Ein Stück Fernsehkult

Der "Musikantenstadl" feiert ein trauriges Jubiläum

von Frank Rauscher

Vor 40 Jahren feierte der "Musikantenstadl" seine TV-Premiere, vor fünf Jahren flog er aus dem Programm. Moderator Andy Borg hat mittlerweile im Dritten mit seinen Shows gute Quoten. Gibt es ein Zurück für den Stadl?

Vor zwölf Jahren, am 18. April 2009, nahm ein kleines Wunder seinen Lauf – was erst mal gar keiner so wahrgenommen hat: Im "Musikantenstadl" trat ein singender Steirer namens Andreas Gabalier auf. In einer knackigen Lederhos'n gab er auf einem Hocker sitzend eine von ihm selbst geschriebene Schlagerballade mit dem Titel "So liab hob i di" zum Besten. So weit, so unspektakulär, möchte man meinen. Doch an jenem Abend wurde ein neues Kapitel Entertainmentgeschichte aufgeschlagen: Es war der allererste TV-Moment des damals kaum 25-jährigen Superstars und VolksRock'n'Rollers in spe. Es folgte eine der unfassbarsten Storys, die die deutschsprachige Unterhaltung in jüngerer Vergangenheit vorzuweisen hat – mit heftigen Auswirkungen auf alle: den Künstler, das Genre und die Sendung, in der er seine Feuertaufe erlebte.

Gabaliers Aufstieg war atemberaubend, alsbald wurde der skurrilerweise mit den Hüften kreisende "Bergbauernbua" als Retter der Volksmusik gefeiert, und in der Tat erfuhr das zuvor so lange sowohl uninspiriert als auch relativ unangetastet vor sich hindümpelte Genre eine nicht mehr für möglich gehaltene Frischzellenkur. Im Fahrwasser von Mega-Stars wie Gabalier oder auch Helene Fischer, die ihren ersten TV-Auftritt 2005 in Florian Silbereisens "Hochzeitsfest der Volksmusik" absolviert hatte, zog sich die Schunkelbranche aus der Krise, aus einer Bedeutungslosigkeit, die ihr zumindest von naserümpfenden Feuilletonisten damals im Stakkato attestiert worden war.

Bald schrieb niemand mehr über "scheintote Schunkel-Zombies". Einige Formate erfanden sich neu, es kam bald zu ungeahnten Crossover-Szenarien, schwarz gekleidete Rocker fanden sich plötzlich in gediegenen Heuschober-Kulissen wieder, andererseits waren plötzlich auffallend viele junge Mädchen in den Arenen zu sehen, Schlager war irgendwann Pop, Silbereisen wurde cool, überall tauchten blonde Sängerinnen in High Heels und Glitzerkleid auf, die Dirndlproduktion hat man dramatisch hochgefahren ... – Atemlos sangen alle "a Liad für di".

Auswüchse einer Entwicklung, die allerdings derart rasant war, dass der gute, alte "Musikantenstadl" dabei (wie einige andere einschlägige Formate) abgehängt wurde. Die Traditionssendung, die vor genau 40 Jahren, am 5. März 1981, erstmals im österreichischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und eine Ära geprägt hatte, ging in den 2010er-Jahren ihrem, wie man heute wohl sagen kann, unweigerlichen Ende entgegen. Am 15. Juni 2015 wurde nach 182 Ausgaben der Schlussstrich gezogen.

Zu den Gästen von Moderator Andy Borg, der die Rolle des Gastgebers 2006 vom legendären Stadl-Zampano Karl Moik übernommen hatte, gehörte beim großen Finale in Pula/Kroatien auch Andreas Gabalier. Der Steirer, der zu diesem Zeitpunkt längst die Stadien füllte, hat ein gutes Bewusstsein für die diversen Wechselwirkungen einer Branche, die er einst ohne böse Absicht auf links gedreht hat. "Alle haben sich schlapp gelacht damals – der Andy beim Andy Borg im Stadl! Ich kannte die Sendung selber nur von meinen Großeltern", erinnerte er sich vor einigen Jahren im Interview an seinen ersten Stadl-Auftritt. "Es war einfach ein Spaß, echt schräg. Keiner hätte ernsthaft an eine große Musikerkarriere gedacht. Aber dann ging es los."

Und wie es losging – mit allen Folgeerscheinungen, die so ein Urknall eben so mit sich bringt. Auch Neid gehörte dazu. In der Volksmusikszene, berichtete Gabalier damals, "da gibt's schon einige, die frisst's regelrecht auf – weil sie es vielleicht 20, 30 Jahre probiert haben und nie dorthin gekommen sind, wo ich jetzt bin". Andererseits gäbe es "hinter den Stadl-Kulissen auch genügend Künstler, die mir den Erfolg von Herzen gönnen". Egal sei er vermutlich keinem, sinnierte der VolksRock'n'Roller. "Aber man merkt bei einigen auch, dass es ihnen richtig wehtut und sie sich denken: 'Warum kommt jetzt dieser Rotzbua aus der Steiermark daher und räumt alles ab?"

Was hört die Oma von heute?

Und das Publikum? – "Die Oma von heute hört eben gerne mal AC/DC", brachte es Jörg Pilawa, der heute mit der einmal jährlich ausgestrahlten "Silvestershow" wenigstens so etwas wie eine Reminiszenz an den Stadl moderieren darf, einmal auf den Punkt. Ein Segen für die Branche. Aber ein Fluch für die Macher eines Formates, bei dem ein gewisser Konservatismus zum Programm gehört. Wenn selbst die ältere Zielgruppe nicht mehr berechenbar ist, wie sollte das Prinzip "Musikantenstadl" dann noch funktionieren?

Fraglos herrschte in den Anfängen der Staldzeit mehr Homogenität. Die Fernsehbranche war eine andere. Wenn es um Volksmusik, korrekt: volkstümliche Schlagermusik, ging, gab es über Jahrzehnte hinweg nur ein Entweder und ein Oder: Lieben oder hassen, nichts in der Mitte. Vielleicht gerade, weil die andere Seite so vehement gewesen ist in ihrer Ablehnung, waren diejenigen, die das fröhliche Schunkeln und Musizieren gerne mochten, eine besonders treue Klientel. Die Erfolgsgeschichte lässt sich jedenfalls nicht wegdiskutieren: 182 "Musikantenstadl"-Sendungen wurden seit 1981 produziert, darunter waren Shows in der Karibik, in Peking, Moskau, Toronto, Dubai und Kapstadt. Die Zuschauerzahlen waren lange Zeit top. Bei einer durchschnittlichen Einschaltquote von rund fünf Millionen Zuschauern gehörte der "Stadl" selbst in seiner letzten Phase immer noch zu den erfolgreichsten Shows im deutschen Fernsehen.

Wie viel die Geschichte dieser Sendung mit ihrem am 26. März 2015 verstorbenen Moderator Karl Moik zu tun hatte, wurde zuletzt 2011 bei den Feierlichkeiten zum 30-Jahre-Jubiläum deutlich. Es ging seinerzeit fast zu wie in der Politik, immerhin hatte Moik verkündet, dem Jubiläums-Stadl fernzubleiben, weil er seitens der ORF-Verantwortlichen nicht in die Gestaltung des Jubiläums eingebunden worden war. Ein Riesenaufreger war das seinerzeit.

Die Kurzgeschichte dazu: Nach einem Herzinfarkt und Schwächeanfall war Karl Moiks 2005 auslaufender Vertrag nicht verlängert worden. Die Nachfolge hatte Andy Borg in der 145. Ausgabe am 23. September 2006 angetreten. Über seinen Abschied sagte Karl Moik 2011 nur knapp: "Ich musste mich trennen und habe zwei Jahre gebraucht, um mich loszulösen." Zwei Jahre Trennungsschmerz – der "Musikantenstadl" war Karl Moiks Leben.

Auch Moiks Gattin war damals mit zum PR-Termin in München gekommen. Aus gutem Grund. Denn eigentlich würde es den "Stadl" ohne sie gar nicht geben. Moik erinnerte sich: "Ich hatte immer schon die Idee von einer Unterhaltungssendung mit volkstümlichen Musikanten." Als der ORF 1980 mit Harald Windisch einen neuen Unterhaltungschef bekam, wuchsen in Moik, damals Moderator der Radiosendung "Volkstümliche Hitparade", die Hoffnungen. Seine Frau gab letztlich den Ausschlag: "Jetzt rufst den Windisch an und gehst da hin", habe sie ihm sanft aber bestimmt befohlen.

So kam es, dass nach einem Telefonat an einem Dienstag im November 1980 prompt ein Chefetagen-Termin am Donnerstag folgte – Moik sprach vor, im Gepäck gleich drei Konzepte: Eine Frühschoppensendung, eine Evergreen-Show und den "Musikantenstadl". Herauskam dann ein eineinhalbstündiges Gespräch, an dessen Ende sich Windisch nach dem nächsten freien Livetermin erkundigt habe. Man ging auseinander mit dem für den 5. März 1981 fest geplanten ersten "Musikantenstadl" ...

Vom Sender, grinste Moik kurz vor dem "30-Jährigen", habe er im Grunde nur eine Vorgabe mitbekommen: "Machen Sie mir eine Unterhaltungssendung ohne den Mief des Bierzeltes. Nu' ja, dann ha'mers halt gepackt." Einfach so. "Das kannst du dir heute gar nimmer vorstellen", sagte Moik. Es folgten für ihn 25 Jahre "Stadl", und 95 Prozent davon hätten aus "traumhaften Erlebnissen" bestanden, so schwärmte Moik 2011. Eine Zeit voller Ereignisse, für die andere vier, fünf Leben bräuchten, sei das gewesen, sagte er mit sichtlichem Stolz und unterstrich bei der Gelegenheit gleich noch, dass es so etwas "überhaupt noch net geb'n" hat: eine Unterhaltungssendung, die in allen fünf Kontinenten der Erde zu Gast war.

Andy Borg war sauer

Wenn man ihm so zuhörte, wie er von früher erzählt hat, wie er mit leuchtenden Augen in Erinnerungen an die TV-Events schwelgen konnte, die die volkstümliche Musik in alle Welt, von Kanada bis nach China, brachten, wurde seine barsche Ankündigung, der Jubiläumssendung fernzubleiben, ein Stück weit nachvollziehbarer. "Niemand von den ORF-Oberen" habe sich im Vorfeld des "Stadl"-Jubiläums bei ihm gemeldet, so schimpfte er los. Aus den Worten sprach eine offenbar sehr tief liegende Enttäuschung. Und natürlich rauschte es gewaltig im Blätterwald.

Keine fünf Jahre später wurde es dann noch einmal melodramatisch und nicht weniger politisch. Nachdem bekannt geworden war, dass die Show ein für allemal eingestellt wird, postete sich der Moderator Andy Borg auf Facebook seinen Frust von der Seele: "Es bricht mir, und ich glaube sagen zu dürfen, auch Millionen von Musikantenstadl-Fans das Herz, auf die Trümmer eines 34 Jahre jungen Fernsehklassikers blicken zu müssen", schrieb er und wurde konkreter: "Nicht die SENDER haben den Musikantenstadl kaputt gemacht. Dort arbeiten viele innovative, umsichtige und vor allem verantwortungsvolle Leute. Der Musikantenstadl hatte das Pech, vorübergehend Verantwortliche zu haben, die offenbar leider zu wenig Gespür für das Publikum und das Format hatten."

Moik-Nachfolger Borg brachte es auf 38 reguläre Einsätze und neun Silvester-Schunkelgalas, bevor er abgesetzt wurde. Nachdem Borgs Erben Francine Jordi und Alexander Mazza exakt zweimal durch eine verjüngte "Stadlshow" mit desaströsen Quoten führten, wurde das Format schließlich eingestellt. Der Stadl ist seither als eine Institution in Erinnerung: Es war die letzte große volkstümliche Musiksendung für eine ältere Zielgruppe, nachdem alle einschlägigen Formate schon zuvor reihenweise aus den Programmen gestrichen worden waren und Florian Silbereisen sowie Carmen Nebel zu einer gewissen Progressivität fanden.

Es gab damals auch Stimmen, die hinter vorgehaltener Hand behaupteten, das Format sei ganz bewusst gegen die Wand gefahren worden, weil man sich der uncoolen Schunkelsause, die bis zuletzt wirkte, wie aus einer anderen Zeit, endlich entledigen wollte. Was ist Wahrheit? Was ist Dichtung? Und hätte man den "Musikantenstadl" mit Borg und seinem Konzept nicht noch wenigstens ein paar Jahre auf mäßigem, aber immerhin recht stabilem Quotenniveau weiterbetreiben können? Oder war der Stadl schon lange vor seinem Scheitern gescheitert? Antworten auf diese Fragen, gibt es nicht mehr. "Verlierer sind neben meinen Gesangskollegen, denen diese TV-Plattform verloren geht, vor allem die Fernsehzuschauer", schäumte Andy Borg damals, im Januar 2016, in einem Interview.

Inzwischen sind die Wogen geglättet, und Andy Borg hat längst in einem volkstümlichen Schlagerformat im SWR-Dritten ein neues Zuhause gefunden. "Schlager-Spaß mit Andy Borg" heißt es am Samstag, 6. März, und am Ostersonntag, 4. April, um 20.15 Uhr, wieder. Dabei sind unter anderem VoxxClub, Stefan Mross, René Kollo, Dunja Rajter, Monika Martin, Tom Astor, Semino Rossi und als Talkgast Alfons Schuhbeck ... – Alte-Leute-Fernsehen ohne Zukunft? Im November sahen bei Borg im Dritten 1,74 Millionen Fans zu, das entsprach bundesweit einem Marktanteil von 5,4 Prozent. So sieht ein gigantischer Erfolg aus. Man muss ja nicht gleich das Stadl-Comeback reklamieren. Oder etwa doch?


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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