"Tatort: Gold"

Ludwigshafener "Tatort": Existiert der legendäre Goldschatz wirklich?

04.09.2023, 09.25 Uhr
von Eric Leimann

In ihrem letzten Fall führte die Spur die Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) zur Nibelungen-Sage. Doch was ist dran an der legendären Geschichte um den Goldschatz. Existiert dieser wirklich und wie ist die Verbindung zwischen Sage, Wagner-Opern und "Tatort"?

Liegt Ludwigshafen seit Neuestem bei Münster? Im "Tatort: Gold" mit den Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) ging es teilweise so bekloppt zu, dass man glaubte, jederzeit könnten die Münsteraner Kollegen Professor Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Thiel (Axel Prahl) um die Ecke kommen.

Entsprechend war der erste neue "Tatort" nach der Sommerpause eher die Adaption oder Persiflage einer Sage und Oper, die zum Krimi wurde. Liegt ja auch nahe, denn immerhin geschehen in Richard Wagners "Ring" sieben Morde und ein Freitod. Doch worum geht es eigentlich im Opernzyklus "Der Ring", und warum glauben Schatzsucher bis heute, dass es das sagenhafte Gold der Nibelungen tatsächlich gibt?

Darum ging es im "Tatort: Gold"

Boris Wolter, Filialleiter einer Bank und großer Mittelalter-Fan, ist verschwunden. Im Pfälzer Weinort Deidesheim findet sich das Auto des Vermissten und in dessen Kofferraum uralte Goldmünzen, die laut Direktor des Wormser Nibelungen-Museums (Heino Ferch) Teile des legendären Nibelungen-Schatzes sein könnten.

Die Kommissarinnen Odenthal und Stern müssen aber erst mal weltlich-gegenwärtige Verdächtige vernehmen: jene Weingutsbesitzerin (Ulrike C. Tscharre), mit der der Verschwundene zuletzt beim Abendessen in einem Hotel gesehen wurde. Und die abgestürzte Ex-Ehefrau (Pheline Roggan) des möglichen Opfers, nach dem weiter gesucht wird. Werden Odenthal und Stern erfolgreiche Jägerinnen des verlorenen Schatzes – und können sie dabei auch den eventuellen Mord aufklären?

Seit 1989 ermittelt Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in Ludwigshafen. Doch erst jetzt greift die dienstälteste "Tatort"-Ermittlerin Deutschlands auf einen uralten, kulturgeschichtlich eminent wichtigen Mythos zurück, der in ihrer Region spielt. In Worms, 23 Kilometer rheinabwärts von Ludwigshafen, steht nicht nur das Hagendenkmal, das an die Versenkung des Nibelungenschatzes im Rhein durch Hagen von Tronje erinnert, sondern auch das real existierende Nibelungenmuseum, dessen Direktor Heino Ferch im Krimi spielt. Fehlt nur noch eine Story!

Die Autoren Fred Breinersdorfer und Katja Röder bauten das "Tatort"-Drehbuch nach Motiven der Sage und des vierteiligen Opernringes Richard Wagners. Kenner beider Kulturwerke dürften Spaß daran haben, Verbindungen und Querverweise zwischen Sage, Oper und Krimi zu identifizieren. Um genau diesen Spaß dreht sich die gesamte spätsommerliche Krimi-Posse, die man aber besser nicht allzu tiefgründig analysieren sollte.

"Die Nibelungen"-Saga

Wer "Herr der Ringe" kennt, J.R.R. Tolkiens Film-Blockbuster-Vorlage, dem dürfte die ein oder andere "Plotidee" bekannt vorkommen. Der britische Schriftsteller und Philologe (1892-1973) war in seinem Hauptwerk stark von der Nibelungensage inspiriert. In der Dichtung unbekannter Herkunft aus dem 13. Jahrhundert geht es um einen im Rhein versenkten Goldschatz unermesslichen Ausmaßes, aus dem ein Ring geschmiedet wurde, der Macht über alle Menschen verleiht – sofern man der Liebe entsagt.

In einer Erzählung rund um Götter, den Helden Siegfried, der zwischen zwei Frauen steht, und diversen windigen Gesellen wird ein Narrativ um Mord, Totschlag, Liebe und Verrat mit komplexem Erzählleben gefüllt. Der Komponist Richard Wagner erschuf daraus zwischen 1848 und 1874 einen vierteiligen Opernzyklus von insgesamt 16 Stunden Dauer. Die vier eingeblendeten Kapitel-Tafeln des "Tatort: Gold" orientieren sich am Opernzyklus: "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung".

Gibt es den Schatz wirklich?

Wahrscheinlich ist diese Frage so alt und umstritten wie die Existenzbehauptung von Nessie, dem Monster von Loch Ness. Sogar Nazi-Grande Joseph Goebbels hat mal mit einem Schwimmbagger den Rhein danach absuchen lassen. In der Sage versenkt Hagen den Schatz, von dem es heißt, dass zwölf Leiterwagen vier Tage lang dreimal hin- und herfuhren, um all das Gold fortzuschaffen, im Rhein. Die Reichtümer der Nibelungen, hinter denen wahlweise Zwerge (Tolkien!) oder das Geschlecht der Burgunder vermutet werden, suchen Schatzsucher bis heute.

