Ärger bei "Markus Lanz"

Politiker der "Jungen Union" nennt Rente mit 63 "absoluten Wahnsinn"

22.12.2023, 10.24 Uhr
von Natascha Wittmann

Unzählige "Babyboomer" verabschieden sich Jahr für Jahr in Rente, während immer weniger Nachwuchs in Deutschland zur Welt kommt. Bei "Markus Lanz" warnte Johannes Winkel von der "Jungen Union" daher vor den politischen Folgen einer älter werdenden Gesellschaft und sprach sich gegen die Rente mit 63 aus.

Laut der Hubert-Burda-Stiftung könnte das Durchschnittsalter der Deutschen bald bei etwa 55 bis 65 Jahren liegen. Besonders beunruhigend: In den nächsten Jahren werden rund 18 Millionen Arbeitnehmer der "Babyboomer"-Generation in Rente gehen. Zur selben Zeit kommen jedoch nur knapp elf Millionen neue Volljährige nach. Dies sorgt für ein Defizit von rund sieben Millionen Arbeitsfähigen, die für die Rentenbeiträge aufkommen müssten. Bei "Markus Lanz" warnte Soziologe Stefan Schulz deshalb vor schwerwiegenden gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Folgen: "Wir haben kein Geld, das irgendwo runmliegt, um diesem Anspruch zu genügen."

Laut des Experten liege in Deutschland manchmal "nur eine Woche zwischen 'Wir zahlen ein, die Rentner kriegen raus'". Dieses knappe "Umlagesystem" schockierte selbst Markus Lanz. Der ZDF-Moderator stellte fest: "Das ist irre! Das wusste ich nicht! Wir verdienen im Januar Geld und im Februar hat's der Rentner auf dem Konto?" Schulz bestätigte und ergänzte, dass die "Schieflagen" in der Demografie auch die Demokratie "schachmatt" setzen könnten. Der Grund? "Wir haben demnächst Bundesländer, in denen gibt's mehr Wähler mit Pflegestufe als Wähler unter 30."

"Das ist ein böser Satz!", konterte Lanz. Johannes Winkel sah dies jedoch ähnlich und ergänzte: "Man muss aufpassen, dass das demografische Problem nicht irgendwann zum demokratischen Problem wird." Der Politiker der "Jungen Union" sagte in dem Zusammenhang, dass in Deutschland bereits primär Politik für die Älteren gemacht werde, "und ich habe das Gefühl, dass die Prioritäten (...) nicht bei der jungen Generation gelegt werden".

Journalist verspürt keine "Demografie-Panik"

Ähnlich besorgt zeigte sich Winkel beim Thema "Rente mit 63". Der Politiker kritisierte die Idee scharf und merkte an: "In einer Gesellschaft, wo wir zu wenig Beitragszahler haben, ist es natürlich ein absoluter Wahnsinn. Gerade wenn die Menschen auch älter werden, gesünder werden (...), ist es natürlich ein Irrsinn, von der Politik heraus den Anreiz zu setzen und zu sagen: Wir nehmen jetzt ganze Jahrgänge so viele Jahre früher aus dem System heraus."

Wirtschaftsjournalist Rainer Hank stimmte energisch zu und warnte: "Man kann doch nicht 50 Jahre lang nur Kreuzfahrtschiffreisen machen!" Stattdessen wünsche sich Hank "eine Form der Sinnfindung in der Arbeit" sowie "eine schrittweise Verlängerung der Arbeitszeit". Dennoch zeigte er sich mit Blick auf eine immer älter werdende Gesellschaft wenig besorgt. Auf Lanz' Frage, ob er eine "Demografie-Panik" verspüre, dementierte der Journalist: "Dann werden Volkswirtschaften weniger Reichtum produzieren. Damit müssen sie leben. (...) Das führt uns nicht in die Verarmung."

Gleichzeitig ergänzte er: "Es ist doch ein Glück und ein großer Erfolg, dass wir älter geworden sind. Die Lebenserwartung ist gestiegen. (...) Das ist ja nicht so, dass das ein Siechtum ist, sondern die Menschen leben mit 80 heute so wie sie mit 70 noch vor 20 Jahren gelebt haben." Während Johannes Winkel die Aussage als "ein bisschen zu entspannt" bezeichnete, reagierte Markus Lanz lachend: "Das ist interessant, dass einem älteren Menschen in der Runde zu viel Optimismus vorgeworfen wird."

Stefan Schulz: "Früher hat man Kinder als Vorsorge bekommen, jetzt behindern sie einen"

Auch bei der niedrigen Geburtenrate schienen sich Hank und Schulz nicht einig zu werden. Während Rainer Hank "allen reichen Industrienationen" einen gewissen Individualismus vorwarf, machte Stefan Schulz vor allem ökonomische Gründe als Ursache der zurückgehenden Geburten verantwortlich. "Früher hat man Kinder als Vorsorge bekommen, jetzt behindern sie einen", konstatierte der Soziologe. Laut Schulz müsse heutzutage vorab nicht nur die Frage "mit dem Wohnen", sondern auch "mit dem Arbeiten" geklärt werden, um sich den Kinderwunsch leisten zu können.

Dem entgegnete Rainer Hank prompt: "Das kann ja nicht sein! Wenn wir immer reicher werden, wenn es uns immer besser geht, dann kann doch jetzt nicht umgekehrt (...) die Tatsache, dass wir weniger Geld zur Verfügung haben, der Grund sein." Der Soziologe konterte darauf, dass wir lediglich "kollektiv, nicht individuell" reicher werden. Hank wetterte dennoch unbeirrt weiter: "Seit 20 Jahren ist die Politik dabei, die Kinder zu fördern mit allen Möglichkeiten. Kindergeld, Kinderfreibetrag, Erziehungszeiten. (...) Die Ausgaben, die wir auch staatlich (...) für die Kinder ausgeben, die sind gestiegen innerhalb von 30 Jahren."

Laut Hank seien die hohen Wohnungskosten in den Städten demnach "kein Grund, keine Kinder zu kriegen". Eine Aussage, auf die Stefan Schulz nur schmunzelnd antwortete: "Das sagen Sie so leicht." Daraufhin mischte sich Johannes Winkel in die Debatte mit ein und erklärte, dass man sich "gesamtgesellschaftlich auch nochmal positiver generell dem Thema Familie" widmen sollte, da es sich "auf eine lange Sicht" immer auszahle. "Die Entscheidung für Kinder und für eine Familie ist, glaube ich, viel mehr wert als nur die Betrachtung im Hier und Jetzt", bilanzierte Winkel abschließend.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren