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"Plötzlich Stille: Wildtiere in der Pandemie": Phänomen Lockdown - ein Kurzurlaub für Wildtiere?

01.07.2023, 08.22 Uhr
von Marina Birner

Der Mensch war schon ein penetranter Mitbewohner zumindest für die Wildtiere dieser Erde. Dann kam Corona: all die Lockdowns eröffneten Bären, Walen, Wildschweinen und Co. ungeahnte Lebensräume und Möglichkeiten, wie die Filmemacherin Susanne Maria Krauss zeigt.

ARTE
Plötzlich Stille: Wildtiere in der Pandemie
Dokumentation • 01.07.2023 • 21:55 Uhr

Vom Berliner Vorgarten über italienische Wälder bis in die scheinbar endlosen Weiten der Serengeti: Die Auswirkungen der Pandemie auf die Tierwelt sind fast überall spürbar. Für viele Tiere ist der Homo Sapiens ein allgegenwärtiger und mithin auch gefürchteter, sogar gefährlicher Mitbewohner. Doch dann war auf einmal alles anders: Als im Frühjahr 2020 über vier Milliarden Menschen zu Hause bleiben müssen, eröffnen sich für viele Arten ungeahnte Möglichkeiten, wie die Dokumentation "Plötzlich Stille: Wildtiere in der Pandemie" zeigt. Während Braunbären in den Dolomiten beim "Grenzübertritt" ertappt wurden, eroberten Wale stille Gewässer mit – wie es scheint – Freudenrufen zurück, die ohne störende Nebengeräusche wieder unverfälscht zu ihren Artgenossen durchdringen konnten. Die "Anthropause" bot jedoch nicht nur der Tierwelt mehr Spielraum, wie der Film dokumentiert.

Wie der Mensch in sensible Ökossysteme eingreift

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten die Gelegenheit, mit Minisendern, Hydrophonen und Videofallen exklusive Einblicke in das Leben der Wildtiere abseits menschlicher Einflüsse zu gewinnen. Die Filmemacherin Susanne Maria Krauss begleitete dafür Forschende mit Sondergenehmigung, die auch während der Sperrzeiten in der Natur Daten sammelten.

In Tschechien zum Beispiel verlagerte sich die Aktivität von Wildschweinen und Rehen in die Nachtstunden, als die Politik der Bevölkerung erlaubte, während des Lockdowns vermehrt in die Natur zu gehen. Dies ist einer der Belege für die neue Erkenntnis, dass die Nachtaktivität vieler Wildtiere kein ursprünglich natürliches Verhalten ist, sondern vom Menschen ausgelöst wurde. "Nichtsdestotrotz haben zwei Monate Lockdown nicht ausgereicht, um die über Jahrhunderte entwickelten Gewohnheiten der Tiere abzutrainieren", resümiert Wildtierbiologe Federico Ossi. Auch die Wildtierökologin Francesca Cagnacci kommt in der Dokumentation zu Wort und weiß: "Die Rehe konnten ihre chronisch veränderte Nachtaktivität nicht ablegen." Verändert haben sich jedoch die zurückgelegten Strecken und Routen.

Des einen Freud, ist des anderen Leid

Den Tieren wurden zur Erfassung der Daten Halsbänder mit Sendern angelegt – das wird in teilweise durchaus verstörend wirkenden Aufnahmen gezeigt. Doch die Forschung profitiert von den Ergebnissen: "Wir haben jetzt Daten von mehr als 13.000 getrackten Tieren", erklärt Christian Rutz, Leiter der Biodiversitätsstudie COVID-19. Vom kleinen Singvogel bis zum riesigen Wal sei alles dabei. "Das sind insgesamt über eine Milliarde Ortungsdaten." – Eine Goldgrube. Rutz ist stolz auf ein Netzwerk von über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus aller Welt. Die gesamte Forschungsgemeinschaft ziehe an einem Strang, um Ressourcen und Expertise zu bündeln. Schließlich gehe es immer noch um eine Frage: Wie lässt sich das Zusammenleben von Mensch und Tier langfristig verbessern?

Filmemacherin Krauss sucht nach einer Antwort, stellt Lösungsansätze vor und zeigt, inwiefern Tiere, die ihren Lebensraum deutlich erweitern konnten, den Menschen vor enorme Herausforderungen stellen. Ein Aspekt, mit dem vielleicht nicht jeder sofort gerechnet hat: Viele Menschen bedeuten immer auch viel Müll – eine Hauptnahrungsquelle der Vögel, die während Corona plötzlich versiegte.

Plötzlich Stille: Wildtiere in der Pandemie – Sa. 01.07. – ARTE: 21.55 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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