Henriette Richter-Röhl im Interview

"Reality-TV-Shows sind ein Ausverkauf von Menschen"

von Anke Waschneck

Sie hat ein Stückchen Serien-Geschichte geschrieben: Henriette Richter-Röhl mag wohl vielen noch im Kopf sein, als Laura Mahler, die gemeinsam mit Alexander (Gregory B. Waldis) das "Sturm der Liebe"-Traumpaar in der ersten Staffel war. Das ist schon über zehn Jahre her, die heute 36-Jährige hat eine fantastische Karriere hingelegt und spielt inzwischen andere Rollen: "Sobald man sich selbst die junge Geliebte oder das naive Mädchen nicht mehr glaubt, sollte man es so oder so auch nicht mehr spielen", erklärt sie im Interview.

In der neuen ARD-Familienreihe "Weingut Wader" (Auftakt am Freitag, 2. November, 20.15 Uhr) gibt sie nun eine Biowinzerin und Erbin des Grundes. Statt einer hitzigen Liebesgeschichte warten Papierkram und ein Erbstreit auf sie. Henriette Richter-Röhl begrüßt es im Interview klar, dass die öffentlich-rechtlichen Sender auch in der Fiktion vielfach Position beziehen und Gesellschaftskritik äußern, und erklärt, warum sie nie in eine Reality-TV-Show gehen würde – auch, wenn ihr Mann, Walter Unterweger, im Jahr 2000 bei "Big Brother" teilnahm.

prisma: Sind Sie Weinkennerin?

Henriette Richter-Röhl: Nein. Das würde ich nie von mir behaupten. Zwar habe ich für meine Rolle der Winzerin sehr viel über Wein gelernt und kann jetzt deutschen von französischem oder spanischem Wein unterscheiden, aber würde ich zu einer Blindverkostung gehen, würde ich mich immer noch blamieren.

prisma: Sie haben sich also nur für die Rolle mit Wein auseinandergesetzt?

Richter-Röhl: Ich habe schon immer gerne Wein getrunken (lacht). Im Rahmen von "Weingut Wader" habe ich viele Winzer kennengelernt und wirklich gestaunt. Wein herzustellen ist eine Kunst. Gerade Winzer auf kleinen Gütern stecken ihre ganze Seele und Leidenschaft in ihren Beruf. Das hat mich tief beeindruckt.

prisma: In "Weingut Wader" sind Sie Biowinzerin. Achten Sie privat darauf, Bioprodukte zu kaufen?

Richter-Röhl: Ich glaube, in meiner Generation ist es fast normal, regionale und lokale Produkte zu kaufen. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten für uns Konsumenten, Macht auszuüben. So können wir bestimmen, wem wir unser Geld geben. Bio ist nicht mehr zwingend teuer, und gerade bei tierischen Produkten wie Fleisch, Eiern oder Milch ist Qualität sehr wichtig.

prisma: Wie bringt man andere Menschen dazu, ebenfalls bewusst einzukaufen?

Richter-Röhl: Man kann den Leuten nur etwas vorleben und mit gutem Beispiel vorangehen. Ich habe gemerkt, dass es nicht funktioniert, andere zu belehren. Auch ich möchte die Welt zu einem besseren Ort machen, aber das geht nicht in allen Bereichen.

prisma: Müssten Filme solche gesellschaftskritischen Themen öfter aufgreifen?

Richter-Röhl: Ich finde, das wird bereits viel gemacht. Die öffentlich-rechtlichen-Sender haben immer wieder tolle Dokumentationen im Programm. Aber man darf nicht unterschätzen, dass auch in der Fiktion die gesellschaftskritischen Themen präsent sind. Vielleicht nicht gerade am Freitagabend, aber beispielsweise in den Krimiformaten. Da geht es nicht um Taschendiebstähle, sondern um relevante und aktuelle Geschehnisse, die uns beschäftigen. Da kommen die Öffentlich-Rechtlichen definitiv ihrer Verpflichtung nach.

prisma: "Weingut Wader" ist demnach nicht nur Unterhaltung?

Richter-Röhl: Die Konflikte, die sich in dem Familiendrama abspielen, sind ja auch irgendwo gesellschaftlich relevant. Ich finde es enorm wichtig, dass man in der eigenen Familie gut auskommt und einen stabilen Rückhalt hat. Nur so können Menschen in die Welt hinausgehen und versuchen, sie zu ändern. Aus einer kaputten Familie kommen selten gute Leute. Außerdem legt "Weingut Wader" einen besonderen Fokus auf die Emotionen der Figuren. Wir haben sie unter ein Vergrößerungsglas gelegt. Ich finde, die Reihe hat große emotionale Wucht.

prisma: Apropos Emotionen: Verfolgen Sie noch ehemalige Projekte, wie zum Beispiel "Sturm der Liebe"?

