Hauptrolle in "Götter in Weiß"

Claudia Michelsen kritisiert deutsches Gesundheitswesen

Deutschlands Kliniken gelten im internationalen Vergleich als "verseuchtes Terrain". 800.000 Patienten pro Jahr erkranken hierzulande an Krankenhauskeimen. Ein unfassbarer Skandal in einem der reichsten Länder der Erde, ausgestattet mit einem der teuersten Gesundheitssysteme. Der Film "Götter in Weiß" (Mittwoch, 15. November, 20.15 Uhr, ARD) versucht, die komplexe Problematik hinter den Zahlen in ein TV-Drama zu überführen. Claudia Michelsen spielt eine Chirurgin, die gegen Vertuschung und Missstände an ihrer Provinzklinik aufbegehrt – nachdem eine ihrer Patientinnen auf mysteriöse Weise schwer erkrankt ist. Im Interview spricht die 48-jährige Schauspielerin über Ursachen für die gefährliche Situation an deutschen Krankenhäusern.

prisma: Gingen Sie nach dieser Rolle mit einem unangenehmen Gefühl nach Hause?

Claudia Michelsen: Ich hatte mir bis dato nicht wirklich Gedanken über das Thema Keime gemacht. Dass es hierzulande Missstände in den Krankenhäusern gibt, ist ja bekannt – aber vieles ist nicht wirklich transparent und verursacht dadurch natürlich Unsicherheiten.

prisma: Das eine ist die diffuse persönliche Angst, das andere ein handfester Skandal, von dem dieser Film berichtet. Was genau macht diesen Skandal aus?

Claudia Michelsen: Der Film berührt ein Thema, welches an sich schon skandalös ist. In Deutschland sterben jedes Jahr bis zu 16.000 Menschen an Krankenhauskeimen, 800.000 infizieren sich. Und das sind die offiziellen Zahlen. Wir leben in einem Land, in dem das sicherlich vermieden werden könnte. Ich glaube, wir sind hier nicht in einer Notlage, sondern in einer großen Misslage.

prisma: Nun sind Sie mit dieser Rolle ein wenig in die Hintergründe dieses Skandals eingedrungen. Wo liegen die Ursachen dafür?

Claudia Michelsen: Es ist eine komplexe Gemengelage, was das Ganze natürlich keineswegs entschuldigt. Wir haben vielleicht zu viele Krankenhäuser in Deutschland. Viele von ihnen kämpfen ums Überleben. Deshalb sparen sie in Bereichen, die letztendlich Sicherheit und Wohl des Patienten betreffen. Privatisierung ist ein Problem. Ich bin der Meinung, das Gesundheitswesen müsste sich unter rein staatlicher Kontrolle befinden. Es darf nicht sein, dass Profit in einem hochsensiblen Bereich – wo es um Gesundheit, um Leben und Tod von Menschen geht – die Privatwirtschaft in einen Konflikt zwischen Gewinnstreben und Ethik bringt.

prisma: Gibt es einen Ausweg aus der Misere?

Claudia Michelsen: Es existieren Beispiele aus anderen Ländern. In Dänemark wurde, glaube ich, ziemlich konsequent reformiert. Weniger Krankenhäuser, die aber dafür in allen Bereichen besser ausgestattet sind. Und es scheint große Erfolge zu geben durch diese Veränderungen!

prisma: Haben Sie selbst schon negative Erfahrungen mit deutschen Krankenhäusern gemacht?

Claudia Michelsen: Ich selbst nicht. Es heißt ja auch nicht, dass es nun in jedem Krankenhaus diese Notstände gibt – trotzdem muss dringend etwas verändert werden. Im Zuge der Arbeit an diesem Film kamen auch sehr viele verschiedene Geschichten zu mir.

prisma: Was müsste sich im deutschen Gesundheitswesen konkret ändern?

Claudia Michelsen: Der schlimmste Fehler ist, dass Ärzte, die eine komplexe und verantwortungsvollen Arbeit machen, in einem System arbeiten, in dem sehr viel unnötiger Druck herrscht. Erstrebenswert wäre, dass Ärzte nur nach medizinischen und ethischen Gesichtspunkten entscheiden dürfen. Ein System, in dem man erst gar nicht Gefahr läuft, sich auf Gewinn konzentrieren zu müssen – jedenfalls nicht da, wo es um das Wohl des Einzelnen geht.

prisma: Wie könnte man ein faireres Gesundheitssystem fördern?

Claudia Michelsen: Neben den bereits erwähnten Punkten finde ich jene Zweiklassen-Medizin fragwürdig, die dadurch entstanden ist, dass etwa 70 Millionen Deutsche gesetzlich und die verbliebenen acht bis zehn Millionen privat versichert sind. Auch im Bereich Präventiv-Medizin könnte viel mehr gemacht werden. In Asien beispielsweise gehen die Leute zum Arzt, wenn sie gesund sind. Mit dem Ziel, dass sie gesund bleiben. Ich finde diesen Ansatz sehr gut.

prisma: Haben Sie sich auch medizinisch-handwerklich auf den Film vorbereitet?

Claudia Michelsen: Ich ließ mich mehrere Tage von einer Chirurgin in Bezug auf die richtigen Handgriffe beraten. Die Hände spielen eine große Rolle. Sie sind die wichtigsten Instrumente und sorgen auch für eine andere Körperlichkeit beim Spielen. Unabhängig davon war es wunderbar, wieder mit dem Regisseur Elmar Fischer zu arbeiten. Wir wussten beide, was wir mit der Geschichte, mit unserer stillen Heldin erzählen wollten. Natürlich gibt es dann immer noch Raum für unerwartetes, unbetretenes Land am Drehort. Neugier sollte beim Drehen ein ständiger Begleiter sein.

prisma: Wie lange braucht man, bis man die Instrumente wie ein Profi hält?

Claudia Michelsen: Ich weiß nicht. Das ist sicher individuell verschieden. Ich habe zwei bis drei Tage mit unserer beratenden Chirurgin gearbeitet und fühlte mich danach sicher. Natürlich nur, was die Ausführung und Selbstverständlichkeit der Handgriffe betrifft. Hätte ich in Wirklichkeit Hand anlegen müssen, sähe das alles natürlich anders aus. Da hilft ein solcher Kurzlehrgang nicht wirklich weiter. Film zaubert da schon manches Mal (lacht).

prisma: War es das erste Mal, dass Sie eine Ärztin spielten?

Claudia Michelsen: Nein. Aber ich spielte das erste Mal eine Ärztin, die sichtbar mit Instrumenten arbeitet.

prisma: Haben Sie Hoffnung, dass sich durch den Film etwas ändern wird?

Claudia Michelsen: Ein solcher Film ist ein erster Schritt. Er ist eine Einladung zum gesellschaftlichen Dialog. Insofern hoffe ich natürlich, dass wir etwas in Bewegung bringen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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