Jessica Biel überzeugt

Netflix-Serie "The Sinner": Ein Mord am hellichten Tag

von Andreas Fischer

Ein Tag am Strand, die Sonne scheint, das Kind ist fröhlich. Und die Mutter? Die schnappt sich das Obstmesser, läuft ein paar Schritte und ersticht mit großer körperlicher Vehemenz einen jungen Mann. Vor aller Augen. Das "Wer?" ist in "The Sinner", einer Serie, die auf dem Roman "Die Sünderin" der deutschen Autorin Petra Hammesfahr basiert, nach einer Viertelstunde geklärt. Für das "Warum?" nimmt sich der Mysterythriller ab 7. November 2017 bei Netflix acht Episoden lang Zeit.

Den Mord hat man nicht kommen sehen, auch wenn die von Jessica Biel ("Eine himmlische Familie", "Das A-Team – Der Film", "Total Recall") gespielte Mörderin Cora Tannetti in der ersten Viertelstunde der Serie als Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs eingeführt wird. Sie ist der Welt entrückt und will sich im See ertränken, bevor sie zum Messer greift. Irgendetwas an ihrem Opfer, der sich mit seiner Freundin vergnügt, hat sie durchdrehen lassen.

Alltäglicher Horror

Es sind die psychischen Abgründe einer scheinbar normalen Mittelstandsfrau, für die sich Serienschöpfer Derek Simonds interessiert und die in den ersten drei Episoden von Regisseur Antonio Campos mit zurückhaltender Eindringlichkeit inszeniert werden. Er verzichtet auf Knalleffekte, lässt lieber Hauptdarstellerin Jessica Biel jeden Raum, den sie braucht, um Coras geschundene Seele erfahrbar zu machen.

In Verhören mit Detective Harry Ambrose (Bill Pullman, "Lost Highway", "Independence Day") und Rückblenden erfährt man vom alltäglichen Horror, der sich in ganz normalen Familien ausbreiten kann. Aus Zwängen und Obsessionen, aus Frömmigkeit und Quälereien setzt sich das Puzzle einer Frau zusammen, die jedermanns Nachbarin sein könnte.

Jessica Biel darf ihr Potenzial zeigen

Psychologische Rätselspiele, wie sie in "The Sinner" gelöst werden müssen, mögen nicht ganz neu sein in Film und Fernsehen. Was die Netflix-Serie vielmehr auszeichnet, sind zu einen die Raffinesse und die Unmittelbarkeit, mit der Cora Tannetti porträtiert wird.

Zum anderen ist es die clevere Struktur, mit der die Geschichte erzählt wird: Falsche Fährten sind kein dramaturgischer Hokuspokus, sondern folgen der inneren Logik der zutiefst verstörten Protagonistin. Ganz abgesehen davon, dass Jessica Biel endlich einmal ihr Potenzial als Schauspielerin zeigen darf, das viel weiter gefasst ist als das Label "Sexiest Woman Alive".


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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