Eine Musikerin glaubt, eine Konkurrentin ermordet zu haben. Wahr oder nur geträumt? Ein kniffliger Fall für die Münchner "Tatort"-Ermittler.
Der Traum als letztes Rückzugsgebiet des leistungsoptimierten Menschen? Pustekuchen! Drei junge "High Performer", die Geigenstudentinnen Marina Eeden (Jara Bihler) und Lucy Castaneda (Dorothée Neff) sowie deren Freund, Top-Leistungsturner Mats Haki (Theo Trebs), besuchen regelmäßig das Schlaflabor von Dr. Deah (Katrin Röver), um sich im Klarträumen zu üben. Klarträume oder auch luzide Träume nennt man jene Zustände, in denen sich der Mensch bewusst ist, dass er träumt. Von dieser Erkenntnis ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Beeinflussung solcher Klarträume. Eine Technik, für die man Talent braucht, die sich aber auch üben lässt.
Für die Freunde Marina, Lucy und Mats soll die Manipulation ihrer Träume ein Training darstellen, um im wirklichen Leben ihre Leistung nach oben zu "pushen". Doch Marina kommt aufgelöst zu den Kommissaren Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl), weil sie fürchtet, ihre Freundin und Konkurrentin Lucy getötet zu haben. Oder ist dies doch nur im Traum geschehen? Fatalerweise finden sich auf dem Dach des Kulturzentrums Gasteig, das auch die Münchener Philharmoniker sowie die Hochschule für Musik und Theater beherbergt, tatsächlich Blutspuren von Lucy, allerdings keine Leiche.
Im "Tatort" von "Hindafing"-Macher Boris Kunz (Regie) erforschen die Kommissare zwei Welten, in die sie sich erst mal einfinden müssen. Zum einen die knallharten Regeln und der Konkurrenzkampf des "Leistungssports" Klassik und natürlich die faszinierende "Halbwelt" des luziden Träumens. Spannend ist an diesem in dunkler, sehr stimmungsvoller Optik gefilmten Krimi (Kamera: Volker Tittel) die Idee, den Klartraum samt all seiner Fragen und Mythen zum Thema eines Kriminalfalles zu machen. Ein bisschen viel wird es für Zuschauerinnen und Zuschauer dann aber doch, weil in Kombination mit der etwas plakativen Kritik an modernen Selbstoptimiern doch ein bisschen zu viel in Sachen Plot-Konstruktion zusammenkommt.
Edle Bilder, edler Soundtrack
Zunächst muss man jedoch über die Stärken des neuen Falles der Münchener Urgesteine Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) sprechen: Neben den toll fotografierten Szenen, in denen Boris Kunz und sein Produktionsteam von "Hindafing" interessante Bilder für Traumzustände gefunden haben, die Filmklischees wie Zeitlupe, Nebel und Weichzeichner-Effekten abschwören, ist auch der Soundtrack des "Tatorts" echt edel: Komponist David Reichelt ("8 Tage") hat ihn mit der Idee geschrieben, seine eigenen Klänge und die der Münchener Philharmoniker – ihre Auftritte und Musik sind Teil der Spielhandlung – so zu vereinen, dass ganz bewusst eine Art "akustischer Zwischenzustand" entsteht, welcher an das Thema des Films – Traum oder Realität – erinnert.
Leider kann der Plot nicht ganz mit der ausgefuchsten Subtilität von Bild und Sound mithalten. Das Drehbuch-Team Moritz Binder und Johanna Thalmann, die auch den Frankfurter "Tatort: Luna frisst oder stirbt" der Vorwoche geschrieben hat, gibt sich zwar große Mühe, über die Schlaf- und Klartraumforscherin Dr. Deah (wie immer toll: Katrin Röver) möglichst viel über das faszinierende Forschungsgebiet loszuwerden, doch die Verbindung zwischen Kriminalarbeit und Traumforschung bleibt am Ende doch etwas holzschnittartig und bieder.
Gut, dass es noch die Kriminaler-Granden Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl gibt. Die beiden Weißgelockten spielen mal wieder so bodenständig und so authentisch mit ihren Ermittler-Alter Egos verschmolzen, dass selbst abgehobene Krimi-Ideen-Mixturen ihrer Wirkung nichts anhaben kann.
Tatort: Dreams – So. 07.11. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH