Mit Iris Berben und Moritz Bleibtreu

"Die Protokollantin" erzählt von einer abgründigen Welt

von Denis Demmerle

Was Verbrechen mit Menschen macht: Davon erzählt eine neue ZDF-Serie, die gerade in Berlin gedreht wird. Ein Gespräch mit Iris Berben und Moritz Bleibtreu, den Stars von "Die Protokollantin".

Sie kennen sich ewig. Der elfjährige Moritz Bleibtreu schwärmte einst als Kind für Iris Berben, die gute Freundin seiner Mutter, der Schauspielerkollegin Monica Bleibtreu. Die Berben sei "hot" gewesen, schmunzelt Bleibtreu lausbübisch wie unnachahmlich und erinnert sich an die Zeit zurück. In der neuen ZDF-Krimi-Serie "Die Protokollantin" spielt Bleibtreu (45) Jo, den viel jüngeren Bruder der LKA-Protokollantin Freya Becker, die von keiner Geringeren als Iris Berben (66) verkörpert wird. Die hochgehandelte Produktion von Oliver Berben, dem Sohn der Starschauspielerin, wird gerade in Berlin realisiert - kein Dreh wie jeder andere, versteht sich.

Diese Freya ist eine ziemlich biedere Frau, der das Leben übel mitgespielt hat. Vor elf Jahren verschwand ihre Tochter Marie spurlos, ehe die Teenagerin gegen einen Zuhälter aussagen konnte. Der wurde trotzdem verurteilt, kommt aber nach verbüßter Strafe bald frei, wovon sie neue Hoffnung für ihre Suche nach der Wahrheit nährt. Die Suche war lange das Einzige, was sie am freudlosen Leben hält, ein Leben, an dem neben ihrem kleinem Bruder Jo kaum noch jemand teilhat.

Bis zu sechs Millionen Euro für fünf Episoden

Am Set in Berlin-Dahlem, tummelt sich nahe Thielplatz statt Studierender der FU Berlin ziemlich geschäftig ein Filmteam der "Protokollantin", wie üblich in einem kleinen Dorf aus Trucks, Wohnwagen und Zelten. An diesem 46. Drehtag geben die Macher erstmals Einblicke in die Serie, die für ihre fünf Episoden (à 60 Minuten) einen beachtlichen Gesamtetat von fünf bis sechs Millionen Euro ausweist und damit beispielsweise knapp über dem Niveau eines "Tatort"-Krimis anzusiedeln ist.

"Die Protokollantin" erzählt episodisch die tragische Geschichte, die Autorin und Regisseurin Nina Grosse anhand der Vorlage von Krimiromanautor Friedrich Ani ("Tabor Süden") entwickelt hat. Ani begeisterte einst Oliver Berben mit einer Geschichte einer echten Protokallantin. Oliver Berben dachte sofort an Grosse, die das "Projekt zum Leben erweckte, an dessen Beginn nur die Figur Freya Becker stand", erinnert sich der Produzent. "Nina Grosse hat die Formatidee und ihre Welt geschaffen." Entscheidender Unterschied zu Anis Vision: Grosse extrahiert aus dem komödiantisch angelegten Stoff das Drama der Freya Becker mit Elementen des Krimis.

Ihre Leitidee war die Frage: "Was macht es aus einer Frau, wenn sie täglich und über Jahre mit Gewalt konfrontiert wird?", so Grosse. Eine Frage, die leicht abgewandelt relevant für all ihre ambivalenten Figuren ist, da multiperspektivisch über sie und ihren jeweiligen Part in der "Protokollantin"-Geschichte erzählt wird. So ziehen die Macher ihre Zuschauer mit diesen ganz unterschiedlichen Handlungssträngen in die verschiedenen Milieus Berlins hinein, in denen die charismatischen Protagonisten wirken.

Iris Berben, Grande Dame des deutschen Film, fasziniert "ihre" Freya Becker. "Sie ist eine graue Maus, ein Mensch, der nicht wahrgenommen wird." Übrigens so grau, dass Fernsehzuschauer den Beruf auch nicht aus anderen Krimiformaten kennen, in "Tatort" und Co. werden Protokollanten nicht erzählt. Freyas Lebensaufgabe besteht darin, sich als Protokollantin "die abscheulichsten Verbrechen, Lügen und Zusammenbrüche anzuhören", so Iris Berben.

"Ich nehme die Verbrechensbekämpfung anders wahr"

Der Blick auf das Leben der Figur verändert auch das eigene. "Höre ich von Verbrechen, bin ich nun nicht mehr nur auf der Seite der Opfer, sondern auch bei den Ermittlern, die sich mit Gewalt oder Pornografie auseinandersetzen müssen", sagt Berben mit wohl gewogenen Worten. "Ich nehme die Verbrechensbekämpfung anders wahr. Das sind Berufe, die etwas mit den Menschen machen." Eine abgründige Welt öffnet den Zuschauern ihre Pforten.

Ihr Kollege Moritz Bleibtreu betont, dass es diese neuen Serienformate sind, die für einen wie ihn, der sich eigentlich vom Fernsehen fern hält, seine Bereitschaft Rollen wie die des Jo zu übernehmen, ändern. "Diese Serien ermöglichen es den Machern", so Bleibtreu, "so lange zu erzählen wie nötig". Die US-Serie "Breaking Bad" habe für ein Umdenken gesorgt. "Das war der Startschuss für alles", meint Bleibtreu, der gerne eine "Figur wie Walter White spielen" würde und Serien machen möchte, die andere Akzente setzen: "Toll an den neuen Serien ist, dass die Figuren aus sich selbst agieren dürfen." So entstehe Spannung auf anderen Ebenen und Intensität, die nicht nur auf der eigentlichen Handlung beruht.

Ausstrahlung an fünf Samstagen

Interessant wird die Auswertung der Mini-Serie im nächsten Jahr. Wichtig war den Machern um Produzent Oliver Berben, dass das ZDF ein passendes Umfeld für "Die Protokollantin" findet - nämlich fünf aufeinanderfolgende Samstage, in denen die Produktion um 21.45 Uhr an einen Krimi im Hauptprogramm anschließt und nicht etwa an eine Show. Gleichzeitig spielt die Onlineauswertung und die daraus entstehenden Möglichkeiten eine wichtige Rolle in den strategischen Überlegungen.

Die ebenfalls von Oliver Berben - übrigens auch mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle - für das ZDF produzierte Reihe "Schuld" (nach Ferdinand von Schirach), feierte in der Mediathek ihre Vorpremiere und war bereits zwei Wochen vor Sendetermin im Fernsehen komplett verfügbar. Die Strategie entpuppte sich als Erfolg, da sich so schon vorab Fans fanden und über die Serie und ihre Vorzüge im Freundeskreis berichteten. Gleichzeitig eine Methode, die das Produkt für weitere jüngere Zielgruppen interessant macht, die sonst eher bei den Streamingdiensten selbstgewählte Programme abseits der klassischen Sendeschemata konsumiert.


Quelle: teleschau - der mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren