Christian Tramitz im Interview

"Staller ist nicht tot, der ist nur in Italien!"

von Markus Schu

Keine Zeit zum Trübsal blasen: Christian Tramitz will die Polizeiuniform von Franz Hubert noch längst nicht an den Nagel hängen. "Hubert und Staller" ist tot, es lebe "Hubert ohne Staller"!

116 Folgen lang wurschtelten sich Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau als kongeniales Chaos-Duo "Hubert und Staller" durch allerlei Kriminalfälle im oberbayerischen Fünf-Seen-Land. Echte Polizeiarbeit sieht sicherlich anders aus, aber der trottelige Staller und der griesgrämige Hubert spielten sich in die Herzen der Fans und waren bald nicht mehr wegzudenken aus der bundesdeutschen TV-Landschaft. Mit dem Fortgang von Lüttichaus endet nun eine Ära – und Tramitz sieht sich gezwungen als "Hubert ohne Staller" ab Mittwoch, 9. Januar, zur gewohnten Sendezeit, um 18.50 Uhr, die achte Staffel des ARD-Erfolgsformats einzuläuten. Damit ihm das gelingt, haben die Verantwortlichen einmal am Besetzungsrad gedreht und einige kleine, aber sinnvolle Änderungen vorgenommen. Dass nun auch das neue, alte Konzept voll und ganz aufgeht, liegt vor allem an der ungebrochenen Spielfreude von Tramitz. Denn der hat seine Paraderolle als Miesepeter noch lange nicht satt.

prisma: Hubsi ohne Hansi – wie soll das gehen?

Christian Tramitz: Das hab ich mich am Anfang auch gefragt! (lacht) Natürlich reißt der Ausstieg von Helmfried von Lüttichau ein Riesenloch in die Produktion. Aber ich glaube, dass wir uns nach und nach weiterentwickeln. Mit Reimund Girwidz (gespielt von Michael Brandner, d. Red.) fängt es auch an, ganz gut zu funktionieren.

prisma: Also ist die Ära "Hubert und Staller" unwiderruflich vorbei?

Tramitz: Iwo! Staller ist nicht tot, der ist nur in Italien! (lacht) Er kann jederzeit zurückkommen. Wie damals Bobby Ewing in "Dallas" unter der Dusche. Alles ist möglich!

prisma: Was war und ist eigentlich das Erfolgsrezept von "Hubert und Staller"?

Tramitz: Wenn ich das wüsste, würde ich sofort selber anfangen, zu produzieren! Das ist ja wie beim Kino. Du kannst nie genau sagen, was ankommt. Was die Leute an "Hubert und Staller" mögen, ist sehr unterschiedlich. Wir verfügen immer über ein super Ensemble. Das macht viel aus. Und dann glaube ich, dass es eine "Hubert und Staller"-Welt gibt. Dieser Kosmos ist wie eine Märchenwelt, nur eben als Krimi.

prisma: Woran machen Sie das fest?

Tramitz: Es gibt Leute, die kommen extra nach Wolfratshausen, um dort Urlaub zu machen. Sie sind dann begreiflicherweise auch ein bisschen enttäuscht, weil sich das echte Leben nun mal nicht so abspielt wie in der Serie. Wenn man sich in diesem fiktionalen Kosmos geschickt bewegt, dann bleiben die Zuschauer auch dabei. Man darf nur nicht zu bieder werden. Das ist immer ein Balanceakt.

prisma: Ihr Charakter Franz Hubert ist ein echter Macho. Nicht gerade der prädestinierte Frauenversteher ...

Tramitz: Null! (lacht)

prisma: Jetzt gibt es in der neuen Staffel sogar eine Frau als Chef. Was bedeutet das insbesondere für die Männerriege rund um Hubert, Riedl und Girwidz?

Tramitz: Es ist ja so: Hubert kriegt's gleich doppelt ab. Erst mal setzt man ihm dieses Rumpelstilzchen Girwidz ins Auto und dann noch eine Frau als Vorgesetzte vor die Nase. Aber im Bezug auf die Chefin ist Hubert zwiegespalten: Zumindest optisch findet er sie ja wahnsinnig attraktiv. Man weiß ja, wie Männer dann zu absoluten Umfallern werden. Das kann eine richtig doofe Trutsche sein, aber wenn die gut aussieht, dann frisst ihr der Kerl aus der Hand. Und so ist es mit Franz Hubert und Sabine Kaiser eben auch ein bisschen. Die sind sich eigentlich auch gar nicht mal so unsympathisch. Aber zwischen den beiden herrscht immer ein Spannungsverhältnis.

prisma: Inwiefern?

Tramitz: Sie ist Chef, er bloß Angestellter. Zudem ist Hubert der Ältere und auch schon viel länger im Polizeidienst, aber er steht trotzdem unter ihrer Fuchtel – das ist ja von sich aus schon beschissen! (lacht) Und dann muss es ausgerechnet eine Frau sein – zu allem Überfluss auch noch eine attraktive! Das sind drei verschiedene Komponenten, mit denen er klarkommen muss. Natürlich ist er ein misanthroper Macho, das war er immer! Und ich wehre mich auch nach Kräften, wenn die Produktion sagt "Der soll jetzt nicht Depp sagen", dann erwidere ich: "Der sagt immer Depp!" Der kann auch mal "Scheiße" sagen, das ist eben sein Charakter, das bin ja nicht ich!

prisma: Apropos Charaktere. Ist vielleicht auch mit einer neuen Liebelei bei Hubert zu rechnen?

Tramitz: Aktuell gibt's leider keine neue Liebe für ihn. Aber im Weihnachtsspecial hatten wir ja etwas sehr Interessantes: Da kam plötzlich ein 16-jähriges Mädel an und sagte: "Ich bin deine Tochter!" Das hat ihn erst mal umgehauen! Und es war interessant zu spielen. Hubert durfte endlich mal emotionaler werden. Man sollte ihn auch mal flirten lassen – auf seine Art eben. Nur misanthroper Macho – das wird auf die Dauer langweilig. Natürlich ist er ein gebranntes Scheidungskind. Und der Fortgang seiner Ex-Frau Dr. Anja Licht (gespielt von Karin Thaler, d. Red.) hängt ihm wahnsinnig nach. Aber ich glaube, man muss ihm mal die Gelegenheit geben, dass er endlich eine kennenlernt. Sonst ist er irgendwann zu alt!

prisma: Anfang 2018 haben Sie und Helmfried von Lüttichau bei der Verleihung der "Romy" den Publikumspreis gewonnen. Jetzt ist die Duo-Zeit passé. Fühlen Sie sich dadurch ein bisschen mehr unter Druck gesetzt?

Tramitz: Überhaupt nicht. Ich muss die Geschichten ja nicht alleine tragen. Wir haben ein breit aufgestelltes Ensemble. Und das Couple ist ja quasi bestehen geblieben – nur eben in anderer Konstellation. Es ist wichtig, dass auch dieses neue Duo mit verschiedenen Ansätzen gemeinsam ermittelt. Man kann die beiden mal kurz separieren, aber das ist auf Dauer nicht lustig. Das war noch nie lustig. Dick ohne Doof ist nicht lustig. Selbst Winnetou und Old Shatterhand – allein funktionieren die nicht. Man kann die mal getrennt voneinander irgendwo hinschicken – aber nur kurz. Dass dieses Spannungsverhältnis im Ermitteln besteht, ist essenziell notwendig.

prisma: Ist "Hubert ohne Staller" etwas vollkommen Neues oder nur eine Variation?

Tramitz: Etwas Neues ist es definitiv nicht. Es gibt ja diese klassische Komödienstruktur: Zwei ungleiche Menschen müssen zusammenarbeiten. Und gleichzeitig gibt es noch jemanden, der ihnen ständig sagt, was sie machen müssen. Das wollen aber beide nicht. In unserem Fall will Girwidz das nicht, weil er vorher selbst Chef war, und Hubert will es nicht, weil er sich prinzipiell nicht gerne etwas sagen lässt. Also hat man ein doppeltes Spannungsverhältnis – und das macht die Sache interessant. Es ist bei der Buddy Comedy immer dasselbe: Du setzt zwei Leute zusammen, die sich privat nie treffen würden. Diese Struktur ist auch in "Hubert ohne Staller" gleichgeblieben. Wenn jetzt alle wegfallen und der Depp mit seiner misanthropen Art alleine unterwegs ist – dann würde das niemanden mehr interessieren. Da müsste man die Figur grundlegend ändern, aber dafür läuft die Serie einfach schon zu lang.

prisma: Helmfried von Lüttichau hat gesagt, dass er aufhört, weil er neue Herausforderungen sucht und sich von der Routine eingeengt fühlte. Sie seien dahingegen pragmatischer, meinte er ...

