Neue Amazon-Serie

"The Boys": korrupte Dreckschweine als Superhelden

von Andreas Fischer

Ziemlich blutig, ziemlich düster, ziemlich makaber: Amazon demontiert mit der Comicserie "The Boys" mit gebotenem Fatalismus das Superheldentum als Spiegel unserer Zeit.

Normalerweise ist, zumindest im Marvel-Universum, alles super, wenn Helden ihre Arbeit verrichten. Abgesehen vielleicht von völkermordenden Superschurken und internen Kompetenzstreitigkeiten. Die Superhelden selbst aber sind absolut integer. Aber: Das ist natürlich Unsinn, wie die neue Amazon-Serie "The Boys" zeigt: Superhelden sind nämlich auch nur Menschen: fies, geldgeil, gewalttätig und eitel.

Wo gehobelt wird, da fallen Späne, heißt es. Oder: Wer Sicherheit will, der muss Kollateralschäden in Kauf nehmen. Der ziemlich schüchterne Hughie (Jack Quaid) bekommt das mit den eigenen Händen zu spüren. In selbigen hält er nämlich schon nach wenigen Serienminuten nur noch die abgerissenen Arme seiner Freundin. Der Rest des Mädchens ist in einer Blut- und Fleischmatschfontäne aufgegangen: Der superschnelle Superheld A-Train (Jessie T. Usher) ist einfach durch sie hindurchgerannt. "'Tschuldigung" murmelt der Flitzer knapp, dann geht's weiter mit Business as usual.

Was für ein Auftakt! Makaber, eklig und ja auch ein bisschen witzig: Die Amazon-Serie lässt keinen Zweifel an ihrer Mission, ein für allemal mit der Superhelden-Verehrung aufräumen zu wollen. Denn die meisten von ihnen sind korrupte Dreckschweine, die sich einen feuchten Kehricht um ihre normal gebliebenen Mitmenschen scheren. Insbesondere die Heldentruppe "The Seven" steht im eigenen Selbstverständnis außerhalb des Gesetzes.

Von einem Megakonzern vermarktet, lassen sie sich als Popstars feiern, lassen es in privaten Swingerclubs krachen und schließen Millionendeals ab. Pro Jahr und Held muss eine mittlere Großstadt 300 Millionen US-Dollar für die Dienste eines außergewöhnlich befähigten Sicherheitsexperten berappen. Merchandisingeinnahmen nicht mitgerechnet. Held zu sein, ist lukrativ. Und wie das so ist mit gut gehenden Geschäftsfeldern, werden sie mit allen Mitteln verteidigt.

Weil es zivilen Ungehorsam und Massenproteste in der Glitzer- und Glamourwelt der perfekt inszenierte Superhelden nicht gibt, nimmt Hughie den Kampf gegen die Korruption und Hybris der vermeintlichen Heilsbringer selbst in die Hand. Das ist er seiner zermatschten Freundin schuldig. Er lässt sich vom schnoddrig-vulgären FBI-Agenten Billy Butcher (Karl Urban) rekrutieren und bildet alsbald mit dem illustren Trio Mother's Milk (Laz Alonso), Frenchie (Tomer Capon) und The Woman (Karen Fukuhara) eine Art Anti-Terror-Einheit.

Dass diese "Boys" dabei nicht zimperlich vorgehen, liegt einerseits an ihren ebenfalls nicht gerade zimperlichen Gegnern. Anderseits gehören düstere Gewaltorgien zur DNA der Serie. Über das viele Blut zu reden, ist freilich müßig. "The Boys" hievt schon in der ersten von acht Episoden Themen wie #MeToo und die Trumpsche Einwanderungspolitik auf die Agenda.

Das wird mal in einem witzigen Nebensatz abgefackelt, oder aber als verstörende Machtdemonstration eines selbstgefälligen Perverslings, der mal eben seinen Penis rausholt. Lachen mag man so gar nicht mehr, wenn in einer abstrusen Comedyserie plötzlich sehr direkt erfahrbar wird, was in den Frauen vorgegangen sein muss, die mit Harvey Weinstein und Konsorten zu tun hatten. Für "The Seven"-Neuling Starlight (Erin Moriarty), der eine komplexe Nebenhandlung gewidmet wurde, ist es jedenfalls ziemlich ernüchternd, wer ihre Posterhelden aus Kindheitstage wirklich sind.

Mit vulgärem Humor und blutiger Zielstrebigkeit macht "The Boys" keine Gefangenen. Das wilde Noir-Spektakel bleibt den Comicvorlagen von Garth Ennis in jeder Hinsicht treu. Verantwortlich dafür sind Showrunner Eric Kripke ("Supernatural") sowie die Comedy- und Serien-Experten Seth Rogen und Evan Goldberg, die bereits mit "Preacher" (ebenfalls aus Ennis' Feder) bewiesen, wie gut Comicserien Irrwitz und Anarchie zu Gesicht stehen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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