Film im Ersten

"Urlaub mit Mama": Flotte Story geht in der Asche des Vesuvs unter

von Hans Czerny

Weil ihre Mutter früher immer nach Verona gereist ist, schenkt Tochter Andrea ihr zum 75. Geburtstag eine Reise in die Vergangenheit. Doch dann legt der Vesuv den Verkehr in Italien lahm.

ARD
Urlaub mit Mama
Drama • 14.09.2018 • 20:15 Uhr

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er bekanntlich was erzählen. Genau so ergeht es dem Mutter-Tochter-Gespann in "Urlaub mit Mama", dem neuen Freitagsfilm der Degeto. Die Tochter Andrea (Anja Kling) hat sich das fein ausgedacht: Eine Reise nach Verona hat sie der Mutter zum 75. Geburtstag geschenkt, auf dass sie noch einmal in alten Zeiten schwelgen kann – früher ist die Mutter Helga (Christine Schorn) immer mit ihrem Mann nach Verona gereist, nach dessen Entschwinden später mit der Nachbarin. Doch die Tochter hat nur wenig Zeit. Gestresst ist sie von Beruf und Mann, der längst eine andere hat, mit der er in Schweden weilt. Dennoch bleibt genügend Zeit, um sich in zwei knapp bemessenen Tagen in die Wolle zu kriegen. Zwei Tage voller Spitzfindigkeiten – Ungesagtes brodelt unter der Oberfläche.

Es wird das alte Lebensklischee von der Mutter, die nicht loslassen kann und sowieso immer alles besser weiß, und von der Tochter, die nicht loskommen kann, noch einmal umgewendet – allerdings mit allerlei Italienkolorit versehen. Im Bild sieht man nicht viel von Verona, die Tonspur leistet dafür umso mehr. An Opernanspielungen und Schlagerklängen ist kein Mangel. Mal tanzt die Mutter mit ihrem alten Bekannten aus alten Zeiten gar den "Mambo italiano" – drollig, auch wenn nur ein braver Boogie dabei herauskommt. Am schönsten ist es dann, wenn Mutter und Tochter – leider nur für Sekunden – in der Arena di Verona sitzen und zum Nabucco-Chor die Händchen halten. Geht doch – man ahnt da schon das Happy-End voraus.

Ansonsten aber viel Zutaten-Freitagskino. Während der Bruder zu Hause geblieben ist und die Schulläuse seines Sohnemanns als Entschuldigung vorschiebt, stellt die fürsorgliche Tochter vorm Veroneser Hotel schon mal den Sekt bereit und die Blumen nebst Opernkarten auf ein Tischchen. Seltsamer Marketing-Empfang für eine Mutter. Die findet den Sekt, der übrigens immer wieder eine tragende Rolle spielt, "etwas warm". Und weil sie schon mal in Kämpferlaune ist, grüßt sie die Tochter ein wenig hinterhältig von ihrem vernachlässigten Sohn: "Er hat mich angerufen." Mehr Haare auf den Zähnen geht kaum.

Doch so richtig ernst wird es erst, als der Vesuv ausbricht und ganz Italien ob der Flugasche völlig lahmgelegt wird – die Flugzeuge, die Züge, der ganze öffentliche Fernverkehr. Weil kein Auto gemietet werden kann und die Tochter dringend heim muss, klaut die Mutter kurzerhand eins, oder eher: Sie leiht es, um zum Standort eines glücklicherweise käuflichen Gebrauchtwagens zu gelangen. Bald sind die Carabinieri den Frauen auf den Fersen, im Konflikt reist die Mutter mit einem Trucker weiter und wird nach allerlei Fährnissen von der Tochter auf einer Südtiroler Polizeistation wiedergefunden.

So viel der Umstände hätte es eigentlich nicht gebraucht. Es ist nämlich bald so, als hätte sich die Asche des Vesuvs auch über die eingangs so flotte Psychostory gelegt. Das Roadmovie erschlägt in seiner ganzen krakeligen Mühseligkeit das feine Frauenstück, die Spitzfindigkeiten haben zwischen all den Anstrengungen des Fortkommens kaum noch Chancen. Christine Schorn und Anja Kling spielen zudem den schwelenden Mutter-Tochter-Krieg, das Versteckspiel um vorgetäuschtes Glück, mit, sagen wir, viel Understatement.

Man hat ja schon vielfältige Mutter-Tochter-Filme in Spiel- und Fernsehfilmen gehabt. Mal wurde ein Drama daraus, weil die Ältere die Jüngere stets nach ihren Vorstellungen zu formen versuchte, mal eine leise Komödie, weil die Tochter der Mutter in ihrer Altersschwäche half. Diesmal wird versucht, einfach mal das unter den Tisch gekehrte Verlassensein in kleineren Portionen ans Licht zu heben. Doch, leider: Man wünscht sich, sie hätten unterm steten Mandolinengesäusel ein bisschen mehr Tacheles geredet. Das Ende immerhin ist konsequent: Da bekommt das Lego-Männchen den Ehering der Tochter – voilà! – auf den Kopf gesteckt. Unaufgeregter geht es nicht. Doch von der jüngst gerühmten Innovation des Freitagsfilms im Ersten sind wir hier wieder ein schönes Stück entfernt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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