Tramitz: Ich habe ja durchaus die Möglichkeit, zwischendurch mal an anderen Projekten mitzuwirken. Ich habe 2017 den "Bullyparade"-Film gedreht und auch Drehbücher geschrieben. Mich engt das Engagement also überhaupt nicht ein. Ich bin auch nicht der Meinung von Helmfried, dass die Sache auserzählt ist – ganz im Gegenteil! Ich finde diese neue Konstellation eröffnet uns viele neue Chancen. Und trotzdem: Helmfried fehlt uns natürlich! Ich habe aber einen eigenen Gradmesser: Wenn mir mal beim Drehen langweilig wird, dann höre ich sofort auf. Aber so lange man noch eigene Ideen entwickelt und sagt: "Wir knacken diese Szene – auch wenn's schwierig wird!", dann bleibe ich dabei. Vielleicht hat Helmfried das ein wenig anders gesehen. Vielleicht fiel seine Entscheidung auch ein wenig zu früh. Ich glaube, so ein anarchisches Ding wie "Hubert und Staller" kann man leichter weiterentwickeln als irgendein festgefahrenes Format – immer woanders hin.

prisma: Wie lief die Trennung zwischen Ihnen beiden ab?

Tramitz: Furchtbar!

prisma: Gab es Momente, in denen Sie wütend auf Ihren Kollegen waren?

Tramitz: Nein, überhaupt nicht. Unser Weihnachtsspecial hat daran einen großen Anteil. "Eine schöne Bescherung" ist bisher unsere gelungenste Folge – gerade weil sie so emotional ist. Ich bin normalerweise sehr kritisch mit mir selbst. Aber hier hat einfach alles gestimmt. Obwohl vieles so tragisch und traurig ist – oder gerade deswegen. So kann für mich auch gerne die Zukunft des Formats aussehen. Es muss auch mal Platz für Tragik sein, denn nur dadurch entsteht Komik! Das ist ja ein uraltes Komödiengesetz. Dieser 90-Minüter hat wirklich alles und dessen Qualität war für mich einer der Gründe zu sagen: Alleine deswegen muss ich schon weitermachen!

prisma: Also haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, Ihrem Freund und Kollegen zu folgen und die Serie ebenfalls zu verlassen?

Tramitz: Nee, hab ich nicht. Gar nicht. Ich dachte aber ursprünglich: Nun gut, Helmfried steigt aus, dann müssen wir die Serie wohl oder übel begraben. Und dann kamen Redaktion und Produktion eben mit dieser Superidee.

prisma: Wie kann es sein, dass das Format durch alle Altersgruppen hinweg funktioniert?

Tramitz: Ich habe keine Ahnung! Die Fans ziehen sich ja durch alle Bundesländer und alle Altersstufen – das ist ganz merkwürdig! Sogar Kinder, die ja vieles gar nicht verstehen können, mögen unser Format. Gut, für die ist es wahrscheinlich ein bisschen wie Kasperletheater! (lacht) Aber ganz ehrlich: Man kann so was nicht am Reißbrett entwerfen. Man kann auch Bücher nicht so schreiben, dass man sagt: So wird's definitiv funktionieren! Man kriegt aber irgendwann ein Gespür dafür.

prisma: Wenn man sich die deutsche TV-Landschaft anschaut oder auch die erfolgreichen Eberhofer-Verfilmungen, dann hat man das Gefühl, dass der "Schmunzelkrimi" nur richtig gut auf Bairisch funktioniert. Woran könnte das liegen?

Tramitz: Eins vorweg: "Schmunzelkrimi" ist eine ganz schreckliche Formulierung! (lacht) Das ist so ein Begriff, der gerne in Programmzeitschriften verwendet wird. Ähnlich wie "Ulknudel" oder "klamaukig" – das ist von den diversen Kritikern auch immer ein bisschen fantasielos. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich kann es nicht sagen. Vielleicht liegt es daran, dass gerade die Menschen aus den entsprechenden Regionen die Orte, Wörter und Situationen kennen, die man darstellt. Die wichtigste Erkenntnis ist aber folgende: Dialekt hat immer mehr Kraft als Hochdeutsch! Egal welcher. Wo kommen Sie denn her?

prisma: Ursprünglich aus dem Saarland.

Tramitz: Ha, "Familie Heinz Becker"! Die finde ich genial! Das schaue ich mir auch heute noch gerne an. Diese ganz realistische Spielweise, in der abstruse Sachen völlig normal artikuliert werden – die ist mit ein Geheimnis für den Erfolg von Dialektformaten. Man muss keine Grimassen schneiden, um lustig zu sein. Ich bin ein großer Fan von Familie Becker! Das ist ja prinzipiell ganz simpel gemacht: Die Eltern sitzen am Tisch und der Sohn kommt zum Beispiel nach Hause, um ihnen seine neue Freundin vorzustellen. Zack! Das ist eine simple Ausgangssituation und die wird dann virtuos ausgespielt mit all ihren Absurditäten – und zwar todernst!

prisma: Sie gehören jetzt seit 2011 zu den Chaoscops aus Wolfratshausen. Ihr Kollege Michael Bully Herbig hat hingegen mit seinem Thriller "Ballon" kürzlich etwas ganz anderes ausprobiert...

Tramitz: Ein fantastischer Film! Ich habe Bully sofort angerufen, als ich den Film gesehen hatte und ihm gesagt: Bully, das ist das Beste, was du jemals gemacht hast! Leider hat er nur nicht den Zuschauererfolg, den er verdient hätte, das ist sehr schade. Die Leute sagen glaube ich oft: Ich kann diesen DDR-Kram nicht mehr sehen! Wobei es damit ja nicht so viel zu tun hat – die Geschichte ist universell. Ich war restlos begeistert!

prisma: Bully hat etwas Neues versucht. Sie verknüpft man aber im Allgemeinen mit "Hubert und Staller" oder auch mit Ihrem Hörbuchengagement. Sie lesen ja die Eberhofer-Krimis von Rita Falk. Hat man da nicht irgendwann die Nase voll von diesen Heimat- und Regionalinhalten?

Tramitz: Klar, hat man! Aber ich spiele auch andere Sachen. Vorwiegend in Österreich. Ich spiele auch mal einen bösen Politiker. Es ist nun mal so: Im Prinzip – und das hat das Feuilleton noch nicht ganz verstanden – ist es verdammt anstrengend, bei einem Film im Kino zu sitzen und darauf zu hoffen, dass mal einer lacht. Das musst du, wenn du in einem Drama bist, nicht beachten. Nun ist es so, dass viele Produzenten und Regisseure denken: Ah, der Tramitz, das ist ja ein lustiger Kerl. Bin ich eigentlich gar nicht! Man wird aber mit so etwas verknüpft. Ich muss auch viele Sachen absagen, weil einfach nicht die Zeit dafür da ist. Der Fluch einer Serie ist eben, dass man nicht einfach mal ausbrechen kann und zum Beispiel für eine internationale Produktion mehrere Monate lang im Ausland dreht. Aber gleichermaßen ist es ein Segen, ein solches Dauerengagement zu haben: Man ist finanziell über einen längeren Zeitraum abgesichert.

prisma: Also muss man bei der Rollenwahl auch "vernünftig" sein?

Tramitz: Ja, absolut. Sich seine Rollen nach Gutdünken und Interesse aussuchen, kann sich in Deutschland nach wie vor kaum jemand erlauben. Vielleicht Moritz Bleibtreu und Lars Eidinger. Aber es bleibt auch immer die Frage nach der Qualität der angebotenen Stoffe. Ich habe was Dramen angeht auch schon ganz schön viel Scheiße lesen müssen. Da sage ich dann: Nee, muss ich nicht machen! Drama ist nicht gleich gut. Das will ich damit sagen. Da gibt es oft ganz viel Mist, der aber nur selten als Mist gewertet wird. Bei Filmen über ernste Themen wie zum Beispiel die Nazizeit wird nur selten gesagt, dass der Film nicht gut war. Bei Komödien ist das dann immer ganz einfach: Och ja, der war klamaukig! So was ärgert mich.

prisma: Ärgert es Sie also auch, wenn man immer nur auf eine Genre- oder Rollensparte reduziert wird?

Tramitz: Eigentlich nicht. Da steht mir dann glücklicherweise auch mein Pragmatismus zur Seite. Ich war nie so, dass ich gesagt habe: "Schauspielerei, das ist mein Leben, und ich denke, fühle und spiele jetzt einen Baum in der Schauspielschule!" (lacht) Ich wollte das eigentlich gar nicht machen. Aber jetzt habe ich wahnsinnig viel Spaß daran. Aber eher am ausknobeln einer Szene, wenn die im Buch langweilig erscheint. Das ist für mich das Interessante an dem Beruf. Nicht, dass ich jetzt davon träume, unbedingt mal den König Lear zu spielen. Der interessiert mich null! (lacht)


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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