Irische Dramedy-Serie

"The Dry – Sekt oder Selters": Die netten Alkoholiker von nebenan

30.06.2023, 08.51 Uhr
von Eric Leimann

In der ARD-Mediathek ist mit der irischen Dramedy-Reihe "The Dry – Sekt oder Selters" eine sehenswerte Serie zu finden. Eine trockene Mittdreißigerin aus London kehrt zu ihrer trinkfreudigen irischen Familie zurück. Dort kämpft sie mit ihrem alten und neuen Leben. Selten wurden Familie und Sucht so tiefgründig, sensibel und komisch erzählt wie hier.

Es passiert nicht oft, dass eine herausragende internationale Serie bei keinem in Deutschland buchbaren Streaming-Anbieter zu sehen ist – nur in der kostenlosen ARD-Mediathek. Mit der achtteiligen irischen Dramedy "The Dry – Sekt oder Selters", die am Donnerstag, 22. Juni, 21 Uhr, bei ONE linear ausgestrahlt wurde und ab 23. Juni komplett in der Mediathek verfügbar ist, verhält es sich jedoch genau so.

Darum geh es in "The Dry – Sekt oder Selters"

Shiv Sheridan (Róisín Gallagher) hat in den letzten zehn Jahren in London mächtig auf die Pauke gehauen. Zwar hat es mit der Karriere im Kunstbetrieb nicht hingehauen und Single ist die Mittdreißigerin auch noch, aber Partys, Alkohol und sonstige Zerstreuung haben ihr geholfen, die Zeit rumzubringen. Weil Shivs Großmutter verstorben ist, kehrt die seit sechs Monaten trockene Alkoholikerin nun zurück zur Familie – in einen Vorort von Dublin.

Leicht fällt ihr das nicht gerade, denn als ältestes von drei Kindern – ein weiterer Bruder ist verstorben – ist sie dennoch so ein bisschen das schwarze Schaf der Familie. Ihr kleiner Bruder Ant (Adam Richardson) lebt als schwuler Partykönig noch zu Hause, Arzt-Schwester Caroline (Siobhán Cullen) ist ein zynischer Control-Freak und die Eltern (Pom Boyd, Ciarán Hinds) verhalten sich zerstreut, ambivalent und – gerne im alkoholisierten Zustand – zutiefst traurig. Überhaupt – der Alkohol: In der irischen Kultur spielt er eine vielleicht noch größere Rolle als in anderen westlichen Kulturen, weshalb man in Folge eins (die Folgen sind schlanke 25 Minuten lang) bereits Zeuge einer irisch-katholischen Totenwache wird, die dann zu einer eher feuchten Angelegenheit wird.

Ein "Vikings"-Star als toxischer Lover

Während Shivs Großmutter – einbalsamiert und im Sarg – noch in der Sheridan-Wohnung herumliegt, futtern die Trauergäste Sandwiches zu tröstenden Getränken. Die trockene Shiv muss während der emotionalen Rückkehr ins schwierige Elternhaus also von Beginn an eine große Widerstandsfähigkeit mitbringen. Dass ihr cooler Ex-Lover und Künstler Jack (Moe Dunford, Æthelwulf aus "Vikings") wieder etwas von ihr will und sie mit dem Satz "Du bist cooler, wenn du was trinkst" herausfordert, macht die Sache nicht einfacher.

"The Dry", das in der ARD Mediathek sowohl im deutschen Originalton als auch im irisch-englischen Original abrufbar ist – leider ohne Untertitel -, ist die vielleicht warmherzigste, klügste und gleichzeitig präziseste Familien-Erzählung, die man in diesem Sommer im deutschen Serienangebot findet. In Irland und England wurde die ITV-Produktion, die man dort im von BBC und ITV betriebenen durchaus bedeutenden Streamingdienst Britbox sehen kann, übrigens schon für eine zweite Staffel verlängert – nachdem sie zuvor von der Kritik zu Recht in den höchsten Tönen gelobt wurde.

Intelligente, tiefsinnige und unterhaltsame Geschichte

Erschaffen hat dieses fein beobachtete Gesellschafts- und Familienbild übrigens eine Irin, die selbst nach vielen Jahren in England nach ihren persönlichen Wurzeln suchte: Autorin Nancy Harris, die auch Theaterstücke schreibt, wurde durch die Erfolgsserie ebenso zum Star wie Hauptdarstellerin Róisín Gallagher, die demnächst in der britischen Sky-Serie "The Lovers" die Hauptrolle spielt. Wie Gallagher ihre Shiv zwischen dysfunktionaler Familie, alten Party-Gewohnheiten und Treffen der Anonymen Alkoholiker die Balance zwischen Komödie und Drama halten lässt, ist schon herausragend.

"The Dry", hierzulande mit dem selten dämlichen Untertitel "Sekt oder Selters" versehen, ist eine intelligente, tiefsinnige und dennoch wundersam unterhaltsame Geschichte über Sucht, Scheitern und den Wunsch nach Liebe. Vielleicht kennt mancher noch die tolle HBO-Serie "Six Feet Under" (2001-2005) über eine Bestatterfamilie in Kalifornien. Etwa in diesem Qualitätsregal – wenn auch sehr viel kompakter erzählt – fischt auch "The Dry".


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren