Es geht um Trauer und um Sehnsucht: Doris Dörries Wettbewerbsbeitrag zur Berlinale 2008 überzeugt vor allem durch herausragende darstellerische Leistungen.
Wer genau hinsah, der meinte die Rührung und auch die Dankbarkeit noch immer in Elmar Weppers Augen zu erkennen. Bei der Berlinale-Pressekonferenz anlässlich der Premiere seines Films "Kirschblüten – Hanami" (2007) saß er neben Regisseurin Doris Dörrie und sprach nach dem großen Beifall seitens des Fachpublikums begeistert über eine Rolle, wie man sie nicht alle Tage angeboten bekommt. Schon gar nicht, wenn man seit Jahren eher auf seichte ARD-Abendunterhaltung geeicht ist. Die Rolle: Das ist Rudi, ein Mann aus München, der sich an Stelle seiner Frau einen lang gehegten Wunsch erfüllt: einmal den Fujijama zu sehen. Das BR-Fernsehen zeigt das rührende Drama von 2007 nun in einer Wiederholung zu später Stunde, passend zum Kinostart der Fortsetzung "Kirschblüten & Dämonen".
Dieser Rudi, den Elmar Wepper spielt, könnte in seinem ersten Leben glatt aus einer federleichten Degeto-Produktion stammen. Doch Doris Dörrie erzählt von der Zeit danach, in der das Leben eines einfachen bayerischen Beamten vom Lande ein anderes wird. "Kirschblüten – Hanami" ist ein Film über die Sehnsucht. Und über die Trauer und den Umgang damit.
Trudi (Hannelore Elsner) trauert um Rudi, ihren Mann. Dabei lebt er noch. Doch der Arzt sagt ihr, dass er schwer krank sei – und rät ihr, noch einmal etwas gemeinsam zu unternehmen. Ein kleines Abenteuer. Rudi liebt jedoch sein Leben wie es ist, daheim auf dem Hof oder im Büro. Er schätzt das Wiederkehrende, mag keine Überraschungen. Trudi aber lässt nicht locker. Sie überredet ihn, doch einmal ihre beiden Kinder (Felix Eitner, Birgit Minichmeyer) in Berlin zu besuchen. Von seiner schweren Krankheit verrät sie ihm nichts. Es wird ein Besuch, wie es ihn in der Realität unzählige Male gibt. Die Eltern finden sich im neuen Leben ihrer Kinder nicht zurecht. Die wiederum haben kaum Zeit für die Eltern. Also reisen sie weiter ans Meer, nur für ein paar Tage. Rudi aber will wieder nach Hause. Er wird die Fahrt alleine antreten. Denn eines Morgens liegt seine Frau tot neben ihm im Bett.
Ein schwerer Neustart
Es ist der Moment, in dem der Film seine erste von zwei bemerkenswerten Wendungen nimmt. Rudi ist gezwungen, ein anderes Leben zu akzeptieren. Erst Franzi (Nadja Uhl), die lesbische Freundin seiner Tochter und ein Fremdkörper in Rudis Welt, macht ihm in wenigen Worten klar, was ihm in all den Jahren verborgen blieb: Vielleicht, so sagt sie, habe sich hinter jener Trudi, die so lange an seiner Seite lebte, noch eine zweite Frau verborgen. Eine, die von einer Sehnsucht umgeben war, die sie sich nie zu erfüllen wagte.
Trudi träumte davon, Butoh-Tänzerin zu sein. Eine Art des Ausdruckstanzes, ohne feste Form, hinter weißer Schminke. Rudi reist nach Tokio, wo sein Sohn Karl (Maximilian Brückner) ein neues Leben begonnen hat. Auch er wird nichts anzufangen wissen mit seinem sicher biederen, von der Moderne chronisch überforderten Vater. Doch ein junges Mädchen (Aya Irizuki) weist ihm den Weg. Durch den Dschungel Tokios und den der Trauergefühle.
Japan-Fan Doris Dörrie weiß, wie fern sich der Zuschauer von japanischen Traditionen fühlt, und so führt sie ihn bedächtig, stets durch die Augen Rudis gesehen, auf eine merkwürdige kontemplative Reise. Der Film streift mitunter den Abgrund des Kitsches. Doch er fällt nicht hinein. Das ist vor allem Elmar Weppers Verdienst, sein Umgang mit Trauer und Verlust geht unter die Haut.