Corona-Krise

Ärzte-Chef schimpft bei "Maybrit Illner" über "Peinlichkeit für unser Land"

Bei Maybrit Illner und Anne Will diskutierten Experten und Politiker am Sonntag über das Coronavirus. Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärztebunds, kritisierte das Meldesystem der Fälle in Deutschland.

Es gibt wenig, das es derzeit neben dem Coronavirus in die Nachrichten schafft. Auch im ZDF-Talk "Maybrit Illner", das normalerweise donnerstags läuft, trafen führende Vertreter von Politik und Gesundheitswesen zu dem alles überlagernden Thema in einer Sondersendung aufeinander. So trat Illner in diesen informationshungrigen Zeiten gegen "Anne Will" im Ersten an, um zu erörtern, wie angemessen die Maßnahmen und Restriktionen in Deutschland hinsichtlich der Pandemie sind, und wie es weitergehen soll. Zu Gast waren Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die Psychologin Ulrike Lüken, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, zugeschaltet der in Quarantäne befindliche Moderator Johannes B. Kerner und Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärztebundes. Vor allem Letzterer machte seinem Unmut Luft.

Am Rande der Debatte über die Corona-Krise fand am Sonntag zudem eine Art "Fernduell" statt: Während Armin Laschet bei "Maybrit Illner" saß, diskutierte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder via Screen bei "Anne Will" im Ersten. Zuvor hatte es Meldungen gebeben, dass sich die beiden Politiker bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten in die Haare bekommen hätten, da die Maßnahmen der Ausgangsbeschränkungen für Bayern ohne Absprache passiert seien. "Wir greifen seit Wochen massiv in Grundrechte ein", sagte der Landeschef Nordrhein-Westfalens bei Illner. Das lohne "ein paar Gedanken einmal mehr". Entscheidend sei am Ende, "dass die Bürger sehen, in ganz Deutschland haben wir das gleiche Ziel und arbeiten zusammen". Es sei aber bei den Besprechungen am Sonntag "nicht laut", sondern lediglich "engagiert diskutiert" worden.

In einem zuvor geführten Interview mit Markus Söder, das während der Sendung eingeblendet wurde, erklärte sich der bayerische Landeschef mit den Worten: "Man muss manchmal handeln und die Unervünftigen zu ihrem Glück zwingen." Es sei einfach notwendig gewesen, schnell zu entscheiden. "Jeder Tag, den man zögern, ist ein Tag zu viel." Da gehe es um Leben und Tod und nicht um "Stil- oder Haltungsnoten". In einer Sache sind sich der bayerische und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident einig: Die wenigen Unvernünftigen müssen Sanktionen spüren. Armin Laschet plädierte in der Sendung dafür, nicht nur schnell, sondern der Abschreckung wegen auch öffentlichkeitswirksam durchzugreifen. Von harten Kontaktsperren halte er aber wenig.

Kontaksperren ja, Ausgangssperren nein

Auch Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärztebunds und Ehrenpräsident der Bundesärztekammer, ist sich mit Blick auf die Nachbarländer Italien, Spanien und Frankreich sicher, dass "die harte Ausgangssperre nichts bringt". Sie bringe nur Probleme mit sich, denn: "Sie müssen erst mal sagen, was Sie mit denen machen, die sie brechen. Schicken Sie jetzt die Polizei hinter denen her? Zweitens: Wie kommen Sie aus der Ausgangssperre vernünftig und rational begründet wieder raus? Und drittens befürchte ich so etwas wie einen Lagerkoller, wenn die Leute zu lange eingesperrt sind. Wir müssen auch das berücksichtigen. Und viertens: So etwas gibt auch deutlich radikaleren Menschen in unserer Gesellschaft Auftrieb: 'Die wollen euch da einsperren. Wir bieten euch das Heil.' Deswegen finde ich es aus diesen vier Gründen gut, Kontaktsperren zu machen. Aber keine Ausgangssperren."

Montgomery war es auch, der sich bei Maybrit Illner besonders darüber echauffierte, dass die Coronafälle nicht direkt an das Robert-Koch-Insitut gemeldet werden müssen, sondern den Umweg über die Landesbehörden der einzelnen Bundesländer zu gehen haben. "Dass wir uns bei allen Zahlen auf eine amerikanische Universität verlassen und das Robert Koch-Institut zwei Tage hinterherhinkt, ist eine Peinlichkeit für so ein gut entwickeltes Land und auch für das Robert Koch-Institut, das nichts dafür kann." Der Ärztchef forderte daher, Direktmeldungen der Fälle ans RKI einzurichten. "Das Coronavirus wird uns bis zum Vorhandensein einer Impfung begleiten. Das wird nächstes Jahr sein."

Was rät die Psychologin Ulrike Lüken in diesen unsicheren Zeiten? "Es ist immer gut, auf Sicht zu fahren – von Basislager zu Basislager." So könne man immer neu die aktuelle Lage einschätzen und flexibel bleiben bei den Maßnahmen. Armin Laschet forderte ein Gleichgewicht zwischen Konzentration auf die gesundheitliche sowie die wirtschaftliche Lage, denn "die große Gefahr ist, dass wir in eine 10- bis 15-jährige Krise rutschen".


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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