"Der Amsterdam-Krimi"

Tod im Hafenbecken" – Für Amsterdam ist erst am Ende Platz

von Wilfried Geldner

Ein Whistleblower wurde ermordet, deshalb wird der deutsche Ermittler Pollack wieder nach Amsterdam gerufen. Der tote Journalist wollte offenbar eine Reihe brisanter Daten veröffentlichen.

ARD
Der Amsterdam-Krimi: Tod im Hafenbecken
Krimi • 04.06.2020 • 20:30 Uhr

Wer auf romantische Grachten, Brücken oder Coffeeshops hofft, muss sich bei "Tod im Hafenbecken", dem dritten "Amsterdam-Krimi" der ARD mit Hannes Jaenicke als reisendem Ermittler vom LKA Düsseldorf und seinem Amsterdamer Kollegen Bram de Groot (Fedja van Huêt), lange gedulden. Dann gibt's Nachschlag mit viel Lokalkolorit und süffigen Nachtaufnahmen. Bis dorthin wird allerdings viel im Digitalen gesurft und gehackt. Es gilt den Mord an einem investigativen Journalisten aufzuklären. Dass der Whistleblower mit den Millionen Followern im Netz aus Deutschland kommt, taugt einerseits als Motiv für Pollacks Einsatz, andererseits befindet sich jenseits der Grenze auch die Quelle des Skandals.

Fast bekommt man ein wenig Mitleid mit dem von der Geliebten verlassenen Pollack (Jaenicke), wie er so einsam in seinem Düsseldorfer Keller sitzt, wegen Ungehorsams im Dienst und Kompetenzüberschreitung verurteilt zum Technik-Sortieren – im Anblick einer Ratte übrigens vor dem Kellerschacht. Weil ihn der Kollege aus Amsterdam dringend zur Aufklärung des Journalistenmordes ordert, lässt er sich krankheitshalber vom Dienst befreien. In Amsterdam stellt ihm der Freund und Kollege de Groot, ein Mensch, der wahrhaft in sich selber ruht, den erforderlichen Ausweis samt einer Dienstwaffe aus.

Ach, wenn es doch so analog auch weiterhin bliebe – auch die Aufnahme in der Familie des Kollegen de Groot ist wirklich nett. Doch die Freundin des toten Journalisten, Femke Pieters mit Namen, weist sehr bald den Weg in die Untiefen des Internets, stellt sie sich doch als Mitarbeiterin einer Steuerkanzlei heraus, die deutschen Konzernen über den Umschlagplatz Holland massenhaft zur Steuerhinterziehung verhilft. Und, ja, sie hat offensichtlich dem toten Whistleblower zu einer Latte von Daten verholfen, die dieser veröffentlichen wollte, bevor der Mörder kam. War Femke auf der Seite des Journalisten, mithin der Steuergerechtigkeit? Oder wurde sie gar eingesetzt, um ihn dingfest zu machen?

Müßige Fragen, denn alsbald werden den braven Ermittlern alle Unterlagen aus der Hand genommen. Eine staatskonforme "Wirtschaftskriminalpolizei" rückt an, um Ungemach für die Großkunden der Kanzlei zu verhindern. Schade, dass so viel Digitalgeschwurbel folgt, man müsste eigentlich schnell noch einen Informatikgrundkurs belegen, um all die fantastischen Hackertricks und Webcam-Wunder als eher unwahrscheinlich zu enttarnen. Anstrengend und auch ein wenig schade um Hannah Hoekstra, die als Journalistenbraut mit bewundernswerter Geduld ihren Holland-Akzent so schön zum Besten gibt, dass man den Rest fast vergessen kann.

Beim Länderspiel sind wir dann auch ganz auf ihrer Seite, Jaenickes LKA-Figur erscheint uns doch zu omnipotent. Der weiß alles und die welt- und steuerpolitische Lage kennt er sowieso bestens. Und wenn er mal nichts weiß, dann quetscht er es eben mit bravem Hundeblick aus seiner braven Zeugin heraus. Wo bleibt der Städtekrimi, das Amsterdamer Lokalkolorit? – Es wird hier nach der digitalen Parforcetour noch pfundweise nachgereicht. Amsterdam und Umgebung aus allen Lagen: Windmühle mit Krautfeldern, Grachtenbrücken, Hafen – das alles zu ebener Erde und aus der Luft. Wirklich schöne Bilder (Regie: Peter Stauch), die allerdings wirken, als habe man in den 80 Minuten zuvor einfach keinen Platz für sie gefunden. Allzu vernarrt war offensichtlich der Autor Peter Koller (alle Amsterdam-Krimis) in seinen Hackerplot. Zum wahren Wirtschaftskrimi reicht es dennoch nicht.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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