"Hetzjagd"

"Tatort"-Regisseur verfilmte persönliches Erlebnis

Die beste Idee im Ludwigshafener "Tatort: Hetzjagd" war das nächtliche Anfreunden einer mutmaßlichen Neonazi-Täterin mit der Freundin ihres Opfers. Autor und Regisseur Tom Bohn hat in den 90-ern etwas Ähnliches selbst erlebt – was ihn Jahrzehnte später zu seinem Krimi inspirierte.

Mehr als 20 "Tatort"-Krimis hat Veteran Tom Bohn schon geschrieben und gedreht. Das Stammrevier des 1959 in Wuppertal geborenen Filmemachers ist Lena Odenthals Ludwigshafen. Hier spielte auch Bohns jüngster Fall, "Hetzjagd", in dem es um den mutmaßlichen Mord eines streitbaren "Rock gegen Rechts"-Konzertveranstalters durch ein Neonazi-Pärchen ging. Einen denkwürdigen Twist erfährt die Handlung des am Sonntagabend ausgestrahlten ARD-Krimis, als sich die Neonazi-Braut und die Freundin des Opfers – ohne einander zu kennen – nach dem Mord im Nachtleben der Stadt anfreunden – und sich sogar ein Hotelzimmer teilen. Der seltsame Perspektivwechsel einer eigentlich klar definierten Beziehung ist "Tatort"-Autor und -Regisseur Tom Bohn in den 90-ern selbst so ähnlich passiert, wie er nun gegenüber der Agentur teleschau verriet.

Damals demonstrierte Bohn als Mitglied der Grünen gegen eine Veranstaltung der rechten Partei "Die Republikaner". Im Interview mit teleschau erinnert er sich: "Die haben sich durch ein paar rechte, militante Schläger schützen lassen. Irgendeine Gruppierung, die dann irgendwann sogar verboten wurde. Ich stand damals relativ weit vorne, direkt einem üblen Kerl gegenüber, der mit gescheiteltem Haar und Schnauzbart, Bomberjacke und Doc Martins eindeutig zu erkennen gab, wo er politisch stand. Wir haben uns gut eine Stunde lang immer wieder drohend angeschaut und es hätte nicht viel gefehlt und wir hätten uns gegenseitig die Schnauze poliert – um es mal direkt zu sagen."

Keine drei Wochen später fiel Bohn unweit seiner damaligen Münchner Wohnung ein Vater auf, der versuchte, sein weinendes Kind zu trösten. Die Kleine war mit dem Fahrrad gestürzt und blutete heftig an Knie und Ellbogen. "Ohne lange zu überlegen bin ich in die nächste Apotheke gelaufen und habe Verbandszeug und Jod geholt. Fünf Minuten später habe ich das dem Vater über die Schulter gereicht. Der Mann war käseweiß, hatte Sorge um sein Kind und wirkte sehr dankbar", so Bohn. "Wir erkannten uns erst auf den zweiten Blick: Es war der Kerl, dem ich bei der Demo gegenüberstand. Er fragte trotzdem: 'Kannst Du mir bitte helfen?' Und ich habe dann der Kleinen das Knie verbunden. Mit dem Kerl bin ich dann zwei Tage später auf eine Pizza gegangen. Er wollte sich auf diese Art bedanken."

Der Kontakt besteht immer noch

Bohns Anekdote, die ihn zum "Tatort: Hetzjagd" inspirierte, ereignete sich vor 25 Jahren. Tatsächlich hat er zu dem Mann von damals immer noch Kontakt. Bohn: "Er besitzt inzwischen eine eigene Firma, wählt – leider – AfD, hat sich aber aus der aktiven, rechten Szene komplett verabschiedet. Seine Tochter hat vor vier Jahren ein Setpraktikum bei mir gemacht. Sie ist überzeugte Sozialdemokratin, engagiert sich in der Flüchtlingshilfe und versucht ihren Vater so zu nehmen wie er ist."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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