie schon in "Auf das Leben" (2015) oder "Der letzte Mentsch" (2014). Aber das ist nur Zufall, mehr nicht. Denn die Rollen, die Hannelore Elsner spielte, nach denen suchte sie nicht. "Die kommen zu mir und dann auch zur richtigen Zeit", sagte sie und ließ durchblicken, dass sie ein durch und durch politischer Mensch sei.

Dass sie sich darüber hinaus auch sozial engagierte, war für die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes selbstverständlich. Seit vielen Jahren unterstützte Hannelore Elsner das Frankfurter Fritz Bauer Institut gegen das Vergessen des Holocaust. "Weil ich der Meinung bin, dass man den Holocaust nie vergessen sollte." Außerdem war die Schauspielerin Mitglied im Berliner Verein Karuna, der sich um Straßenkinder kümmerte. Doch damit nicht genug: Elsner war auch im Kuratorium der Deutschen Aidsstiftung. Und all das neben der schauspielerischen Karriere: "Das Engagement kommt aus mir heraus, ich finde das sehr normal."

Über solche Dinge sprach sie durchaus gerne. Doch wehe, man stellte die falsche Frage zur falschen Zeit. Dann konnte sie aus der Haut fahren wie kaum eine andere. In Plauderstimmung war sie ohnehin selten, mit Anekdoten vermochte sie nicht aufzuwarten. Auch kein Wort über die eigene Kindheit im Kloster, die enge Beziehung zur eigenen Großmutter oder über den frühen Verlust von Vater und Bruder, über den in der Familie nicht gesprochen wurde. Der alten Schule des mysteriösen Stars, der Verknappung des Ausdrucks auf die reine Arbeit, dieser Selbstauffassung fühlte sich Hannelore Elsner bis zuletzt verpflichtet.

Weiterhilft da ihre Autobiografie, die sie 2011 verfasst hat. Den Titel "Im Überschwang" hat die Schauspielerin natürlich selbst gewählt. "Ich hab es ja auch selber geschrieben!" Fragte man sie nach dem einen oder anderen Herzensprojekt, das sie noch verwirklichen will, fiel ihr keines ein. Sie könne eh alles machen, was sie will. Und überhaupt: Was soll dieses Wörtchen "noch", schimpfte sie vor drei Jahren einmal im Interview. – "Das können Sie gleich streichen! Ich stehe mitten in meinem Berufsleben und werde immer weiter Rollen spielen, die mir entsprechen und auf die ich mich freuen kann. Aber ich werde mich nicht festlegen für die nächsten zehn Jahre!"

Bis Mitte des vergangenen Jahres stand Hannelore Elsner für einen ARD-Film vor der Kamera, der bisher nicht ausgestrahlt wurde. Im prominent besetztes "Club der einsamen Herzen" geht es um ein Frauen-Trio, das den Wert von Freundschaft wiederentdeckt. Neben Hanneloe Elsner spielen Uschi Glas und Jutta Speidel weitere Hauptrollen. Als Ausstrahlungstermin für den Film war der 8. Juni im Gespräch.

"Ich will keine Elefantenhaut"

Privat hat Hannelore Elsner ihr Glück nie dauerhaft gefunden. Männer kamen und gingen. Am längsten begleitete sie ihr 1981 geborener Sohn Dominik aus einer kurzen und heftigen Beziehung mit Regisseur Dieter Wedel. Dominik spielte in dem 2012er-TV-Porträt von Inga Wolfram eine nicht unerhebliche Rolle. Der Jungfotograf begleitete die öffentlichen Aufritte der Mutter – das Ziel: eine Bilderserie. "Meine Mutter ist eine wunderbare Frau, die mir viel Halt gibt im Leben", schwärmte seinerzeit der scheu wirkende Prominentensohn in nüchtern-aufrichtigem Tonfall. Auch jene zärtliche Seite lag wohl in der Diva verborgen, denn an Leidenschaft fehlte es ihr nicht. "Ich finde es so schön, dass alles vergeht und wiederkommt", sagte Hannelore Elsner in einer der letzten Interviewsequenzen des Films. "So wie unsere Haut, die sich immer wieder abrubbelt. Man stelle sich vor, das bliebe alles drauf – dann hätte man ja so eine Elefantenhaut. Ich will keine Elefantenhaut."

Die Filmemacherin Doris Dörrie, die mit Hannelore 2014 die Komödie "Alles inklusive" drehte, nannte die verstorbene Schauspielerin, die so schwer zu greifen ist "eine große Abenteuerin". Eine Abenteuerin, "die sich mit Neugier, Hingabe und Tapferkeit in jede Rolle und in ihr Leben gestürzt hat." Dann schickte Doris Dörrie noch einen letzten Satz nach, dem sich wohl jeder anschließen wird, der es mit dem deutschen Film hält: "Ich werde sie sehr vermissen."


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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