"SOKO"-Kommissar im Interview

Peter Ketnath: "Deutschland kann Krimi!"

von Anke Waschneck

Der Krimi an sich ist zwar das Flaggschiff des deutschen Fernsehens und das, "worauf auch das Ausland schaut", trotzdem weiß der Schauspieler Peter Ketnath, wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Kommissar Joachim Stoll kommt bei einem Verkehrsunfall vorbei und möchte die Streife rufen. Plötzlich streckt ihn ein Schlag auf den Hinterkopf nieder. Das Nächste, was er sieht, ist der Lauf einer Pistole. Für den Suttgarter "SOKO"-Kommissar wird es in der 200. Folge der Serie (Donnerstag, 16. November 2017, 18 Uhr, ZDF) ernst, denn er findet sich als Geisel eines Affekttäters wieder. Schauspielerisch kein Problem, sagt Peter Ketnath. Immerhin verkörpert er schon seit 2009, den Anfängen des schwäbischen SOKO-Ablegers, den charismatischen Ermittler. Zuletzt erreichte das Format durchgängig über drei Millionen Zuschauer auf dem gewohnten Sendeplatz im Vorabendprogramm. Der 43-Jährige hat im Interview eine plausible Erklärung für den langjährigen Erfolg des Formats. Außerdem verrät der gebürtige Münchner, was der deutsche Krimi seiner Meinung nach endlich einmal ausprobieren sollte.

prisma: Hat sich die 200. Folge "SOKO Stuttgart" besonders angefühlt?

Peter Ketnath: Ja. Ich glaube, zu diesem Anlass haben sich die Verantwortlichen gedacht: Jetzt klotzen wir mal ein bisschen und geben Gas – mit den Möglichkeiten, die wir haben. Das Buch ist enorm spannend und die Geiselnahme ein sehr dynamisches Element. Beim Dreh hat man gemerkt, dass etwas Besonderes entsteht – aber vielleicht lag das auch daran, dass wir mit SEK und Helikoptern sehr aufwendig gearbeitet haben.

prisma: Was sind für Sie die wichtigsten Komponenten des "SOKO"-Formats?

Ketnath: Es ist ein gut gemachter Krimi, glaubwürdig und authentisch. Manchmal leisten wir es uns, ein bisschen schräg zu sein, oder auch mal eine eher düstere Episode, und diese Mischung zieht die Leute vor den Bildschirm. Es wird nicht langweilig, weil wir Überraschungsmomente einbauen, und niemand wird abgehängt, weil jede Folge für sich steht.

prisma: Warum lieben die Zuschauer "SOKO"-Stuttgart immer noch?

Ketnath: Wir sind mit der Zeit entspannter, runder geworden, das merkt das Publikum. Am Anfang trauten wir uns dramaturgisch mehr, aber wir blieben unserem Konzept treu. "SOKO" muss nicht jedem Trend, jeder Marktforschung oder Analyse folgen. Wir verbiegen uns nicht, und das macht uns aus. Auf die "SOKO"-Seherschaft kann das ganze Team stolz sein. Wer uns vorwirft, wir würden immer das Gleiche produzieren, dem kann ich nur raten, mal ins Theaterprogramm zu schauen: Die spielen auch seit Jahren die Klassiker. Der Beständigkeit haben wir viele Zuschauer zu verdanken.

prisma: "SOKO"-Ableger gibt es inzwischen in sechs anderen Städten ...

Ketnath: Ich bin mit der Ur-"SOKO" in München aufgewachsen, und schon damals fand ich es toll, die Heimat in einem überregionalen Medium zu sehen. Auch für alle, die nicht aus einer "SOKO"-Stadt kommen, sind wir ein verlässliches Format und stehen für Abwechslung, da jeden Tag ein anderes unserer Teams zu sehen ist.

prisma: Hätten Sie am Anfang gedacht, dass Sie so lange dabeibleiben?

Ketnath: Nein, gar nicht. An den Erfolg des Stuttgarter Ablegers habe ich dagegen immer geglaubt.

prisma: Und jetzt sind Sie seit 2009 Teil vom Team. Steht Ihnen der Sinn immer noch nicht nach etwas Neuem?

Ketnath: Es ist ganz normal, mal den Wunsch nach etwas anderem zu hegen. Und dafür habe ich ja meine Filme. Aber auch "SOKO" bleibt ständig in Bewegung, und jeder Fall ist eine Abwechslung. Die Figuren machen inzwischen eine Entwicklung während der Staffel durch, auch das fordert spielerisch.

prisma: Färbt die Figur Joachim Stoll auch auf Sie im Privaten ab?

Ketnath: Ich bin sehr wenig mit der Figur verschmolzen. Jo ist freiheitsliebend und nicht immer ganz konform, was den bürokratischen Ablauf oder die vermeintlichen Autoritäten angeht. Das kann ich nachvollziehen, weil es eine Sehnsuchtshaltung ist. Die Figur kommt damit durch, aber ich leiste mir so etwas im echten Leben nicht. Er möchte oft mit dem Kopf durch die Wand, ich persönlich bin inzwischen eher ein ruhiger, bedachter Mensch. Man reift mit den Jahren. (lacht)

prisma: Tauschen sich die Kommissare denn untereinander mal aus?

Ketnath: Nein. Es gab einen Fall, der durch mehrere Städte lief, da haben wir interagiert. Ansonsten treffen wir uns nur ab und an auf Events. Allerdings bin ich privat seit mehr als 20 Jahren mit Steffen Schröder, dem "SOKO"-Leipzig Ermittler, befreundet. Wir haben beide unseren ersten Film, "Und keiner weint mir nach" von Joseph Vilsmaier (1995, d. Red.) zusammengedreht. Da kann es vorkommen, dass man mal von Kommissar zu Kommissar spricht.

prisma: Wie überzeugen Sie die Stuttgarter Fans?

Ketnath: Wir werden dem regionalen Bezug zu Stuttgart gerecht, da wir viel draußen und in der Stadt drehen. Außendrehs sind bei uns weit häufiger als beispielsweise bei einem "Tatort". Und es darf ab und an geschwäbelt werden. Aber nur, weil der Krimi in Stuttgart spielt, heißt das nicht, dass wir woanders keine Fans haben. Auch in meiner Wahlheimat Berlin werde ich oft darauf angesprochen.

prisma: Fühlen Sie sich wohl in Stuttgart?

Ketnath: Ja! Die Lebensqualität in Stuttgart ist sehr hoch, es gibt viel Innovation und Kultur. Laut CNN ist es sogar die stressfreiste Stadt. Ich weiß aber nicht, ob man die Bevölkerung überhaupt befragt hat. (lacht)

prisma: Stuttgart steht auch für Stau, Feinstaub und "Stuttgart 21"...

Ketnath: Ja, aber hier ist es trotzdem lebenswert. Stuttgart hat ein südländisches Flair, außerdem herrscht fast Vollbeschäftigung. Die Schwaben haben eben viele "Käpsele", wie man hier sagt: Es sind besonders schlaue, ideenreiche Menschen.

prisma: Sie haben schon mal beim "Tatort" mitgemacht. Könnten Sie sich vorstellen, dort den Ermittler zu geben?

Ketnath: Ja, klar, am besten gleich in München. Mal ehrlich: Welcher deutscher Schauspieler würde das nicht probieren wollen?

prisma: Schauen Sie überhaupt den sonntäglichen "Tatort"?

Ketnath: Ich sehe wenig fern, bleibe höchstens mal wo hängen. Ich verfolge aber nichts aus beruflichen Gründen. Die Formate im Free-TV ähneln sich alle in gewisser Weise, und während den Dreharbeiten habe ich sowieso wenig Zeit.

prisma: Meinen Sie, dass es in Deutschland zu viele Krimis gibt?

Ketnath: Deutschland kann Krimi, und darauf können wir stolz sein. Es ist unser Flaggschiff, worauf auch das Ausland schaut. Diese Marke "Deutscher Krimi" sollten wir uns bewahren, denn was im finanziell möglichen Rahmen geschaffen wird, ist super. Irgendwann wird sich die Nachfrage vielleicht sättigen, aber momentan gibt es noch viele spannende Geschichten zu verwirklichen.

prisma: Welche zum Beispiel?

Ketnath: Es gibt nicht immer nur die guten Polizisten, sondern auch welche, die über die Stränge schlagen. Um das zu zeigen, ist das deutsche Fernsehen etwas zu konform in den Formaten. Wenn bei uns ein Maulwurf auftaucht, dann ist der schnell erledigt. Das machen die Amerikaner viel ambivalenter, denn dort schreiben die Autoren den Figuren Abgründe oder auch mal finanzielle Nöte als Antrieb für schlechtes Verhalten ins Buch. Und das Publikum bleibt trotzdem an den Figuren dran.

prisma: Polizist ist ein sehr verantwortungsvoller Job, könnten Sie sich vorstellen, auch im wahren Leben als Kommissar oder Polizist zu arbeiten?

Ketnath: Schwer zu sagen, weil der Beschützerinstinkt für die Gesellschaft etwas sehr Ritterliches ist, das ich respektiere. Teil einer Mordkommission zu sein, ist sicherlich spannend, aber ich bekomme auch immer wieder von Polizisten mit, wie nervenaufreibend es sein kann. Im Film spiele ich eben doch nur eine Rolle: Alles muss für den Zuschauer gut aussehen, ob wir die Waffe dabei wie im Lehrbuch halten oder nicht, ist im Endeffekt zweitrangig.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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