Interview mit dem Comedy-Star

Wie Jürgen von der Lippe eine Ohrfeige von Terence Hill kassierte

21.06.2023, 07.48 Uhr
von Kai-Oliver Derks

    Jürgen von der Lippe feierte am 8. Juni 2023 seinen 75 Geburtstag. Ein guter Anlass für ein ausführliches Gespräch mit dem Comedy-Star. Im Interview feuert die TV-Legende eine interessante Anekdote nach der nächsten ab. Angefangen bei einer saftigen Ohrfeige von Terence Hill.

    prisma: Vor 25 Jahren fassten Sie in einem Gespräch mit uns Ihr Streben in dem schönen Satz zusammen: "Ich will einfach nur belacht werden." Würden Sie dem heute etwas hinzufügen wollen?

    Jürgen von der Lippe: Ich habe es etwas anders gesagt; Ich wollte die Leute immer nur zum Lachen bringen. Das hat Charly Chaplin mal gesagt, als man ihn mit den verkopften Interpretationen der Journalisten konfrontierte. Und er fügte noch hinzu: "Diese Leute wissen nicht, was sie reden."

    prisma: Vom legendären Club "Go-In" in Berlin über den Samstagabend im Fernsehen bis hin zu den Kabarettbühnen dieses Landes. Sie treten seit 50 Jahren auf. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre ersten Auftritte?

    Jürgen von der Lippe: Ich war wahnsinnig aufgeregt, musste mir auch etwas Mut antrinken. Aber als ich merkte, die Leute mögen das, was ich mache, war ich einfach nur glücklich. Dieses Gefühl hatte ich zum ersten Mal beim Schülertheater mit 14 oder 15. Ich spielte den Polybios in Dürrenmatts "Herkules und der Stall des Augias". Wahrscheinlich war das die emotionale Initialzündung für den späteren Berufsweg.

    prisma: 1980 kam das Fernsehen in Ihr Leben. Im Netz finden sich wunderbare Aufnahmen von früher. Etwa von Ihnen und Terence Hill, der beim "WWF Club" seine Schlagkraft an Ihnen demonstrierte. Das sieht ungeheuer echt aus. Hat er Sie getroffen?

    Jürgen von der Lippe: Terence hat nicht nur getroffen, er hatte auch angekündigt, dass er richtig hauen würde, weil die Kamera nicht da stand, wo er sie haben wollte, um den Schlag nur andeuten zu können. Der Regisseur meinte: "Nein, das macht der schon nicht." Interessante Erfahrung, aber ich war als Schüler im Boxverein und Kopftreffer gewöhnt.

    prisma: Schenken Sie uns doch noch eine andere Anekdote aus dieser Zeit ...

    Jürgen von der Lippe: Bonnie Raitt sagte, nachdem sie bei "Geld oder Liebe" aufgetreten war, zu mir: "You treated me so nice and I didn't even sleep with you." Stellen Sie sich so einen Satz mal von Helene Fischer vor!

    "Ich bin sehr vielen Menschen zu Dank verpflichtet"

    prisma: Wenn Sie sich an den jungen Jürgen von der Lippe erinnern: Wollten Sie eigentlich berühmt werden?

    Jürgen von der Lippe: Berühmtheit war nicht das Primäre, ich wollte Erfolg haben mit meiner Art von Bühnen- und später auch Buch-Humor.

    prisma: In einer Karriere kommt es durchaus auch auf die richtigen Begegnungen zur richtigen Zeit an. Welchen Menschen in Ihrem Leben würden Sie ein Denkmal setzen?

