"Maestro": Wie gut ist das Bernstein-Biopic mit Bradley Cooper?
Ab dem 20. Dezember gibt es das Bernstein-Biopic "Maestro" bei Netflix zu sehen. Bradley Cooper wird darin zum Musikgenie. Für die anspruchsvolle Rolle musste der Schauspieler lange trainieren. Hat es sich gelohnt? Hier gibt es alle Infos zu der wunderbaren Arthaus-Biografie.
Die Kunst ist groß, aber die Liebe ist größer. Vor allem, wenn sie so schwierig und gleichzeitig faszinierend ist wie im Falle des sexuell fluiden Stardirigenten Leonard Bernstein (Bradley Cooper) und seiner Frau Felicia Montealegre (Carey Mulligan). Von 1951 bis zu ihrem Krebstod 1978 war Bernstein mit der chilenischstämmigen Schauspielerin verheiratet. Das Paar hat drei Kinder, die übrigens auch den von Martin Scorsese und Steven Spielberg mitproduzierten Film "Maestro" (ab 20. Dezember bei Netflix) unterstützen, inklusive der umstrittenen Nasenprothese von Autor, Regisseur und Hauptdarsteller Bradley Cooper. Dem warf man aufgrund seiner körperlichen Verwandlung für die Rolle Antisemitismus vor. Als "Aufreger" nachvollziehbar, aber auch ein bisschen absurd. Cooper sieht nun mal nicht aus wie Leonard Bernstein, doch nach der "Maskenbehandlung" tut er es eben auf verblüffende Weise doch.
Ein Flug durch die Jahrzehnte
"Maestro", der auf einigen Filmfestivals lief und ab 6. Dezember in deutschen Kinos, beschreibt das Leben des wohl ersten amerikanischen Komponisten, Dirigenten und Musik-Pädagogen von Weltruf über eine lange Zeitspanne. Beginnend mit einer Szene, bei der er mit Mitte 30 für den erkrankten Bruno Walter als Dirigent bei den New Yorker Philharmonikern einspringen soll. 1943 war das und der Job des jungen Dirigenten geriet – auch dank einer Radioübertragung – zum Triumphzug.
Die Nachricht, dass er an jenem Abend – aus dem Stegreif – in der Carnegie Hall dirigieren sollte, feiert er kurz und ausgelassen – mit seinem männlichen Bettgenossen. Wenig später wird man jedoch Zeuge einer neuen großen Liebe, der zu Felicia Montealegre. Diese Liebe und wie sich ihre Protagonisten darin zwischen den frühen 50er- bis in die späten 70er-Jahre in ihr verändern, steht klar im Mittelpunkt von Coopers gut zweistündiger Filmerzählung.
Bradley Coopers Drehbuch-Ansatz hätte seifig und melodramatisch werden können, doch er ist es nicht. Dank der sensiblen Inszenierung und der beiden Darsteller sieht man die wohl feinste schauspielerische Duo-Leistung des Hollywood-Jahres. Bei der Oscar-Vergabe sollten die beiden in den Hauptrollen-Kategorien zu den Favoriten gehören sollten. Doch neben vielen hymnischen Kritiken gesellen sich in der Bewertung des Filmes "Maestro" – gerade im deutschen Feuilleton – auch Misstöne.
Große Kunst- und Konzertmomente
Manchen ist die Handlung zu dünn, anderen fehlen wichtige biografische Lebensstationen. Womit man beim Grundproblem von Filmbiografien weltberühmter Persönlichkeiten wäre: Bildet man jene Lebensstationen pflichtbewusst ab, gerät Kino- oder Streaming-Fiction schon mal zum Wikipedia-Eintrag in Bewegtbild. Lässt man den ein oder anderen Meilenstein des offiziellen Lebenslaufes am Wegesrand liegen, kommen die Krittler aus ihren Löchern und machen Vorhaltungen. Es allen recht zu machen, ist quasi unmöglich und vor allem künstlerisch wenig erfolgversprechend.
Filmemacher Cooper ("A Star Is Born") hat sich in seinem Film für das Porträt einer schwierigen, hochkomplexen Liebe entschieden. Bernstein hatte auch in der Ehe weiter regelmäßig Affäre mit (vor allem) Männern und war auch darüber hinaus bei aller Grandiosität und Sensibilität eine dominante Persönlichkeit, die ihre Lieben – ob bewusst oder unbewusst – in den Schatten zu stellen pflegte.
Doch keine Sorge, große Kunst- und Konzertmomente, wie das in epischer Länge und absurd akkurater Ausstattung wiederbelebte Konzert in der Kathedrale von Ely von 1973 schaffen schon auch filmische Musikerlebnisse von bleibender Erinnerung. Überhaupt sind Ausstattung und Fotografie (Kamera: Matthew Libatique, "The Whale") vorzüglich. Man reist dank der großartigen Kostüme und Szenenbilder mit den Bernsteins fasziniert durch die Jahrzehnte. Dargeboten werden die Bilder übrigens in zeittypischen Formaten und Farben – vom fast quadratischen Schwarzweißbild der 40-er bis hin zum satten Technicolor der 60-er und 70-er.
Rührender Abschied
Bei all diesen Qualitäten fasziniert am Ende dennoch der fast schon ungewöhnliche Ansatz am meisten, dass "Maestro" ein Schau- und Kammerspiel zweier hochbegabter Darsteller auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft ist. Wenn Felicia im Spätherbst der Langzeitbeziehung ihre Krebsdiagnose erhält und man das Paar und seine Familie danach noch eine Weile im Krankheits- und Sterbeprozess begleitet, gehört dies zum Anrührendsten und Wahrhaftigsten, das man seit langem auf Leinwand und Bildschirm gesehen hat.
Bradley Cooper und Carey Mulligan, so scheint es, haben mit "Maestro" einen der am besten gespielten Liebesfilme der Gegenwart erschaffen. Das ist definitiv die größere Leistung, als eine überaus akkurate Künstlerbiografie vorzulegen.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH