Wiederholung in der ARD

"Nackt unter Wölfen": starkes Drama über die Befreiung von Buchenwald

von Jens Szameit

Die Verfilmung des Romans von Bruno Apitz lässt niemanden kalt. Kurz vor der Befreiung des KZ Buchenwalds schmuggelt ein Kriegsgefangener einen dreijährigen Jungen ins Lager. Soll man den Jungen verstecken und damit das eigene Überleben riskieren? Die ARD wiederholt den Film von 2015 zur besten Sendezeit.

ARD
Nackt unter Wölfen
Drama • 06.05.2020 • 22:30 Uhr

Alles hat ein Ende. Sogar das Ende aller Menschlichkeit. Im März 1945 haben die Amerikaner den Rhein überquert. Die Zeit ist absehbar, bis die US-Armee Thüringen erreichen und das nahe der Dichterstadt Weimar gelegene Konzentrationslager Buchenwald befreien wird. Insassen und Wärter bereiten sich fieberhaft vor auf den schicksalhaften Tag, da schmuggelt ein polnischer Kriegsgefangener ein jüdisches Kind im Koffer ins Lager. Die Aufregung ist groß unter den "Funktionshäftlingen", den sogenannten "Kapos": den erst dreijährigen Jungen vor der SS verstecken und damit das eigene Überleben so kurz vor der nahenden Befreiung riskieren? Oder die geheime Widerstandsorganisation schützen und die eigene Menschlichkeit verraten? Von diesem unsagbaren Zwiespalt handelt der nun im Ersten wiederholte Film "Nackt unter Wölfen" (2015).

Und dieser basiert auf den 1958 erschienenen Roman des ehemaligen Buchenwaldhäftlings Bruno Apitz. Frank Beyer hat das in der DDR ungeheuer wirkungsmächtige Buch, das Erlebtes, Gehörtes und Fiktion vermengt, bereits 1963 sehr achtbar für die DEFA verfilmt. 2015 gab die ARD zum 70. Jahrestag (11. April) der Buchenwaldbefreiung eine Neuverfilmung in Auftrag. Und dafür vertrauten UFA-Fiction-Produzent Nico Hofmann, Autor Stefan Kolditz und Regisseur Philipp Kadelbach, die bereits mit dem ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" die Weltkriegszeit mutig, aufwühlend und kontrovers durchmaßen, auf wissenschaftlichen Beistand. "Im Grunde genommen haben wir die Vorlage von Apitz durch eine Begleitung mit namhaften Wissenschaftlern, Historikern, Forschern und Zeitzeugen vertieft, erweitert und präzisiert", beteuert Nico Hofmann: "Stefan Kolditz' Drehbuch ist durch unsere gemeinsame Recherche zu einem ganz eigenen Werk geworden."

Ein Werk, das keinen Betrachter auch nur ansatzweise kalt lassen kann. Die am meisten Identifikation stiftende Figur in diesem Höllengemälde ist der in der Effektenkammer (Kleiderkammer) beschäftigte Kommunist Hans Pippig, gespielt von Florian Stetter. Er ist es, der sich über die Order seines vorgesetzten Widerständlers Bochow (Thorsten Merten) hinwegsetzt und das im Koffer hineingeschmuggelte Kind (Vojta Vomácka) nicht in den sicheren Tod wieder hinausschickt, sondern unter größter persönlicher Gefahr beschützt. Der Zwiespalt geht quer durch die geheime Organisation der Kommunisten: "Wer sind wir, dass wir nicht mal ein Kind schützen können?", fragt der Lagerälteste Krämer (Sylvester Groth). "Ich geh nicht für das Judenpack durch den Schornstein", sagt August Rose (Torsten Michaelis) aus der Effektenkammer, mit Todesangst, nicht mit Hass im Blick.

Für die Lagerleitung sind Misstrauen und Zwietracht durchaus eingeplante Begleitumstände der in Buchenwald stark ausgeprägten Kapo-Struktur, einer teilweisen Selbstverwaltung des Lagerbetriebs durch privilegierte "Funktionshäftlinge". Bald schon denunzieren sich die Insassen gegenseitig. Am teuersten bezahlen die Genossen Andre Höfel (Peter Schneider) und Marian Kropinski (Rafael Stachowiak), die wochenlang vom SS-Sadisten "Mandrill" (Torsten Ranft) gefoltert werden, aber weder das Kind noch die Köpfe des illegalen Lagerkomitees verraten. Schließlich will man vorbereitet sein für den Tag, an dem die Amerikaner vor der Pforte stehen. Nicht ganz grundlos befürchtet man, dass die SS keine lebenden Zeugen ihrer Gräuelherrschaft hinterlassen will.

Für die Außenszenen erhielt das Filmteam eine Drehgenehmigung der Gedenkstätte Buchenwald, was die bedrückende Intensität dieses von großen Schauspielerleistungen (unter anderem: Sabin Tambrea, Andreas Lust, Rainer Bock, Robert Gallinowski) getragenen Stücks verstärkt haben dürfte. Alles an der Darstellung von "Nackt unter Wölfen" wirkt so unmittelbar, dass man glaubt, den Eindruck einer unsagbaren Realität erhascht zu haben. Was diese Vorstellung in einem auslöst, ist mit Worten kaum zu fassen. Eines spürt man nun aber genauer denn je: Nie wieder. Nie wieder.

Nackt unter Wölfen – Mi. 06.05. – ARD: 22.30 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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