Dorothee Schön im Interview

"Die Welt steht still": die erste Welle als Film

08.11.2021, 07.51 Uhr
von Lara Hunt

In "Die Welt steht still" geht es um die Ereignisse im Frühjahr 2020. Wir haben mit der Drehbuchautorin Dorothee Schön über die Entstehung des Films gesprochen.

Warum wollten Sie dieses Drehbuch schreiben?

Das ZDF hat mich im Frühjahr 2020 angefragt, ob ich nicht ein Drehbuch für ein Fernsehspiel mit Natalia Wörner schreiben könnte. Geplant war etwas völlig anderes, ich habe dann gesagt: "Ich habe eine andere Idee". Das mit Corona fing gerade an, und meine Tochter hatte gerade ihre erste Stelle in Konstanz als Assistenzärztin in der Anästhesie angetreten. Ich habe mir natürlich große Sorgen gemacht und wollte einen Film über die Pandemie machen. Das habe ich dann vorgeschlagen.

Und das ZDF war einverstanden?

Sie fanden die Idee gut, auch wenn noch keiner wusste, was passieren würde, und haben mir eine Carte Blanche gegeben. Und ich habe angefangen, live die Ereignisse zu recherchieren.

Wie haben Sie recherchiert?

Das war gar nicht so einfach. Wir befanden uns im ersten Lockdown, und das Reisen war schwierig, aber ich hatte durch meine Tochter und ihre Klinik Kontakt zu vielen Ärzten. Darüber hinaus kenne ich auch noch einige Mediziner. Und ich muss sagen: Sie waren immer für mich da, wenn ich Fragen hatte. Die allgemeinen Ereignisse habe ich live recherchiert – das habe ich vorher auch noch nie gemacht. Und später habe ich dann überlegt, welche Geschichte daraus werden soll.

Wie ist die Geschichte entstanden?

Mir war früh klar, dass Natalia Wörner die Rolle einer Ärztin bekommt, die die Pandemie live erlebt, und dass ich Konstanz als Schauplatz haben wollte. Im Verlauf habe ich mich dann für zwei Themen entschieden: erstens den Kulturbereich, dem ich durch meinen Beruf nahestehe. Deshalb ist ihr Mann Musiker. Zweitens war es mir auch wichtig, dass die Schulsituation gezeigt wird, darum haben die beiden Kinder. Mit dem Antagonisten, einem Corona-Leugner, und dem Hauptkonflikt habe ich länger gerungen.

Wie kam es zu der Entscheidung?

Ich habe gemerkt, dass es da Leute in meinem weiteren Umfeld gibt, die tatsächlich angefangen haben, Verschwörungstheorien zu glauben und zu verbreiten. Das hat mich zuerst sprachlos gemacht. Und ich habe mich gefragt, was das für Ärzte bedeutet, so jemanden zu treffen oder zu behandeln. Damit hatte ich meine Grundkonstellation. Über das Ende haben wir uns allerdings bis zum Schluss Gedanken gemacht und erst sehr spät entschieden.

Fällt es nicht schwer, sich mit einer gerade stattfindenden Krise so stark auseinanderzusetzen?

Doch, manchmal ging es mir glaube ich wie dem medizinischen Personal. Wenn ich abends auf dem Sofa saß, konnte ich nichts mehr von Corona hören. Es war die erste Welle, es war dramatisch, wir wussten nicht, wie es weitergeht, und wir konnten uns nicht schützen. Damals gab es in den Krankenhäusern nicht genug FFP2-Masken, jetzt sieht man alte Masken an Straßenecken herumliegen und jeder hat zehn Stück. Erinnern Sie sich an Merkels Ansprache, an die Bilder der LKW in Bergamo? Wie uns das betroffen hat? Vieles ist schon fast wieder vergessen. Wir sind schon dabei, unseren Alltag in der Pandemie zu finden.

Was sagen die Ärzte, die Ihnen bei der Recherche geholfen haben, über "Die Welt steht still"?

Sie finden es toll. Für sie ist damit auch die Hoffnung verbunden, dass etwas von der Wertschätzung in der ersten Phase wiederkommt. Man erinnere sich an den Applaus von den Balkonen, die Fotos von medizinischem Personal, die Dynamik, mit der sie gesagt haben: "Wir schaffen das jetzt." Heute ist da mehr Ermüdung und Ernüchterung. In den Zeiten, in denen Corona abebbt, werden die Eingriffe nachgeholt, die verschoben wurden. In den Kliniken herrscht immer noch Ausnahmezustand. Und da macht sich auch eine gewisse Resignation breit, wie wenig von der Wertschätzung für systemrelevante Berufe übriggeblieben ist. Man erinnere sich an die Diskussionen darüber, wer die 1500 Euro Prämie erhalten darf. Der Applaus ist heute sehr verhalten.

Wie geht es Ihrer Tochter?

Der geht's gut. Sie wurde nicht infiziert und ist auch nicht erkrankt. Ihre Klinik in Konstanz war super. Allerdings spielt auch Glück mit, es war von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Ein Bus voller Skifahrer aus Ischgl im Frühjahr konnte da einen großen Unterschied machen und dafür sorgen, dass alles landunter stand.

Was erhoffen Sie sich von "Die Welt steht still"?

Ich finde es wichtig, dass sich die Menschen zurückerinnern. Ich wundere mich heute über die Sorglosigkeit, wie Menschen mit einem Schulterzucken sagen: "Ich impfe mich nicht". Damals war noch nicht einmal sicher, ob es einen Impfstoff geben würde. Das will ich den Menschen noch mal ins Gedächtnis rufen und im besten Fall erreichen, dass wir Solidarität, die zu Beginn stark war, wieder stärker empfinden. Dass man sich als Teil der Gesellschaft fühlt und sich deshalb impfen lässt. Aber es geht nicht nur ums Impfen, ich wünsche mir an sich, dass wir untereinander solidarischer sind. Allerdings rechne ich auch mit einem Shitstorm aus der Querdenker-Ecke.

  • "Die Welt steht still", Montag, 15. November, 20.15 Uhr, ZDF

Das könnte Sie auch interessieren