Richter-Röhl: Nein. Ich schaue überhaupt kein Fernsehen, weil ich keine Zeit dafür habe. Wenn es doch mal der Fall sein sollte, bin ich in den Mediatheken unterwegs oder auf Netflix.

prisma: Und Sie haben keine Angst, dass Netflix das Fernsehen ablösen wird?

Richter-Röhl: Darüber habe ich mir schon viele Gedanken gemacht, und es kann einen mal die Angst packen. Aber auch Netflix, Amazon und Co. brauchen Schauspieler, daher denke ich nicht, dass ich arbeitslos werde. Die kommende Generation von Schauspielern wird sie sich in einer anderen Filmlandschaft zurechtfinden müssen.

prisma: Würden Sie Ihre Kinder bei dem Wunsch unterstützen Schauspieler zu werden, oder eher davon abraten?

Richter-Röhl: Als Mutter unterstützt man ja alles, was die Kleinen wollen (lacht). Aber ich weiß, wie hart das Geschäft ist, es gibt so viele Schauspieler. Es ist unglaublich schwer, an gute Rollen zu kommen und vor allem, davon leben zu können. Ich habe es bei meinen eigenen Eltern erlebt, die ebenfalls Schauspieler sind: In mageren Jahren haben sie ganz andere Jobs annehmen müssen. Das hat mich sehr demütig gemacht.

prisma: Würden Sie das Budget denn auch durch eine Reality-TV-Show aufbessern?

Richter-Röhl: Nein. Ich möchte, wenn's geht, meine Würde behalten. Auch wenn die Teilnehmer sich als Kunstfiguren präsentieren, ich könnte mich nicht so privat zur Schau stellen. Ich finde Reality-TV-Shows sind ein Ausverkauf von Menschen, und damit möchte ich nichts zu tun haben.

prisma: Ihr Mann, Walter Unterweger, war im Jahr 2000 bei "Big Brother" ...

Richter-Röhl: Ja. Das war seine Jugendsünde. Die haben wir doch alle. Er hat kritisch darüber nachgedacht und macht jetzt ganz fantastische Sachen.

prisma: Wie gehen Sie mit Absagen beim Casting um?

Richter-Röhl: Die Frustration gehört zum Beruf, und man gewöhnt sich nur schwer dran. Absagen treffen mich natürlich, auch, wenn ich mir das selbst nicht eingestehe. Aber sobald man dann eine Zusage für eine Rolle bekommt, sind alle anderen "Neins" vergessen. Man ist in dem Geschäft sehr davon abhängig, jemand anderem zu gefallen, das ist nicht immer einfach. Sollten meine Kinder mir also wirklich nacheifern wollen, werde ich ihnen raten, sich ein zweites Standbein aufzubauen.

prisma: Schauen Ihre Kinder schon Ihre Produktionen?

Richter-Röhl: Naja. Meine große Tochter ist elf Jahre alt und findet meine Filme und Serien meist doof, weil ich oft andere Männer küsse. Das will sie nicht sehen. (lacht) Nur die Miniserie "Pubertier" hat ihr gut gefallen – das hat mich unglaublich stolz gemacht.

prisma: Sie spielen immer häufiger Mutterrollen ...

Richter-Röhl: Ja, es gab aber auch eine Phase, in der das nicht so war, weil ich nicht richtig in das Bild gepasst habe: Optisch sah ich zu jung für die Rolle der Mutter aus, dann wiederum zu alt, um das naive Mädchen zu spielen. Dieser Prozess war aber auch okay für mich, denn sobald man sich selbst die junge Geliebte oder das naive Mädchen nicht mehr glaubt, sollte man es so oder so auch nicht mehr spielen. Dennoch war ich erleichtert, als mir endlich die Mutterrolle zugetraut wurde (lacht).

prisma: Machen Sie sich schon Gedanken, wo Sie in zehn oder 20 Jahren stehen?

Richter-Röhl: Nein. Ich will mir auch keine Sorgen machen. Wenn in 25 Jahren keiner mehr mit mir drehen möchte, dann mache ich selbst Filme oder schreibe Bücher. Oder ich baue im Garten Gemüse an.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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