Schauspielerin im Interview

Claudia Eisinger und die neue weibliche Energie

von Eric Leimann

Die ZDF-Serie "Zarah – Wilde Jahre" erzählt vom Kampf einer Frau um Emanzipation in der Bundesrepublik des Jahres 1973. Ein Thema, das auch heute noch sehr aktuell ist, sagt Hauptdarstellerin Claudia Eisinger.

Die ungewöhnlich konzipierte ZDF-Serie "Zarah – Wilde Jahre" (ab Donnerstag, 07.09., 21 Uhr) zeigt Claudia Eisinger als durchaus biestige Journalistin und Frauenrechtlerin. Eine Figur, die sich dem Zuschauer alles andere als anbiedert. In der machistisch geprägten, bundesrepublikanischen Gesellschaft des Jahres 1973 kämpft Frauenrechtlerin Zarah für Emanzipation und weibliche Selbstbestimmung. Ein Thema, das der 32-jährigen Schauspielerin selbst am Herzen liegt. Eisinger ist gebürtige Berlinerin und Absolventin der berühmten Schauspielschule "Ernst Busch". Nicht nur im Theater, sondern auch in Filmen wie "Mängelexemplar" oder "Wir sind die Neuen" machte sie bisher auf sich aufmerksam. "Zarah – Wilde Jahre" ist Claudia Eisingers erste Hauptrolle in einer TV-Serie.

prisma: Sie sind das Gesicht der Serie. Fühlen Sie Druck, für das Gelingen einer eher ungewöhnlichen Erzählung verantwortlich zu sein?

Claudia Eisinger: Film ist immer ein Gemeinschaftswerk. Meine Verantwortung ist es, Kanal für meine Figur zu sein.

prisma: Zarah ist ein Charakter, der es nicht allen recht macht. Mit einer kämpferischen Emanze wird sich nicht jeder Zuschauer identifizieren können ...

Claudia Eisinger: Ja, natürlich nicht. Das ist doch gut so. Genau so ging es einer Zarah ja auch. Ein Mensch wie Zarah polarisiert. Wenn wir das schaffen, liegen wir genau richtig.

prisma: Haben Sie Angst, dass Kritiker härter mit dieser Serie umgehen, als mit anderen. Eben weil sie den Alltag der Berufsgruppe der Journalisten in den 70-ern zeigt?

Claudia Eisinger: Vielleicht ist das so. Aber ist es interessant, darüber nachzudenken? Ich finde nicht. Ich mache meine Arbeit ja nicht für Kritiker.

prisma: Was müsste man heute tun, um als Kämpferin ähnlich anzuecken wie Zarah in den 70-ern?

Claudia Eisinger: Ich glaube, es ist gar nicht so schwer. Eine Frau, die unzensiert frei ihre Weiblichkeit lebt und sich nicht nach dem richtet, was das gesellschaftliche Bild von ihr erwartet – damit können doch viele Menschen gar nicht umgehen.

prisma: Trotzdem noch einmal die Nachfrage. Früher polarisierten Emanzipations-Kämpferinnen wie Alice Schwarzer extrem. Im Vergleich dazu ist es heute doch gar nicht so einfach, in diesem Kampf überhaupt wahrgenommen zu werden ...

Claudia Eisinger: Es geht darum, neue Wege zu gehen. Was machten denn die Kämpferinnen von damals? Sie gingen in männliche Strukturen und kämpften mit männlichen Methoden. Neu wäre, diese Strukturen und Methoden erst gar nicht anzuerkennen. Sondern einfach das zu leben, was sich wahr anfühlt.

prisma: Wie meinen Sie das?

Claudia Eisinger: Wir leben in einer durch und durch männlichen Welt, wenn es darum geht, wie die Dinge laufen. Frauen, die im klassischen Sinne erfolgreich sind, nutzen fast allesamt männliche Mittel, um zu diesem Erfolg zu kommen.

prisma: Sie meinen Frauen wie Angela Merkel?