    Jürgen von der Lippe: Für die Denkmal-Setzung reicht der Platz nicht aus. Ich bin sehr vielen Menschen zu Dank verpflichtet, aber allen voran meiner ehemaligen Bühnenkollegin und späteren Managerin Steffi Krink-Pehlgrim und ihrem Mann Frank, der meine Tourneen veranstaltet hat. Wir waren ein Dream-Team, bis sie in Rente gegangen sind, mehr als 45 Jahre. Dann sind da natürlich meine Fernseh-Eltern Marlis Robels und Klaudi Fröhlich, ihnen verdanke ich meine ersten Fernsehjahre.

    prisma: Wie wichtig war Spontaneität in Ihrer Karriere? Und wie wichtig akribische Planung? Oder anders gefragt: Bauch oder Kopf?

    Jürgen von der Lippe: Die beiden müssen zusammenarbeiten. Entscheidungen fällt letztendlich der Bauch, nachdem der Kopf alles analysiert hat. Und wo die Spontaneität auf der Bühne, vulgo Schlagfertigkeit, ihren Sitz hat – darüber soll sich die Wissenschaft den Kopf zerbrechen.

    prisma: Wikipedia bezeichnet "Geld oder Liebe" als "Höhepunkt seiner Karriere". Sie haben nun die Chance, das Internet zu korrigieren. Was war für Sie der Höhepunkt?

    Jürgen von der Lippe: Jede Station war wichtig und hat Spaß gemacht. Der "WWF-Club" hat mich in NRW richtig populär gemacht, in Restdeutschland kannte mich aber keiner, das war sehr witzig. Mit "So isses" bin ich Quoten-Rekordhalter im Dritten Programm, "Donnerlippchen" war die erfolgreichste ARD-Sendung 1988 und verschaffte mir die einmalige Chance, von einem amerikanischen TV-Guru US-Tempo zu lernen. "Geld oder Liebe" – das war zehn Jahre Erfolg mit eigenem Konzept und erster Grimme-Preis. In meiner Buchsendung "Was liest du", die ich heute auf meinem YouTube-Kanal weiterführe, steckt mein ganzes Herzblut, aber – und das ist die Pointe – das Wichtigste war und ist die Bühne. Und deshalb habe ich heute ein treues Stammpublikum, das oft auch seine Kinder mitbringt. Auch da hilft YouTube enorm.

    "Die Ochsentour ist wichtig!"

    prisma: Gab es Niederlagen in den Jahrzehnten, die Sie in besonderer Weise geprägt haben?

    Jürgen von der Lippe: Klar! "Blind Dinner" bei SAT.1 (die Show lief 2001, d. Red.) war ein legendärer Flop, leider auch mein Konzept. Das hat mir gezeigt, dass es im Fernsehen auch anders geht als erfolgreich. Schmerzhaft, aber wichtig. Auf der Bühne habe ich nie wirklich was falsch gemacht. Ich habe immer versucht, besser zu werden, mehr komisches Handwerk zu lernen, neue Ausdrucksmittel zu probieren. Das bringt mich zu den Hörbüchern, die ich in den letzten Jahren erfolgreich mache und nicht nur die eigenen. Ein Kinderhörbuch mit etwa 45 verschiedenen Stimmen ist eine echte Herausforderung, macht mir aber irre Spaß.

    prisma: Erst der riesige Erfolg mit "Guten Morgen, liebe Sorgen", dann ein Lied mit dem Titel "Lars von Mars" – haben Sie über die Jahre hinweg ein Gefühl entwickeln können, was erfolgreich wird und was nicht?

    Jürgen von der Lippe: Nein. Auf der Bühne funktioniert nur das, was man selber mag, kommerziell erfolgreich auf Tonträgern können auch andere Sachen sein. "Kreuzberger Nächte", das ich mit den Gebrüdern Blattschuss aufgenommen habe, mochten wir gar nicht.

    prisma: Welchen Ratschlag würden Sie jungen Komödianten mit auf den Weg geben?

