Wiederholung in der ARD

"Tatort: Querschläger" – Milan Peschels großes Solo

von Eric Leimann

Ein Familienvater knallt als Heckenschütze einen Lkw-Fahrer ab. Warum tut er das? Der "Tatort" aus dem Jahr 2019 mit dem Titel "Querschläger" ist vor allem die ganz große Bühne für Ausnahmeschauspieler Milan Peschel. 

ARD
Tatort: Querschläger
Kriminalfilm • 22.08.2021 • 20:15 Uhr

Der Mörder, liebe "Tatort"-Traditionalisten, steht hier wieder einmal nach wenigen Minuten fest. Dennoch – und das ist die gute Nachricht für das angesprochene Klientel – handelt es sich beim sechsten gemeinsamen Fall der NDR-Kommissare Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz) grundsätzlich um einen konventionell gebauten Krimi.

Während der Polizei-Kontrolle auf einer Autobahnraststätte feuert ein Heckenschütze auf einen LKW. Von einem Querschläger getroffen, sinkt ein Fernfahrer leblos zu Boden. Die Kamera folgt dem durch einen Wald flüchtenden Schützen zu dessen Wagen und danach in eine kleinbürgerliche Wohnung, wo sich Steffen Thewes (Milan Peschel) als liebevoller, fürsorglicher Vater eines offenbar schwerkranken Teenager-Mädchens (Charlotte Lorenzen) erweist. Kann es sein, dass Thewes, der als Zollfahnder arbeitet, Speditionsunternehmer Cem "Jimmy" Aksoy (Eray Egilmez) schaden will? Oder wurde dessen LKW nur zufällig zur Zielscheibe eines Mannes, dessen zunehmende Verzweiflung den Kleinbürger mit Sportschützen-Expertise immer mehr zum vogelwilden Sniper werden lässt?

"Querschläger" vom 1. Dezember 2019 (9,14 Millionen Zuschauer), den das Erste nun zur besten Sendezeit wiederholt, war sicher nicht der beste "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring, aber vielleicht einer der mit dem besten Episoden-Hauptdarsteller. Im Mittelpunkt steht Ausnahme-Schauspieler Milan Peschel, den man spätestens seit seiner Rolle als tumorkranker Familienvater in Andreas Dresens "Halt auf freier Strecke" (Deutscher Filmpreis 2012 und Bayerischer Filmpreis 2011) als einen der besten Schauspieler der Gegenwart im Filmgedächtnis haben sollte. In Querschläger darf der ehemalige Berliner Volksbühnen-Star mal wieder das spielen, was er so grandios beherrscht, dass es beim Zusehen fast schon wehtut: einen unauffälligen Kleinbürger, der aufgrund knallharter Umstände zum Amokläufer werden könnte.

Waren derlei Amokläufe in Peschels bisheriger Rollenkarriere meist im übertragenen Sinne zu verstehen, ist sein Ausrasten nun samt Schusswaffengebrauch wörtlich zu nehmen. Meist sieht man den 1968 geborenen Ostberliner aufgrund seiner schratigen Physiognomie eher als "Loser"-Nebenfigur in Komödien, hier hat man ihm mal wieder ein großes Solo auf den Leib geschrieben. Dessen Szenen zählen zu den stärksten eines insgesamt durchschnittlichen "Tatorts". Je mehr Druck Peschels Figur bekommt, auch durch die ihm immer mehr auf die Pelle rückenden Ermittler, desto grotesker, verzweifelter und erschreckend brutaler agiert dieser "Mörder von der traurigen Gestalt", den sich Stephen King in einer bösartigen Neubearbeitung von "Don Quijote" ausgedacht haben könnte. Denn eigentlich, so das Fatale und Einnehmende an diesem Krimi, will der Mann ja nur das Gute, Richtige tun.

Dass es trotz der Peschel-Gala nur zu einem mittelmäßigen "Tatort" reicht, liegt an anderen Dingen: Das Drehbuch von Oke Stielow ("Rosenheim Cops", "Soko Wismar") enthält ein paar Krimiklischees zu viel, wozu einige sehr unglaubwürdige Beschattungs- und Verfolgungsszenen "auf eigene Faust" zählen. Vor allem Julia Grosz (Weisz) hätten sie binnen 90 Minuten wohl mehrmals die Dienstmarke gekostet. Überhaupt die Kommissare: Sie bleiben blass im nordischen Bundespolizei-Krimi.

Tatort: Querschläger – So. 22.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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