Film zum "Lutherjahr" im ZDF

"Zwischen Himmel und Hölle": 160 Minuten Düsternis

von Wilfried Geldner

Noch ein Lutherfilm – gefühlt der 20. des Genres. Unvergessen natürlich, wie sich 2003 ein Joseph Fiennes redlich mühte, die Vita des Reformators anschaulich auf die Leinwand zu bringen. Doch wieder einmal bemängelten die Kritiker seinerzeit, es habe eine rechte Story, ein roter Faden gefehlt. Alles sei zu sehr am Abhaken der Fakten hängengeblieben. Erweckung, Thesenanschlag, Reichstag zu Worms, Wirken auf der Wartburg, und so fort. Jetzt wird die Causa in einem neuen ZDF-Film mit Maximilian Brückner in der Hauptrolle noch einmal ganz anders, von den Rändern her erzählt. Denn: Luther war nicht allein, und die brennende Frage war: Reformation oder Revolution? – Das sind die griffigen Thesen des Lutherfilms "Zwischen Himmel und Hölle", der zwischen den Jahren des Thesenanschlags von 1517 und der blutigen Niederschlagung des Bauernkriegs 1525 spielt und nun als einer der zentralen Beiträge des ZDF zum "Lutherjahr" ausgestrahlt wird.

ZDF
Zwischen Himmel und Hölle
Drama • 30.10.2017 • 20:15 Uhr

Glaubt man dem Film, der mit vielen Fakten künstlerisch freizügig umgeht, um zum Kern seiner Thesen vorzustoßen, dann war Luther nicht nur indirekt an der grausamen Niederschlagung des Bauernkriegs beteiligt, sondern befeuerte sie geradezu durch sein Ansinnen an den Fürsten. Merkwürdig ausführlich wird der Aufständler und anfängliche Reformator Thomas Müntzer, allgemein immer noch als "Wiedertäufer" bekannt, auf den Schild gehoben. Jan Krauter spielt ihn, und man hört zu Beginn des Films seine einführende Stimme aus dem Off.

Fiese Ratten im Gefolge

Als Wanderprediger tingelt er mit seinem Mönchslehrling (Maximilian Ehrenreich), um ausgerechnet in jenem Kloster anzudocken, von dem aus der Ablasshandel und damit die Geldschneiderei der Kirche die ärgsten Blüten trieb. Armin Rohde macht in einer drastischen Szene den After-Tetzel, bei dem hier zwar die Seele "in den Himmel springt", statt "aus dem Fegefeuer", wenn "das Geld im Kasten klingt". Doch er ist ein feister Schreckensmann unter Feuer und Dampf, fiese Ratten im Gefolge. Der Mann gibt mehr als nur eine Ahnung davon ab, wie finster die Zeiten damals waren.

Überhaupt geht's nicht sehr zimperlich zu in diesem angemessen düsteren Film, der offensichtlich viel mehr als nur braves Begleitmaterial zum Konfirmantenunterricht sein will. Nur wenig später wird einer Nonne im Kloster der Teufel ausgetrieben und ihr von der Äbtissin ein glühendes Kreuz auf die Brust gepresst. Nicht ganz so stark haben sich dagegen die Szenen zwischen dem mächtigen Geldgeber Fugger (Peter Lerchbaumer) und seinem Schuldner, dem zum Kurfürsten ernannten Herrn Erzbischof (Joachim Król) eingeprägt. Geldräuber und marodierende Revoluzzer gehen um, da kann der Zins gar nicht hoch genug sein für den von seiner Buhlschaft umhegten geistlichen Herrn, der später Martin Luther auf dem Reichstag in Worms dazu bringen will, seinen Thesen abzuschwören.

Dort gähnt der junge Kaiser in seinem Sessel gelangweilt ob der theologisch-moralischen Ablass-Querelen. Ein Niederländer, wie der naturgetreue Akzent verrät. Fast hätte es ihm der Zuschauer gleichgetan – wäre da nicht wieder der fiese Erzbischof gewesen. Król macht aus der Rolle einen wahren advocatus diaboli, einen gefährlichen Inquisitor, der denn auch Luthers Ächtung durch den Reichstag erreicht.

Von Anfang an werden Luther die gelehrten Wittenberger Kollegen Bodenstein (Johannes Klaußner) und Spalatin (Fabian Hinrichs) beigegeben. Doch mehr als Stichwortgeber sind sie bei der Wortfindung der 95 Thesen nicht, wobei auch der Maler Lukas Cranach (Christoph Maria Herbst) als Druckleger der Schrift eine Randrolle spielt, um Farbe zu geben. So richtig in Schwung kommt der Film erst durch die Frauen, durch Katharina von Bora (Frida-Lovisa Hamann) und vor allem Müntzers Frau Ottilie von Gersen (Aylin Tezel). Bei ihnen geht deutlich mehr über das Herz als über den Verstand – ein Glück, da sich die Losungen und Dispute merklich um sich selber zu drehen beginnen. Wenn Luther dann auch noch eine ganze Ladung entlaufener Nonnen zum Blind-Date mit alleinstehenden Pfarrern zwingt, bekommt die etwas anämische Geschichte noch einmal modernen Drive – oha.

Die schreckliche Stille des Schlachtfelds

Und wie schlägt sich Maximilian Brückner eigentlich als Luther? – Er gibt dem Reformator durchaus Kraft und Frische. Man glaubt ihm die Gedanken von Freiheit, Gottesfurcht und -liebe, die er, mehr skrupulös als von Selbstsicherheit beseelt, unter die Leute bringt. So richtig kraftvoll zeigt er sich erst, als er auf Müntzer und seine umstürzlerischen Banden schrecklich wütend ist. Da wird auch der sonst so brave Bayer vom Furor gepackt. Umso eindrucksvoller dann die schreckliche Stille des Schlachtfelds von Frankenhausen, wo tausende Bauern umgekommen sind. Überall die Schatten des Todes und ein Baum, in dem die Gehenkten baumeln.

Luther aber, der den schrecklichen Untergang des Gerechtigkeitsfanatikers Müntzer eifrig mitbefördert hat, wird seine Katharina heiraten. Schlechten Gewissens zieht er hinter sich und ihr die Türe der Schlosskirche von Wittenberg zu. Ein stimmiges Bild zum Schluss.

Doch am Ende der langen 160 Minuten wird man den Eindruck nicht los, es habe gegolten, sich vom Mainstream zwanghaft abzusetzen und keinen weiteren Luther-Durchschlag abzuliefern. Entstanden ist ein breites Gemälde, vom Regisseur Uwe Janson an kargen Schauplätzen geschickt in Szene gesetzt. Es poltert und luthert glücklicherweise nicht im Drehbuch (Stefan Dähnert und Marianne Wendt), das schon. Doch auch hier fehlt wieder einmal der berühmte rote Faden. Im Dienste der Idee bleibt häufig das Erzählerische, bleibt zu häufig die Spannung auf der Strecke.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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