Diskussion um Wasserstoff-Heizung:

Markus Lanz wirft FDP-Politikerin "wahnsinnige Wähler-Enttäuschung" vor

30.06.2023, 08.37 Uhr
von Natascha Wittmann

In der Sendung von Markus Lanz war Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu Gast. Die Frage, wann mit grünem Wasserstoff geheizt werden soll, brachte die FDP-Politikerin in Bedrängnis. Zudem prognostizierte ein KI-Pionier, dass die Menschheit bald von der Technologie überholt werde, schlimm sei das aber nicht. 

Die Digitalisierung geht in Deutschland seit Jahren nur im Schneckentempo voran, die geplante Wärmewende brachte schwerste Verwerfungen im politischen Diskurs mit sich. Am Donnerstagabend sprach ZDF-Moderator Markus Lanz mit seinen Gästen einmal mehr über das viel diskutierte Gebäudeenergiegesetz, aber auch über die "Schlüsseltechnologie" KI. Ein Gespräch durchaus mit Überraschungseffekt.

Beim Thema Heizung lieferte sich Lanz vor allem mit FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger ein hitziges Wortgefecht. Zunächst betonte die Bundesministerin für Bildung und Forschung mehrmals, dass sie nichts gegen eine Wärmepumpe habe und dass innerhalb der Ampelkoalition "sehr wichtige Durchbrüche erzielt" worden seinen.

Das beeindruckte Markus Lanz offenbar wenig, er spielte provokant auf eine Technologie an, die auf Drängen der Liberalen im Gesetz mitberücksichtigt wurde, der etliche Experten aber keine signifikante Rolle bei der privaten Wärmegewinnung beimessen. "Wann", fragte der Talk-Gastgeber ganz direkt, "werden wir mit grünem Wasserstoff heizen?"

Markus Lanz: "wahnsinnige Wähler-Enttäuschung"

Die Frage konnte Stark-Watzinger jedoch nicht wirklich beantworten. Stattdessen sagte sie schwammig: "Ich gehe davon aus, dass wir auch mit Wasserstoff heizen werden." Gleichzeitig betonte sie, dass die Nutzung davon abhänge, "wann die Netze ausgebaut sind und (...) wie schnell wir Angebot und Nachfrage zusammenbekommen". Markus Lanz fragte deutlicher: "Werden wir jemals mit Wasserstoff heizen?" Die Replik: "Ja, ich gehe davon aus." – "Sie müssen das doch wissen!", empörte sich der ZDF-Moderator. Die Ministerin beharrte: "Ich kann ihnen heute keine genaue Zahl sagen, aber es wird kommen."

Während Lanz der Politikerin daraufhin eine "wahnsinnige Wähler-Enttäuschung" prognostizierte, beharrte Stark-Watzinger: "Wissenschaft und Forschung haben etwas damit zu tun, dass man nicht in Glaskugeln schauen kann." Sie ergänzte: "Jetzt eine genaue Zahl zu sagen, das ist glaube ich der falsche Weg."

Journalistin Sonja Álvarez wollte dies nicht unkommentiert lassen und äußerte ihre Kritik: "Ich finde, dass die FDP hier tatsächlich eine komplette Irreführung der Wählerinnen und Wähler betreibt mit diesem Begriff 'Wasserstoff-ready'." Der suggeriere den Menschen, "man könne sich Gasheizungen einbauen, und die werden dann irgendwann vielleicht von Zauberkraft Wasserstoff-ready sein". Die FDP-Politikerin wies jedoch darauf hin, dass im Heizungsgesetz nichts davon stehe, dass man sich eine "Wasserstoff-ready-Heizung" einbauen lassen müsse. Es sei demnach keine Irreführung, sondern ein "zusätzliches Angebot". Der Wasserstoff habe laut Stark-Watzinger nichts mit einem Versprechen zu tun, er stelle "eine Notwendigkeit" dar.

"DigitalPakt Schule" ist ein "komplettes Desaster"

Ähnlich skeptisch wie die Aussicht auf Wasserstoff zur Wärmeerzeugung sah Journalistin Sonja Álvarez auch den sogenannten "DigitalPakt Schule". Dessen Versprechen ist es seit März 2019, die Schulen im Land digital besser auszustatten. "Das ist ein komplettes Desaster, (...) denn die Ziele sind verfehlt worden", bilanzierte Álvarez mit ernster Miene. Die Prognose der "Wirtschaftswoche"-Redakteurin: "Wir laufen da wirklich in ein Loch hinein, und die Schulen brauchen Planungssicherheit."

Laut Álvarez laufe Deutschland Gefahr, den Anschluss zu verlieren und sich immer weiter von anderen Ländern zu entfernen – "und das ist natürlich fatal". Ähnlich bewertete Álvarez die politische Strategie im Bereich Künstlicher Intelligenz. "Berlin scheint sich da im Tiefschlaf zu befinden", mutmaßte die Journalistin, die darauf aufmerksam machte, dass die Ampelkoalition die KI-Strategie der Vorgängerregierung übernommen habe, es jedoch bislang "verpennt" habe, sie fortzuführen.

"In Deutschland guckt man immer als Erstes nach Risiken"

Wissenschaftler Jürgen Schmidhuber, der als einer der Pioniere der "modernen KI" gilt, erklärte daraufhin, dass Deutschland noch vor rund 30 Jahren führend in der Grundlagenforschung künstlicher Intelligenz gewesen sei. Doch statt auf den Fortschritt aufzubauen und in die Wissenschaft zu investieren, seien die USA und China laut Schmidhuber viel besser darin gewesen, "diese Erfindungen zu kommerzialisieren". Der Informatiker ergänzte: "Woanders werden mehr Möglichkeiten gesehen - in Deutschland guckt man immer als Erstes nach Risiken."

Während einige Experten schon seit Jahren vor allem im Bereich KI existenzielle Risiken für die Menschheit vermuten, prognostizierte Schmidhuber auch, dass wir schon bald von der Technologie überholt werden könnten – allerdings verband er damit keine Warnung oder düstere Prophezeiung. Im Gespräch mit Lanz erklärte er: "Es gibt doch Erhabenheit in der Erkenntnis, dass die Menschheit nicht die letzte Stufe ist auf dem Weg des Universums vom Urknall hin zu einer immer höheren Komplexität."

Markus Lanz wollte daraufhin wissen: "Warum macht Ihnen das keine Angst?" Der Wissenschaftler stellte klar, dass knapp "95 Prozent aller KI-Forschung" darauf abziele, "Menschenleben länger, gesünder und leichter zu machen". Für den KI-Pionier seien die vielen warnenden Stimmen eher eine Frage der Logik von Massenmedien: "Wenn man Dystopien predigt, dann kriegt man viel mehr Aufmerksamkeit."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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