Interview

Klaus J. Behrendt: "Tatort ist wie Bundesliga"

14.02.2017, 07.00 Uhr
von Tonia Sorrentino
"Viel mehr kann ich nicht arbeiten, sonst zeigt mir meine Frau die rote Karte", sagt Klaus J. Behrendt.
"Viel mehr kann ich nicht arbeiten, sonst zeigt mir meine Frau die rote Karte", sagt Klaus J. Behrendt.  Fotoquelle: WDR/Markus Tedeskino

Im Interview spricht Klaus Johannes Behrendt alias Tatort-Kommissar Max Ballauf über seinen Beruf, der seine große Leidenschaft ist, über seine privaten Projekte und seine Sicht auf das Weltgeschehen.

Herr Behrendt, den ersten Kölner Tatort im neuen Jahr verfolgten fast zehn Millionen Zuschauer. Wie wichtig ist Ihnen die Quote?

Wenn man, wie wir, als Erzähler eine Geschichte für ein Publikum macht, wünscht man sich, dass es hinschaut. Man hat den Anspruch, dass die Geschichte funktioniert. Natürlich blickt man mit einem Auge auf die Quote – und freut sich, wenn so viele Leute einschalten. Für sie hat man den Film ja gemacht. An die Publikumsgröße des Münsteraner Tatorts kommen wir allerdings nicht ran. Tatort ist wie Bundesliga: Jeder hat seine Fans und seinen Stil. Aus Sender-Sicht sind die Einschaltquoten natürlich wichtig: Hätte der Kölner Tatort plötzlich nur noch vier Millionen Zuschauer, würde er die Reihe wahrscheinlich einstellen.

Wenn Sie an Ihren allerersten Tatort denken: Was kommt Ihnen dabei ins Gedächtnis?

Bei meinem allerersten Tatort hatte ich eine Episodenhauptrolle, als Götz George – Gott hab ihn selig – ein wunderbarer Kollege und Freund und ein toller Mensch, den Hauptkommissar Horst Schimanski gegeben hat. Das war 1992. Mein erster Tatort als Gast hatte einen sehr hohen Stellenwert für mich. Jetzt mache ich seit fast 20 Jahren selber den Hauptkommissar in Köln, zusammen mit meinem Kollegen Dietmar Bär. Auch das ist etwas Besonderes.

Gab es Frustrationsmomente in Ihrer Karriere?

Die gibt es immer wieder. Man macht ein Fernsehspiel und hofft, dass man gut ist – und ärgert sich, wenn man den Eindruck hat, es sei danebengegangen. Ich habe inzwischen an die 200 Filme gemacht. Es gibt schon sieben oder acht, bei denen ich hätte besser sein können.

Welcher ist Ihr Lieblingsfilm?

Ich könnte so viele als Lieblingsfilme bezeichnen, aus ganz verschiedenen Genres: Thriller, sozialkritische Filme, Komödien, Dramen. Da gibt es so viele.

Sie haben 68 Tatorte gedreht. Immer geht es um Kriminalität. Nehmen Sie diese dadurch jenseits der Kameras anders wahr?

Sicherlich. Wir arbeiten sehr oft mit Polizisten und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter zusammen. 20 Jahre Tatort haben mir schon die Augen geöffnet, was es da draußen alles gibt.

Sie sagten einmal, Schauspielern bedeute für Sie, sich selbst zu erfahren. Was meinen Sie damit?

Schauspielern ist mein Beruf: der, den ich leben möchte und gerne lebe. Ich setze mich mit Situationen auseinander, in die ich im alltäglichen Leben vielleicht, oder hoffentlich, nicht gerate. Ich frage mich: „Wie gehst du damit jetzt als Figur um?“ Dabei erfährt man viel  über sich selbst.

Gibt es eine Selbsterfahrung, die hängen geblieben ist?

Ja. Beim Projekt "Mein Vater" (Familiendrama mit Götz George, Regie: Andreas Kleinert, erhielt 2003 den Publikumspreis des Adolf-Grimme-Instituts; Anm. d. Red.) galt es, sich mit Alzheimer auseinanderzusetzen. Viele machen Witze darüber. Nur wenige wissen, was so eine Krankheit mit einem Menschen macht, wie ihre Stadien aussehen und wohin sie führen, was Alzheimer mit einem Familienverband macht. Sich damit zu befassen, hat mir eine ganze Menge gebracht.

Welche Wunsch-Rolle fehlt Ihnen noch in Ihrem Repertoire?

Da gibt es keine bestimmte, denn es gibt immer schöne Rollen. Und man fängt jedes Mal wieder bei null an.

Ihre Berufsausbildung absolvierten Sie unter Tage. Wenn Sie heute kein Schauspieler wären: In welchem Bereich könnten Sie sich vorstellen, professionell aktiv zu sein?

Landwirtschaft, unter anderem die Bestellung von Feldern, finde ich interessant. Oder Wälder in Verbindung mit Holzwirtschaft.

Inwieweit hat Ihr Interesse an Landwirtschaft Einfluss auf ihre Ernährung?

Selbstverständlich versuchen meine Frau und ich, uns gut zu ernähren, indem wir zum Beispiel fair gehandelte Sachen und Bio-Produkte kaufen.

Sie engagieren sich in großem Umfang sozial. Welches Ihrer Projekte liegt Ihnen besonders am Herzen?

Unser Verein Tatort – Straßen der Welt e. V. setzt sich seit 19 Jahren national und international für sexuell missbrauchte Kinder ein. 2011 habe ich den Verein "Wir starten gleich" in Osnabrück gegründet. Wir beschaffen Kindern aus finanziell schwachen Familien einen voll ausgestatteten Schulranzen im Wert von rund 250 Euro, kooperieren dabei mit Kindergärten und Kindertagesstätten. Das Ganze geschieht anonym: Die Kinder denken, der Ranzen sei von Mama und Papa. Inzwischen machen wir das in vielen Städten und haben schon etwa 4.000 Kinder ausgestattet.

Was beschäftigt Sie aktuell am meisten, wenn Sie die Welt-Nachrichten schauen?

Nachdem inzwischen der neue amerikanische Präsident vereidigt worden ist, interessiert mich sehr, was auf uns Europäer zukommt. Darüber hinaus haben wir so einige Krisenherde auf der Welt: Syrien, Libyen, den Irak, afrikanische Länder, denen es nicht gut geht. Hinsichtlich der weltpolitischen Lage bewegt mich eine Menge.

Wie sehen Ihre nächsten beruflichen Projekte aus – ist das Jahr schon voll?

Ich habe vier Tatorte vor der Brust. Ein Engagement ist noch in der Schwebe. Viel mehr kann ich auch nicht arbeiten, sonst zeigt mir meine Frau die rote Karte.

Wie viele Tatorte, glauben Sie, werden Sie noch drehen?

Das weiß ich nicht.

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