"Liebling, lass die Hühner frei": Irgendwie auch wieder nichts
Im dritten Teil der Hühner-Trilogie im Ersten, "Liebling, lass die Hühner frei", mischt Axel Milberg als Familienvater Steffen Teuffel ein Kaff in Brandenburg auf.
Da darf man sich dann doch die Augen reiben: Obwohl man es ja erst kürzlich von allerlei Festrednern wieder gehört hat, am Tag der deutschen Einheit, wie sehr sich Ost- und Westdeutsche immer noch fremd sind, nach 27 Jahren seit der Wende. Vor allem die Bundestagswahlen mit dem Rechtsruck im Osten haben vor Augen geführt, dass die Sache mit dem Zusammenwachsen und den blühenden Landschaften längst noch nicht gegessen ist. Trotzdem fragt man sich beim dritten Teil der Hühner-Trilogie im Ersten, "Liebling, lass die Hühner frei" (nach "Liebling, weck die Hühner auf" und "Liebling, bring die Hühner ins Bett"), ob der Culture Clash zwischen einem Dorf in Brandenburg und den Zuzüglern aus dem Westen noch wirklich komisch ist oder doch arg verspätet wirkt.
Da hilft dann auch nicht viel, dass das alles vom wunderbar kecken Nesthäkchen Sophie (Salome Ridder) kess kommentiert wird, und ebenso wenig, dass man die Ex-Westler und ihr östliches Umfeld durch die Brille des Autors und Familienvaters Steffen Teuffel (Axel Milberg) sieht. Teuffel (immerhin mit Doppel-F!) hat ein Buch geschrieben. Zwar ist es erst mal nur im Online-Verlag herausgekommen. Doch der Erfolg des Kurzgeschichten-Bändchens ist enorm. Dass die in die Tausende gehende User-Zahl auf einen Trick der zurückgekehrten IT-Tochter Lisa (Anke Retzlaff) zurückzuführen ist, ahnt der schreibende Papa nicht. Stolz wirf er sich in die Brust, und alle familiären Widrigkeiten prallen von ihm ab.
Lieber Saltimbocca statt Sülze
Es ist nämlich so, dass Beate, seine Frau (Katja Flint) wegen der tadellosen Leitung ihrer Mineralwasserherstellung mit einem Orden des Innenministers bedacht werden soll. Schade nur, da leiden wir mit, dass der Termin der Ordensverleihung just mit dem Tag der Silbernen Hochzeit im Hause Teuffel kollidiert. Steffen wäre an diesem Tag jedenfalls lieber auf der Piazza del Popolo gewesen und hätte hätte dort Saltimbocca gegessen, statt sich daheim mit Sülze zu begnügen.
Schaffen die widersprüchlichen Interessen schon mancherlei Querelen, so schlagen die Wogen erst so richtig hoch, als Tochter Lisa bekennt, infolge eines Dates auf der Computermesse Cebit schwanger geworden zu sein. Ohne die dazugehörige Telfonnummer und Internet-Adresse, wie sich versteht. Und auch das Kücken Sophie rührt den Familienfrieden gewaltig um, bekommt sie doch ausgerechnet auf dem Schulausflug die erste Periode. Das alles ist nicht ohne Reiz, zumal sich der schriftstellernde Papa beim Presseinterview zu ungeahnten Formulierungskünsten aufschwingt. Behauptet er doch kühn: "Eine gute Ehe ist wie eine Kakerlake – sie läuft einfach immer weiter!"
Schade nur, dass man Teuffel nicht beim Entstehen seiner Gedanken beiwohnen darf. Er hat nämlich seine Dorfgeschichten allesamt von der Frau des Bürgermeisters erzählt bekommen – der Balzac ist also eine Frau, und der Herr Autor ist auch nicht besser als die Spitzel von der Stasi, die einst alles so emsig aufgeschrieben haben. Informelle Mitarbeiter und treulose Frauen werden spät geoutet, und ein brandenburgisches Dorf sieht sich darob in den Grundfesten erschüttert. Am Ende aber steht, klar doch, die ganz große Versöhnung. Der Autor zieht zurück.
Nichts Halbes, nichts Ganzes
Es ist zu viel auf einmal und auch wieder nichts, was da, stets mit einem etwas zu selbstsicheren Augenzwinkern, mehr vom Rande her gestreift als herzhaft berichtet wird. Wendehälse und Besserwessis – irgendwie alles eins. Vom Autor Martin Douven (Jahrgang '66) wird da alles aus Westperspektive halbfrech und bewusst rüpelig erzählt. Doch am Ende bleiben nur die kessen Sprüche des Pubertiers Sophie und Axel Milbergs sich selbst und andere quälende Autorenrolle – Selbstvergleiche mit Hemingway und James Joyce sind für den Großkotz einfach naheliegend. Gut gespielt. Aber dass Milberg aus jedem Telefonbuch etwas machen kann, weiß man ja seit vielen Jahren zur Genüge.
Quelle: teleschau – der Mediendienst