Lautner war nie der ganz große Mann des Kinos, doch er erwarb sich nach dem klassischen Aufstieg vom Script über den Kameraassistenten und Regieassistenten zum Regisseur rasch den Ruf eines soliden Handwerkers und zuverlässigen Routiniers. Nach vier Kurzfilmen drehte er 1958 seinen ersten Spielfilm: "La mome aux boutons". Das Action-Kino war sein bevorzugtes Revier, und da bewegte er sich anfangs meist auf authentischem Terrain. Bekannt wurde er als geistiger Vater des "Monokels", jenes einäugigen Spionageschrecks, der das Vaterland vor fremden Agenten schützt. Paul Meurisse spielte die beliebte Rolle mit Augenzwinkern erstmals 1961 in "Das schwarze Monokel" - ein ganz großer Publikumserfolg. Aber schon vorher in "Auch Helden wollen leben" (1959) beschäftigte sich Lautner mit der Welt der Spionage.
Im Verlauf seiner Karriere kamen immer mehr heitere Aspekte ins Spiel, die sich schon in den "Monokel"-Filmen angedeutet hatten. Meist waren es Krimis mit komischen Einfällen wie etwa "Mein Onkel, der Gangster" (1963), wo der glückliche Erbe eines verblichenen Gangsterbosses außer einer massiven Verbrecherorganisation auch ein hübsches junges Mädchen 'gewinnt', während "Mordrezepte der Barbouzes" (1964) eine spritzige Gangsterparodie ist.
Aber auch Klamauk gehörte gelegentlich dazu: "Radieschen von unten" (1963) mit Stars wie Louis de Funès, Michel Serrault, Mireille Darc und Darry Cowl setzt sich zusammen aus einer Fülle von Gags: Der etwas trottelige Jacques (Louis de Funès) tötet auf dem Schnürboden eines Theaters in Notwehr einen Gangster und versteckt ihn in einem Kontrabass. Auf der Bühne spielt man die letzte Vorstellung einer Erfolgsklamotte, in der ein begabter Bassist fünf Jahre lang einen musikbegeisterten Kosakenoffizier mimt. Der zündende Funke geht aus von einem hochdotierten Wettschein in der Jackentasche des Toten, der auf den Sieger eines Pferderennens lautet.
Doch das sind Ausnahmen. Typischer für Lautner ist der Jean-Gabin-Film "Der Bulle" (1967), in dem der große französische Schauspieler einen Kommissar namens "Pascha" spielt. Bei der Aufklärung eines Mordes an einem Freund und Kollegen stellt er fest, dass jener mit Kreisen aus der Unterwelt in Verbindung stand. Wie Henri Verneuil arbeitet auch Lautner immer wieder mit amerikanischen Stars zusammen, so in dem kriminalistisch aufgeladenen Familiendrama "Die Straße nach Salina" (1970) mit Mimsy Farmer, Robert Walker und Rita Hayworth.
Meist sind aber, da er mit seinen Filmen das breite Publikum ansprach, die großen Stars des französischen Kinos seine Protagonisten. In "Eiskalt wie das Schweigen" (1974) und in "Der Fall Serrano" (1977) spielt Alain Delon den Helden. Miou-Miou ist die Protagonistin in der schwarzen Komödie "Kein Problem!" (1975), von "Die widerspenstige Blonde" und "Ist das wirklich Liebe, Liebling?" (1981). Jean-Paul Belmondo spielt in "Der Windhund" (1979) einen skrupellosen Kommissar, in "Der Puppenspieler" (1979)jedoch einen kleinen Gangster, der nach hinlänglichen Knast-Erfahrungen ins große Geschäft einsteigen möchte. In beiden Filmen ist Michel Galabru sein Partner. Und schließlich ist Belmondo 1981 bei Lautner auch "Der Profi", ein Agent des französischen Geheimdienstes, der einen Auftrag auch dann noch verfolgt und erledigt, als der politische Wind längst gedreht hat.
So erfolgreich die letzten Filme mit Belmondo auch an der Kinokasse sind, Lautner liess den den ebenso begabten wie exaltiert eitlen Mimen auch bis an die Grenzen des Ertragbaren chargieren. Das treibt "Bébel" schließlich in "Fröhliche Ostern" (1984) auf die Spitze, wo er einen wohlhabenden Schürzenjäger mimt, der von seiner Ehefrau und der Geliebten gemeinsam hochgenommen wird. An der Seite von so überzeugenden Schauspielerinnen wie Marie Laforet und Sophie Marceau grimassiert Belmondo, als müsse er Louis de Funès und Jerry Lewis gleichermaßen ersetzen.
Georges Lautners künstlerische Grenzen schließlich zeigten sich auch im Vergleich mit Edouard Molinaro, als er die Regie beim dritten Film aus der Serie "Ein Käfig voller Narren" (1985) übernahm: Trotz Michel Serrault, Ugo Tognazzi und Michel Galabru bleibt das Ganze mäßig lustig. Einer seiner letzten Filme, "Das ermordete Haus" (1988), versucht noch einmal an die authentischen Kriegsgeschichten seiner Anfänge anzuknüpfen. Erzählt wird von einem Überlebenden eines Familienmassakers in einem kleinen Dorf gegen Ende des Ersten Weltkriegs, der bei der Rückkehr hinter der kleinbürgerlichen Fassade Abgründe erkennt. Der Stil erinnert an Chabrols Psychothriller, die Story an Wolfgang Staudtes "Kirmes", doch Lautner blieb an der Oberfläche.
Die meisten von Lautners letzten Filmen sind nicht einmal mehr professionell: "Ein Mann weiß zuviel" von 1990 nach James Hadley Chase ist zwar mit Michael Brandon, Robert Mitchum und Mario Adorf hervorragend besetzt, doch Regie und Drehbuch lassen nichts mehr von der früheren Brillanz erkennen. Lediglich die Simenon-Verfilmung "Das unheimliche Haus" (1992) wieder mit Belmondo in der Hauptrolle lässt noch einmal die Kunst Lautners erkennen. Spionagethriller mit authentischem Touch waren Lautners Stärke, er hat unterhaltsame Klamotten gedreht und gehört bei allen Schwächen neben Henri Verneuil sicherlich zu den prominenten Kommerzregisseuren Frankreichs.
Weitere Filme von Georges Lautner: "Inspektor Kent haut auf die Pauke", "Der siebte Geschworene" (beide 1961), "Party mit zwölf Pistolen" (1962), "Monocle blickt voll durch" (1964), "Die Damen lassen bitten", "Galia", "Nimm's leicht, nimm Dynamit" (alle 1965), "Ein Mädchen wie das Meer" (1966), "Das Millionen Duell" (1967), "Der große Coup des Kommissars" (1970), "Ein toller Bluff" (1971), "Quelques messieurs trop tranquilles" (1972), "Ein Koffer in der Sonne" (1973), "Wo, bitte, geht's zum nächsten Friedhof?" (1975), "Ein Tollpatsch auf Abwegen" (1976), "Der Cowboy - ein großer Polizist" (1985), "Der Gorilla und der Wiener Walzer", "Ein Mann weiß zuviel" (beide 1989) und "Ne nous fâchons pas" (1996).