In Großbritannien ist er ein nationaler Mythos, doch so vertraut er dem Leser auch erscheinen mag, der Literat Lewis Carroll bleibt rätselhaft. Lewis Carroll war ein schrulliger Mathematikprofessor und ein Vorreiter der Fotografie. Mit seinen Werken befreite er die Kinderliteratur von ihren moralisierenden Tendenzen. Heute zählt er neben Shakespeare und Charles Dickens zu den bekanntesten englischen Schriftstellern.
Obwohl dieser komplizierte, eigenartige Mann die Gesellschaft von Kindern und jungen Frauen suchte (darunter die der berühmten Alice Liddell, die ihn zu seiner Heldin anregte), heiratete er nicht und hatte keine Kinder.
Bis zu seinem 18. Lebensjahr lebte er im väterlichen Pfarrhaus, den Rest seines Lebens verbrachte er in der stickigen Atmosphäre des "Christ Church College" in Oxford. Carroll war in vieler Hinsicht voller Widersprüche. Auf der einen Seite war er ein echter Misanthrop, der den Menschen aus dem Wege ging und stets ein hochgeschlossenes Kirchengewand und sogar im Sommer Handschuhe und Zylinder trug. Auf der anderen Seite schwärmten Dutzende kleiner Mädchen für diesen Mann.
Carroll erzählte ihnen feinsinnige Späße, bezauberte sie mit Spieluhren, versteckte sich unter Tischen, nahm sie in Theaterstücke und Pantomimen mit und erfand unzählige Rätsel und Spiele für sie. Der Gegensatz zwischen dem steifen, pedantischen und griesgrämigen Professor und dem Schriftsteller Lewis Carroll war so gravierend, daß man durchaus von einer gespaltenen Persönlichkeit sprechen kann.
Sein wohl berühmtestes Werk "Alice im Wunderland", das bereits mehrfach verfilmt wurde, schrieb Carroll für die oben schon erwähnte kleine Tochter seines Dekans, Alice Liddell. Die Story erschien 1865 und hat bis heute nichts von seiner traumhaften Faszination eingebüßt. Sieben Jahre später schrieb Carroll die Fortsetzung "Alice hinter den Spiegeln". Die Geschichte ist ein klassisches Dokument der Nonsens- Literatur mit abgründig kühnen Umkehrungen der Logik und parodistisch beziehungsreichen Spielen mit der Sprache.
Man denke nur an "Jabberwocky", so der Titel eines 1872 in "Alice hinter den Spiegeln" erschienenen Gedichtes von Carroll, das vom Kampf gegen ein Monster erzählt. Die finstere Geschichte, deren Inhalt an die apokalyptischen Visionen eines Hieronymus Bosch erinnert, verarbeitete Regisseur Terry Gilliam in seinem gleichnamigen skurril-makabren Filmspaß verarbeitete.
Einige Verfilmungen von "Alice im Wunderland": als Märchenfilm (1933) unter der Regie von Norman Z. McLeod mit Stars wie Gary Cooper und Cary Grant, als Alice im Wunderland (1951), als Kinderfilm von William Sterling (1972), als Alice im Wunderland (1985) mit Peter Sellers, erneut als Zeichentrickfilm (1994) von Schnellfilmer Toshiyuki Hiruma Takashi, als Alice im Wunderland (1999) mit einem Großaufgebot an Superstars.