In der Nähe von Worms "bei Lochheim" vermutet man den Lageort des Goldes. Warum? Weil es im Lied heißt: "Er ließ ihn bei dem Loche versenken in den Rhein." Lochheim gibt es heute nicht mehr, aber es befand sich dort, wo der Rhein noch heute eine seiner tiefsten Stellen hat, nahe Gernsheim. Der Fluss macht hier eine scharfe Kurve. Hinzu kommt: Der Ort ist nur etwa 20 Kilometer vom ehemaligen Sitz der Burgunder, der Stadt Worms, entfernt. Bis in die jüngste Vergangenheit forschten, gruben und bohrten Schatzsucher hier und anderswo nach dem Schatz der Nibelungen.

Ist die Musik im "Tatort" von Richard Wagner?

Originalmusik der Wagner-Opern durfte oder sollte so gut wie gar nicht im "Tatort" Verwendung finden. Dafür haben die Komponisten Robert Schulte Hemming und Jens Langbein einen Score komponiert und mit klassischen Musikern einspielen lassen, der Motive der Wagner-Opern an den passenden Stellen zitiert. Und in zwei Filmmomenten wird tatsächlich mal Wagner gesungen: Einmal hört eine Statistin, die in Wahrheit die Assistentin der Komponisten ist, einen Opernausschnitt.

Die auffälligere Szene ist jedoch, als der Hoteldirektor der Deidesheimer Bleibe einen Arienauszug aus der Walküre: "Leb wohl du kühnes herrliches Kind" zum Besten gibt. Ansonsten dürften Kenner der Wagner-Opern viel Spaß mit dem "Tatort"-Soundtrack haben, denn die Komponisten haben Original-Musikmotive aufgegriffen und inhaltlich mit jenen Szenen verknüpft, die erzählerisch eben auch an die Nibelungen-Sage und Oper anknüpfen. Ein großer Rätselspaß für Kenner also!

Wie geht es mit dem Ludwigshafener "Tatort" weiter?

Kurz vor Ausstrahlung des "Tatort: Gold" wurde bekannt, dass zwei Ur-Mitglieder des Ludwigshafener Kommissariats einer Modernisierung des Formats weichen müssen: Die Dialektsprecher Peter Espeloer, der den Kriminaltechniker Peter Becker spielt, sowie Annalena Schmidt als Ewig-Assistentin Frau Keller verlassen 2024 den Ludwigshafener "Tatort". Vom Sender hieß es dazu: "Der SWR hat entschieden, Lena Odenthal und Johanna Stern ab der Saison 2024/25 ohne die Unterstützung von Frau Keller und Kriminaltechniker Peter Becker ermitteln zu lassen.

Der 'Tatort'-Fall 'Avatar', Ausstrahlung voraussichtlich Anfang 2024, wird deshalb der letzte sein, in dem Annalena Schmidt als Edith Keller und Peter Espeloer als Peter Becker zu sehen sein werden." Wie auf Nachfrage beim SWR verraten wurde, wird das Fortgehen der beiden seit 1998 mitwirkenden Urgesteine in der Folge "Avatar" erzählerisch klar thematisiert: "Die beiden verschwinden also nicht einfach, sondern ihr Fortgehen wird wirklich erzählt. Wie es dann weitergeht, bleibt momentan noch offen."

Wie wäre es mit einem "Tatort"-Musical?

Mit Humor im Ludwigshafener "Tatort"-Revier ist es bekanntlich so eine Sache. Ulrike Folkerts, dienstälteste "Tatort"-Ermittlerin und seit 1989 aktiv, und ihre jetzige Partnerin Lisa Bitter sind nicht unbedingt für ihre komischen Auftritte bekannt. Dennoch probierte sich der produzierende SWR in Ludwigshafen immer wieder mal an lustigen Ideen.

Impro-Regisseur Axel Ranisch produzierte bislang zwei "Tatorte", von denen das Mundartstück "Babbeldasch" 2017 die Nerven der Zuschauer mit Laiendarstellern arg strapazierte, während man zuletzt mit der wirklich starken und lustigen Folge "Lenas Tante" subtil-trockene Humorspitzen durchaus gekonnt in die Krimihandlung integrierte. "Gold" wirkt abseits der musikalischen Finesse nun ein wenig gequält im Versuch, sowohl Klassiker-Fraktion wie auch ein an Münsteraner Possen geschultes Publikum gleichermaßen zu erreichen.

Ein künstlerisches Meisterwerk ist eben nicht alles, wo "Der Ring des Nibelungen" draufsteht. Und wenn man ehrlich ist, war ja schon die Original-Sage ziemlich sperrig und erfüllte nicht alle Kriterien des klassischen "Page Turners". Vielleicht hätte man auch diesen Krimi besser singen sollen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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