"Captain Picard"-Darsteller wird 80

Patrick Stewart: Mit Würde, Witz und Zufall zum Weltstar

von Andreas Fischer

Jean-Luc Picard und Professor X machten Patrick Stewart weltberühmt: Dabei kam der britische Schauspieler eher durch Zufall und im fortgeschrittenen Alter zu Weltruhm. Jetzt wird der Shakespeare-Veteran, Enterprise-Kapitän und "X-Men"-Chef 80 – und hat noch lange nicht genug.

Wer würde bestreiten, dass Patrick Stewart ein Gentleman ist? Ein Mann, der das Wort Würde mit Inhalt füllt, der geistreich ist und kultiviert. Aber es gibt ihn nun mal, diesen einen Auftritt in der großartigen Serie "BBC Extras" aus dem Jahr 2005: Patrick Stewart spielt sich selbst, eine Ikone von Shakespearscher Magnitude, einen Schauspieler, der das "Star Trek"-Universum als Captain Jean-Luc Picard mit Stil und Vernunft bereicherte, und dasselbe bei den "X-Men"-Filmen (und "Wolverine"-Sequels) machte.

Dieser großartige Schauspieler sitzt also in seinem Trailer und schafft es, dass Englands Comedy-Großmaul Ricky Gervais die Klappe hält: Ihm erzählt Stewart von einem Film, den er angeblich plant. Darin will Stewart die telepathischen Fähigkeiten von Professor X aus der Superheldenwelt in die reale übertragen. Was ihn daran so fasziniert: Er kann mit purer Willenskraft dafür sorgen, dass Frauen die Kleider vom Leib fallen – und dann sieht er alles.

Die Serie und der Auftritt, sind natürlich Eulenspiegeleien, witziger Kokolores. Aber wenn Patrick Stewart mit vollem Ernst und inbrünstiger Schwülstigkeit von seinen fiktiven Fantasien erzählt, dann spielt er seine besondere Stärke aus: die mit feiner Ironie gewürzte Lebenslust und immerwährende jugendliche Neugier, die auch in seinen etwas steif wirkenden bekanntesten Rollen steckt.

Dass Patrick Stewart am Montag, 13. Juli 80 Jahre alt wird, mag man nicht wahrhaben wollen. Klar, seitdem der markante Glatzkopf, Stewart lebt mit seiner dritten Ehefrau, der Musikerin Sunny Ozell in Brooklyn, in Film und Fernsehen ein großes Publikum erreicht, ist er die Würde in Person. Ein präsidialer Staatsmann in unendlichen Weiten und Superhelden-Welten. Aber doch kein alter Mann, auch wenn er zwei erwachsene Kinder hat und schon Großvater ist.

Man kauft Patrick Stewart alles ab. Das Faszinierende am Wahl-New Yorker aber ist seine Fähigkeit, sich selbst mit ironischer Distanz zu reflektieren ohne dabei die Welt, in der er lebt, weniger ernst zu nehmen. Der kosmopolitische und beredte Schauspieler aus der nordenglischen Kleinstadt Mirfield, hat die Gabe, jedes noch so belanglose Gespräch zu einer gepflegten Konversation zu erheben. In Interviews ist er nachdenklich, tiefsinnig, um den Zustand der Welt besorgt – trotzdem blitzen immer auch Witz und Lebensfreude in den Augen des überzeugten Europäers auf.

"Abschottung, Grenzmauern, die Angst vor Menschen, die anders sind: Das alles ist mir ein Gräuel", sagte Patrick Stewart 2017 im Interview. Man könnte meinen, die Worte stammten von Jean-Luc Picard, dem Kapitän der "USS Enterprise", der Rolle also, die Stewart 1987 ins Rampenlicht katapultierte. Damals war er bereits 47 und nur denjenigen bekannt, die regelmäßig in England ins Theater gingen oder sich für Nebenrollen in einigen wenigen Kinofilmen ("Excalibur", 1981, "Dune – Der Wüstenplanet", 1984) und etwas mehr BBC-Fernsehfilmen interessierten.

Lesung an der Uni bescherte ihm Rolle des Captain Picard

Zum Raumschiff-Captain brachte es der Sohn eines Soldaten eher durch Zufall: Ein Mitarbeiter Gene Roddenberrys, des geistigen Vaters und Produzenten des "Star Trek"-Universums, hatte den Schauspieler bei einer Lesung an der Universität von Los Angeles entdeckt. Roddenberry selbst war zunächst skeptisch und begrenzte Stewarts Vertrag auf den Pilotfilm und 13 weitere Episoden.

Wenig optimistisch, ob dieser Vertragsbedingungen, lebte der frischgebackene Commander wochenlang aus dem Koffer, um jederzeit wieder nach England abreisen zu können. Zurück zu den klassischen Theaterrollen, mit denen er seine Karriere begründet hatte. Mit 17 nahm Patrick Stewart Schauspielunterricht an der Bristol Old Vic Theatre School, mit 19 ergatterte er seine erste Rolle im Theatre Royal in Lincoln in Robert Louis Stevensons "Die Schatzinsel". 1966, mit gerade mal 26 Jahren, war er bereits Mitglied der Royal Shakespeare Company.

"Ich interessiere mich überhaupt nicht für Raumforschung und Zukunftstechnologien und den ganzen Kram. Ich schaffe es ja nicht mal, die Klimaanlage in meinem Auto richtig einzustellen", erklärte Stewart im Rückblick auf den späten Beginn seiner Weltkarriere. So zog es ihn auch während der Drehzeit von "Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert" immer wieder ans Theater. 1988 inszenierte er sich selbst in Charles Dickens' "A Christmas Carol" – und spielte alle 35 Charaktere.

Stewart gilt als besessener Arbeiter, als einer, der auch in der zweiten Hälfte seiner Karriere stets nach neuen Herausforderungen sucht. "Je öfter man übt, desto besser wird man", meint er, und lässt das auch für sich selbst gelten. Der Grund? "Das Publikum. Es ist neben Stück und Besetzung das dritte Element bei jedem Auftritt." Immer wieder wolle es neu erobert werden.

Und immer wieder erobert es Patrick Stewart, der 2010 von Queen Elizabeth zum Ritter geschlagen wurde. Anfang des Jahres jedenfalls kehrte er in seiner Paraderolle zurück und traf in der Amazon-Serie "Star Trek: Picard" alte Freunde und neue Feinde. Wie der große Humanist der USS Enterprise ist auch Patrick Stewart in Würde gealtert, aber noch längst nicht fertig. Bis die zweite Staffel weiter produziert werden kann, rezitiert er in regelmäßigen Abständen Shakespeare-Sonette bei Twitter, schält Cranberry-Bohnen fürs Abendessen und schreibt seine Memoiren.

Ihm werde mittlerweile bewusst, dass seine Zeit auf der Welt begrenzt ist, sinnierte er in einem Interview mit der teleschau. "Als ich jünger war, gab es kein Ende. Mein Leben würde immer weitergehen, dachte ich. Jetzt bin ich mit einer Frau verheiratet, die einige Jahrzehnte jünger ist als ich: Meine Endlichkeit bringt eine zusätzliche Intensität in unsere Beziehung. Wiewohl ich noch lange nicht plane, mich auf den Friedhof tragen zu lassen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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