Claudia Eisinger: Ja, zum Beispiel. Wenn sich Frauen wie Männer verhalten, schwächt dies das eigentlich Weibliche. Der Dalai Lama sagt, die Welt wird gerettet werden von westlichen Frauen. Ich verstehe immer mehr, was er damit meint. So viele Frauen gehen jetzt voll in ihre Kraft und ihren Ausdruck und in ein neues Bewusstsein von Weiblichkeit. Und wir haben hier tatsächlich auch die Mittel, die alten Strukturen aufzubrechen und neue zu schaffen. Die Welt braucht die weibliche Energie, um wieder in Balance zu kommen.

prisma: Worin besteht diese authentisch weibliche Energie? Welche Gesellschaft würden Frauen kreieren, wenn sie freie Bahn hätten?

Claudia Eisinger: Es geht nicht um männliche oder weibliche Gesellschaft, sondern um die Balance beider Pole. Eine Gesellschaft, in der nicht das eine gegen das andere kämpft, sondern eine Synergie bilden. Die Vision ist für mich eine Gesellschaft, die nicht auf Angst, sondern auf Liebe und Freiheit basiert.

prisma: Sie zeichnen ein sehr positives Frauenbild ...

Claudia Eisinger: Ja, natürlich. Ich habe mit meinem Partner Fabian Joest Passamonte "Wonderwave" gegründet, eine Stiftung die genau dieses neue Lebensgefühl von Liebe und Freiheit in die Welt bringen will. Mit unserer Filmproduktionsfirma kreieren wir dazu die internationale Filmserie "Wonder". Es geht uns um die Grundfrage, wie kann man all die alten Angststrukturen auflösen und in Liebe umwandeln? Wie können wir wirklich frei sein?

prisma: Kennen Sie Ihre eigenen Ängste?

Claudia Eisinger: Oh, ja. Weil ich mich aktiv mit ihnen beschäftige. Lange Zeit fühlte ich mich in meinem Leben von Ängsten jeglicher Art gefangen.

prisma: Welchen Ängsten konkret?

Claudia Eisinger: Ängste, die die meisten Menschen kennen. Existenzangst, Verlustangst, Angst vor Zeit. Die Angst, nicht zu wissen, wer man ist und wo man hin will. Es fällt heute vielen Menschen schwer, einen Platz im Leben zu finden.

prisma: Gibt es denn überhaupt Menschen ohne Angst? Ein bisschen was der genannten Befürchtungen schlummert doch in jedem von uns, oder?

Claudia Eisinger: Ja. Aber man kann sich auf den Weg machen, Angst zu überwinden und sie in etwas anderes zu verwandeln. Das Allerwichtigste ist die Erkenntnis, dass die meisten Ängste aus unseren Gedanken kommen, und das ist fantastisch, weil wir unsere Gedanken verändern können. Es geht darum, sich bewusst zu werden, ob man auf Autopilot lebt und von außen gestaltet wird oder sein Leben bewusst selbst gestaltet.

prisma: Leben Sie lieber in der Gegenwart, oder hätten Sie es reizvoll gefunden, sich in Zarahs Zeit zu bewegen?

Claudia Eisinger: Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich in unserer Zeit leben kann. Ich bin Frauen wie Zarah Wolf extrem dankbar. Es hat sie zwar nicht gegeben, aber diese Figur ist aus vielen verschiedenen Vorbildern zusammengesetzt. Diese Frauen haben unfassbar gekämpft und den Weg geebnet für den Punkt, an dem wir jetzt sind.

prisma: Wo fühlen Sie sich heute ganz konkret als Frau benachteiligt?

Claudia Eisinger: Bei den Gagen und Führungspositionen zum Beispiel. Gagen sind für männliche Schauspieler im Durchschnitt klar höher als für weibliche, und es gibt beispielsweise viel weniger etablierte Regisseurinnen. Überall, wo entschieden wird, sind die Jobs überwiegend männlich besetzt. Dass man 2017 darüber noch diskutieren muss, finde ich absurd.

prisma: Sehen Sie auch die Erfolge der letzten 40 Jahre Emanzipationsgeschichte – also seit jener Zeit, in der "Zarah" spielt?

Claudia Eisinger: Ja, natürlich, unglaublich viel wurde auf den Weg gebracht, hat sich befreit und ist in Bewegung gekommen. Und es ist nur der Anfang. Jetzt geht es weiter!


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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