Film in der ARD

"Der Maulwurf – Ein Detektiv im Altersheim": faszinierendes Filmprojekt

von Eric Leimann

Ein 83-Jähriger soll als Privatdetektiv in einem Altersheim ermitteln. Der schlimme Verdacht: Die Bewohner dort werden missbraucht. Die Mischung des Films ist gewöhungsbedürftig, aber sehr interessant.

ARD
Der Maulwurf – Ein Detektiv im Altersheim
Drama / Dokumentarfilm • 08.07.2020 • 22:45 Uhr

Man muss sich schon ein wenig an die eigene Ästhetik dieses Films, der 2020 auf dem berühmten Sundance-Festival lief, gewöhnen. Sind es dokumentarische Bilder, die man da sieht? Oder ist alles nur "gestellt"? Alte Männer zwischen 80 und 90 Jahren – sie haben sich auf eine Anzeige gemeldet – stellen sich bei einem Privatdetektiv für einen Job vor. Sie reden Spanisch, ein deutscher Sprecher übertönt mit seiner Übersetzung den Originalton dieses Zwitterwesens aus Dokumentarfilm und skurrilem Detektiv-Drama. Witwer Sergio, 83, bekommt den Job. Bald zieht er in ein unscheinbar wirkendes Heim ein. Die Auftraggeberin des Privatdetektivs ist die Tochter einer Heimbewohnerin. Diese beschwert sich darüber, misshandelt zu werden.

Zunächst muss Ex-Polizist und Privatdetektiv Rómulo viel Geduld mit seinem neuen Angestellten aufbringen. Sergio ist zwar liebenswürdig und immer noch scharfsinnig, doch mit "Ermittlungstechnik" hat er es nicht so. Selbst Filmen und Telefonieren mit dem Smartphone stellt ihn bereits vor größere Probleme. Dafür gewinnt der "Maulwurf" schnell das Vertrauen seiner neuen Mitbewohner. Lange, manchmal nicht enden wollende Tage werden mit Gesprächen gefüllt, in denen mehr und mehr das Gefühl einer großen Einsamkeit und des Abgeschobenseins präzise herausgearbeitet werden. Die Zustände im Heim erscheinen indes "unauffällig". Geht es hier tatsächlich um etwas anderes als um Vernachlässigung oder sogar den Missbrauch von Pflegebedürftigen?

Die vielfach preisgekrönte chilenische Regisseurin Maite Alberdi ("Los niños – The Grown-Ups"), Jahrgang 1983, setzt bei ihrem Film, der mit deutschem Geld des SWR entstand, auf einen interessanten Crossover-Stil zwischen Dokumentarfilm und Spionage-Thriller. Sicher erinnern die deutsch "übersprochenen" Dialoge ein wenig an eingedeutschte Billigdokus über amerikanische Hundebabys oder schnell verständlich gemachte, ausländische Dating-Shows. Tatsächlich verbirgt sich hinter der leicht trashigen Anmutung ein faszinierendes Filmprojekt denn alle Personen hier sind echt: die Heimbewohner, der alte Sergio und sogar der Privatdetektiv. Filmemacherin Alberdi absolvierte bei ihm ein dreimonatiges "Praktikum" auf der Suche nach einem interessanten Fall, über den man einen Film machen könnte.

Der Auftrag der Tochter, die mehr über das Leben ihrer alten Mutter im Heim wissen wollte, kam wie gerufen. Alberdi filmte den Casting-Prozess der Senior-Detektive und auch Sergios Ankunft im echten Heim. Damit man sich dort nicht über die Anwesenheit von Kameras wunderte, begann man bereits drei Wochen vor dem Einzug des Neuankömmlings mit dem Filmen – unter der Deckmantel-Story, man wolle die Ankunft eines neuen Mitbewohners dokumentieren. "Der Maulwurf – Ein Detektiv im Altersheim" arbeitet indes ein globales Problem heraus, welches in der Übersetzung zwischen südamerikanischer und deutscher Gesellschaft keineswegs an Kraft verliert: Es ist traurig, wie alte Menschen in ereignislose Wartezonen auf den Tod abgeschoben werden. Dass Protagonist Sergio diese Trauer in sensiblen Gesprächen herausarbeitet, ist eine der größten Stärken des anrührenden Films.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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