    Jürgen von der Lippe: Fleißig sein, schreiben, ausprobieren, zielstrebig an einem eigenen abendfüllenden Programm arbeiten und auftreten, auftreten, auftreten. Die Ochsentour ist wichtig! Mein Negativrekord sind drei Leute, ich habe zwei Stunden für sie gespielt.

    telschau: In einem Interview vor einigen Jahren wünschten Sie sich, besser Klavier spielen zu können. Spanisch wollten Sie lernen und im Schach stärker werden. Beschleicht Sie bisweilen das Gefühl, in Ihrem Leben zu viel für Ihr Publikum und zu wenig für sich selbst getan zu haben?

    Jürgen von der Lippe: Das ist eine wirklich gute Frage, aber schwierig zu beantworten: Wenn ich mir vorstelle, ich könnte fließend Spanisch, hätte beim Schach 1.800 ELO-Punkte und könnte die Goldberg-Variationen spielen, hätte aber meine Auftritte nicht mit aktuell drei verschiedenen Programmen ... Nein, es ist alles gut!

    prisma: Gibt es etwas, was Sie Ihrem Publikum gerne jetzt sagen würden?

    Jürgen von der Lippe: Einfach danke.

    prisma: Was möchten Sie in Ihrem Leben unbedingt noch tun?

    Jürgen von der Lippe: Weitermachen, immer noch besser werden und – ganz wichtig – nett zu anderen zu sein, aber da hilft mir die Altersmilde sehr.

    prisma: Die ARD feierte Sie zu ihrem 70. Geburtstag mit einer eigenen von Jörg Pilawa moderierten Sendung. Der "Spiegel" bescheinigte eine "leider sinnlos verplapperte Show". Andere erinnern sich an den Auftritt von Johannes Oerding, bei dem nicht nur Ihnen Tränen in den Augen standen. Zum 75. Geburtstag gehen Sie jetzt auf Nummer sicher und wollen "nur spielen" ...

    Jürgen von der Lippe: Schiller sagt im 15. Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen: "Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Meine Frau und ich sind absolut begeisterte Spielkinder, im Urlaub spielen wir turniermäßig etwa 30 verschiedene Spiele, und da ich Geburtstage nicht feiere, schien mir das ein schöner und unterhaltsamer Kompromiss zu sein.

    prisma: Bis tief hinein ins Jahr 2024 lassen sich Tickets für Ihre Lese-Tour erwerben. Gibt es darüber hinaus berufliche Pläne oder lassen Sie alles einfach auf sich zukommen?

    Jürgen von der Lippe: Nicht nur die Lesetour, auch das Hallenprogram "Voll fett" und eine Paar-Lesung mit Astrid Kohrs mit dem Titel "je östrogener testo steroner" sind im Verkauf. Das nächste Buch für 2025 ist fertig, an zwei weiteren arbeite ich gerade, was soll da noch groß auf mich zukommen?

    prisma: Vorletzte Frage: Was lesen Sie gerade? Haben Sie eine Empfehlung für uns?

    Jürgen von der Lippe: Auf dem Thriller-Sektor habe ich gerade Ken Bruen für mich entdeckt, irischer Hardboiled-Autor, der auch noch über Metaphysik promoviert hat. Ansonsten kann ich von meiner ewigen Bestenliste John Niven empfehlen, zumindest "Gott bewahre" sollte man unbedingt gelesen haben, dann "Die Bibel nach Biff" von Christopher Moore, "Die Entdeckung des Himmels" von Harry Mulisch, "Stadt der Diebe" von David Benioff und, und, und ...

    prisma: Eine letzte Bitte: Schenken Sie uns doch noch eine dritte Ausgabe der Lyrik-Reihe "Gute Stunde" ... – Niemand liest Gedichte so vor wie Sie.

    Jürgen von der Lippe: Vielen Dank, aber meine Lieblingsgedichte sind alle gesprochen. Ich könnte noch Marco Tschirpke wärmstens empfehlen, der zunehmend die Fußstapfen des großen Robert Gernhardt beginnt, auszufüllen.


    Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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