Bei "Markus Lanz"

"Falsche Versprechungen": Grünen-Politiker Trittin befürchtet "Lüge" bei EU-Asylkompromiss

22.06.2023, 10.09 Uhr
von Natascha Wittmann

Bei dem Asyl-Kompromiss der EU gehen die Meinungen auseinander. Bundesinnenministerin Nancy Faeser begrüßte den Entschluss als einen "historischen Erfolg". Jürgen Trittin befürchtete bei "Markus Lanz" dagegen, alles könne weitergehen wie bisher. Mit falschen Versprechungen käme man nicht weit, kritisierte der Grünen-Politiker die Bundesregierung.

Die Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland wächst weiter an, während Fragen zur europäischen Migrationspolitik seit Jahren für heftige Diskussionen sorgen. Nachdem Grünen-Politiker Winfried Kretschmann die EU-Asylreform jüngst bei "Markus Lanz" als "Minimal-Kompromiss" bezeichnete, an dem man noch "weiterbauen" könne, stellte sich der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin am Mittwochabend im Gespräch mit dem ZDF-Moderator ganz klar gegen die Reformpläne für das EU-Asylsystem.

Trittin erklärte auf Nachfrage von Lanz offen: "Ich finde es nicht richtig, der Bevölkerung zu erzählen, dass dieser Kompromiss kurzfristig dazu führt, dass die Turnhalle um die Ecke wieder frei wird." Er gehe davon aus, dass der Kompromiss "am Ende des Tages in drei Jahren Wirkung haben" werde. Eine Verbesserung der Asylpolitik oder gar eine Minderung von Flüchtlingsströmen sehe er keineswegs.

"Da habe ich ganz realpolitische Zweifel"

Im Gegenteil: "Da habe ich ganz realpolitische Zweifel, und deswegen würde ich das der Bevölkerung nicht versprechen. Das ist schlicht eine Lüge." Lanz wollte deshalb wissen: "Kann es sein, dass alles so weitergeht wie gehabt?" Darauf antwortete der Grünen-Politiker mit einem Schmunzeln: "Das kann sein." Von der Bundesregierung habe sich Trittin "mehr Ergebnisse" erhofft. Gleichzeitig bezeichnete er die falschen Versprechungen mancher Politiker im Asylstreit als "unanständig". Forderungen nach einer Asylobergrenze, etwa von Sachsens Ministerpräsident MIchael Kretschmer, seien "unredlich und unverantwortlich".

Jürgen Trittin ergänzte: "Ich hätte mir gewünscht, dass die deutsche Bundesregierung mit mehr Ergebnissen aus dieser Geschichte rauskommt." Der Politiker warnte gleichzeitig vor einer "riesigen Herausforderung", vor der die Regierung stünde, denn: "Es gibt nicht die EINE Antwort auf diese Migrationsfrage."

Ähnlich herausfordernd scheint auch die deutsche Beziehung zur China zu sein. Nach dem ersten China-Besuch eines US-Außenministers seit 2018 von Antony Blinken merkte Trittin an: "Wir erleben gerade, dass China gegenüber Deutschland, gegenüber Europa, massive Anstrengungen unternimmt, wieder ins Gespräch zu kommen, und das setzt sich auch fort in den Gesprächen jetzt gegenüber den USA."

Politologe Mikko Huotari warnte jedoch davor, das Treffen zwischen US-Außenminister Antony Blinken und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zu positiv zu bewerten. Er machte bei "Markus Lanz" deutlich, dass die politischen Spannungen zwischen China und den USA noch lange "nicht vollkommen aufgebrochen" seien. US-Präsident Joe Biden bezeichnete Präsident Xi erst kürzlich als "Diktator", während bei zentralen Streitthemen wie der Taiwan-Frage die Fronten weiterhin als verhärtet gelten. "China und die USA sind sich einig, uneinig zu sein", bestätigte auch ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, der aus Washington zugeschaltet war.

Politologe warnt vor "dramatischen Abhängigkeiten von China"

Als Grund für das chinesische Interesse an Gesprächen mit den USA und Europa vermutete Jürgen Trittin aktuell steigende Wirtschaftsprobleme. Er sagte deshalb selbstbewusst: "Wir dürfen uns auch nicht schwächer reden, als wir sind." Markus Lanz begegnete dem jedoch mit Skepsis und merkte an: "Europa wird erstmals Auto-Importeur. Das gab's noch nie." Laut Zahlen, die der ZDF-Moderator zurate zog, soll mittlerweile jeder sechste VW-Mitarbeiter in China beschäftigt sein, während bei Adidas jeder vierte Euro in China erwirtschaftet werde.

Politologe Mikko Huotari warnte in dem Zusammenhang: "Das sind schon neue Zeiten, auf die wir uns da einstellen müssen." Huotari weiter: "Wir haben zum Teil dramatische Abhängigkeiten von China." Laut des Politologen könne jedoch "keine Entflechtung von China" stattfinden, da man als Unternehmen "in China aktiv sein" müsse, "wenn es um globale Marktdominanz geht". Dazu sagte Trittin nüchtern: "Ich bin nicht dafür, dass man vor China Angst hat. Aber ich finde, wir müssen realistisch auf China gucken." Der Grünen-Politiker ergänzte: "China hat einen Anspruch, die Welt zu gestalten, und (...) ich finde, das ist etwas, worauf wir uns in unserer Politik einstellen müssen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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