Sozialdrama und schwarzer Komödie

"Eine gute Mutter": Ein Episodenstück, dass in sich zerfällt

von Hans Czerny

Eine Mutter sieht sich überfordert. Nicht so sehr von der Aufgabe, ihre Kinder alleine zu erziehen, sondern vor allem durch das Jugendamt. Mona (Petra Schmidt-Schaller) jedenfalls hinterlässt eine Videobotschaft an die zuständige Frau vom Amt: "Wenn Sie das hier sehen, sind wir tot", sagt sie in die Kamera, "und das ist Ihre Schuld. Sie wollen mir meine Kinder wegnehmen." Und trotzig fügt sie zuletzt hinzu: "Ich bin eine gute Mutter!" Was sich wie ein finsterer Kommentar zum Dilemma alleinerziehender Mütter ausnimmt, ist der Beginn eines Films, der sich zwischen Krimi und Sozialdrama nicht so recht entscheiden kann. Fehlende Liebe jedenfalls wird hier zwischen den Generationen weitergereicht – von den Müttern an die Töchter in diesem Fall.

ARD
Eine gute Mutter
Drama • 01.11.2017 • 20:15 Uhr

Petra Schmidt-Schaller in der Rolle der verzweifelt-depressiven Mutter Mona Doermer weckt dennoch Hoffnung. Denn noch ist bei ihr eine innere Stärke, ein Wille zum Kampf zu spüren. Dass sie wirklich zum letzten Mittel greifen könnte, vermag man nicht so recht zu glauben.

Auch dem erfahrenen "Tatort"-Autor und Grimme-Preisträger Christian Jeltsch muss bei dem Gedanken an den erweiterten Selbstmord unwohl geworden sein. Man ahnt das nicht nur, weil er die Geschichte zu einem guten Ende führt, sondern vor allem, weil er der jungen Mutter eine starke Frauenfigur an die Seite gegeben hat. Fast spiegelbildlich begegnen sich Mona und Greta Burmeester, eine Polizistin (Mina Tander), die des Lebens in ihrem verschlafenen Ostsee-Städtchen überdrüssig ist. Greta bekommt immer Anrufe von den Kollegen, sie solle doch bitte mal wieder ihre Mutter retten. Gretas Mutter, von Judy Winter sagenhaft schrill gespielt, steigt von Zeit zu Zeit gerne in einen Kahn, um sich auf ihre letzte Reise zu betten.

In diesen Momenten wird der sozialdramatische Thriller zur schwarzen Komödie, und man hofft, er könne sich für dieses Genre endgültig entscheiden. Schwarzer Humor am Ostseestrand. Dorthin, an ihren Heimatort, ist Mona nämlich mit ihren Kindern gereist, um sich das Leben zu nehmen. Den traurigen Grund vergisst man als Zuschauer allerdings glücklicherweise über weite Strecken. Dazu sind einfach die Kinder zu lieb und drollig. Mona selbst, von Petra Schmidt-Schaller als Hollywood-Kopie von der hintersten Ecke des Meeres gespielt, macht einen ja einigermaßen atemlos, mit ihrer hochgesteckten Vorstadt-Frisur, dem himmelblauen Wolken-Minirock, dem satten Lidstrich und der salopp getragenen Henkeltasche. So hat man den "Tatort"-Star noch nicht gesehen.

Aber insgesamt wirken sie halt wie das Personal eines eilends zusammengfügten Theaterstücks: die Frauen, denen die Mutter keine Liebe gegeben hat, die Polizistin, die schwanger wird und zugleich ihre Beförderung nach Berlin erhält. Ihre eigenen Mütter, die einander in ihrer abweisenden Härte bis zum Klischee hin ähneln. Dazu Axel Milberg als bauchiger Pensionswirt, der fremde Gäste mit der Kamera durch den Klimaschlitz beäugt und dann beichtet, dass ihm dieses Verhalten ein Trost für seine Einsamkeit gewesen sei. Der örtliche Pfarrer, der sich beharrlich aufdrängt, um Mona zu trösten, nachdem ihr kleiner Sohn entlaufen ist, wurde in diese Schar noch gar nicht aufgenommen.

So wird aus diem Film immer mehr ein Episodenstück, das in seine Patchworkteile zerfällt. Am Ende weiß keiner mehr so recht, wohin das führen sollte. Und Judy Winter geht wieder ins Wasser. Sie will weg – einfach nur weg. Der Zuschauer auch.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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