Tragikomödie bei Sixx

"Im August in Osage County": Wie eine OP am offenen Herzen

von Andreas Fischer

Sie haben seit Jahrzehnten schmutzige Geheimnisse voreinander, stehen sich in tiefer Abneigung gegenüber oder machen sich das Leben einfach nur zur Hölle, weil sie nichts Besseres zu tun haben: Die Westons sind der beste Beweis, dass ein Familientreffen nicht unbedingt ein harmonisches Vergnügen sein muss. Weil der Vater verschwunden ist, kommt die ganze Sippschaft im Elternhaus irgendwo in Oklahoma zusammen: "Im August in Osage County" (2013), erstmals auf Sixx als Free-TV-Premiere zu sehen, ist eine Operation am offenen Herzen einer Familie in der US-Provinz, die niemand unbeschadet überlebt.

Sixx
Im August in Osage County
Komödie • 05.11.2017 • 23:20 Uhr

Es ist eine Zicke von Mutter, die ihre Kinder zusammentrommelt: Violet heißt sie, ist tablettenabhängig und wird von Meryl Streep gespielt – die für ihre Rolle einmal mehr für den Oscar nominiert wurde (zum 18. Mal!). Ihr Gatte Beverly (Sam Shepard), ein ehemals gefeierter Poet und bekennender Alkoholiker, stellt noch fix eine Haushaltshilfe ein, ist aber nach fünf Filmminuten weg. Violet ist allein, hilf- und ratlos. Und ihre Kinder kommen: Nicht zu Violet, sondern weil sie sich um Papa sorgen.

Vor allem die älteste Tochter Barbara (ebenfalls oscarnominiert: Julia Roberts) macht keinen Hehl aus ihrem Mutterkomplex. Außerdem hat sie nicht nur ihre schwierige Teenagertochter (Abigail Breslin) dabei, sondern auch den getrennt lebenden Ehemann (Ewan McGregor). Barbara ist nicht die Einzige, die ihre eigenen Probleme mitbringt. Jeder, der in Osage County auftaucht, hat etwas zu verbergen oder will etwas verschweigen. Ehrlich ist hier jedenfalls niemand. Weder zu Eltern, Geschwistern, Onkeln und Tanten – aber vor allem nicht zu sich selbst.

Verstörende Einblicke

Tracy Letts hat sein gleichnamiges Theaterstück selbst für die Leinwand adaptiert. Das mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Drama wurde unter dem Titel "Eine Familie" auch auf deutschen Bühnen aufgeführt. Einen Namen hatte sich Letts unter anderen mit den Stücken "Bug" und "Killer Joe" gemacht, die beide von William Friedkin ("French Connection", "Der Exorzist") verfilmt wurden: verstörende Einblicke in eine US-Wirklichkeit voller psychischer und physischer Grausamkeiten. Auch die Weston-Sippschaft, die unter anderem von Benedict Cumberbatch, Julianne Nicholson, Chris Cooper und Juliette Lewis gespielt wird, ist nicht gerade zimperlich im Umgang miteinander.

Tracy Letts legt in seinem Drehbuch Schicht um Schicht dieser durch und durch kaputten Familie frei. Manchmal schürt er kurz Hoffnung auf ein bisschen Menschlichkeit. Doch dass irgendjemand über den eigenen Schatten springt und sich um jemand anderen kümmert als sich selbst, bleibt ein unerfüllter Traum in diesem bitterbösen Gewaltakt von Film.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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