Die sechsteilige Doku-Serie "Höllental" behandelt den komplexen Fall der 2001 ermordeten Peggy Knobloch. Das True-Crime-Format setzt vor allem auf die Elemente Interview und Originalschauplatz.
Am 7. Mai 2001 verschwindet die neunjährige Peggy Knobloch spurlos in ihrem Heimatort, der kleinen nordbayerischen Stadt Lichtenberg. Bis heute ist der Fall ungeklärt, auch wenn ein Pilzsammler im Juli 2016 – 15 Jahre später – die sterblichen Überreste des Mädchens in einem Wald findet. Zuvor und danach verfolgten offizielle Ermittler, Angehörige, Journalisten und Hobbydetektive zahlreiche Spuren, die vielversprechend klangen, aber ins Nichts führten. Ein geständiger Täter saß wohl zehn Jahre unschuldig in Haft, der kognitiv eingeschränkte Mann wurde wieder frei gelassen. Der Fall Peggy Knobloch gilt als einer der mysteriösesten Kriminalfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte. Viele interessierte, ja bewegte Menschen verfolgen seine nunmehr 20-jährige Geschichte. Im Herbst 2020 wurden die Ermittlungen offiziell eingestellt, der Mord an Peggy Knobloch wurde zum "Cold Case".
Im Oktober 2020 nahm sich SAT.1 zur besten Sendezeit unter dem Titel "Mordfall Peggy" des Themas an und versprach neue Erkenntnisse. Diese fielen dann zwar eher spärlich aus, aber die Rekonstruktion des Falles – auch mithilfe von nachgespielten Szenen – wirkte einigermaßen seriös und filmisch gelungen. Vielleicht ist es auch die tragisch mysteriöse Geschichte, das labyrinthhafte Ermitteln, die vielen offenen Enden, welche die Menschen so an den Fall fesseln. Dass etwas Schlimmes geschehen ist – und ungelöst bleibt ist – jagt jedem, der sich damit beschäftigt, einen Schauer über den Rücken. Für die Angehörigen, aber auch für die etwa 1.200 Bewohner der Gemeinde Lichtenberg in einem felsrauen fränkischen Waldgebiet, muss es die Hölle sein. Dokumentarfilmerin Marie Wilke ("Staatsdiener"), geboren 1974 in Berlin, bereitete den Fall für die Redaktion "Kleines Fernsehspiel" noch einmal neu auf. In ausführlichen sechsmal 45 Minuten erzählt sie eine Kriminal-Elegie der Erinnerungen, Fährten und Widersprüche, die den Zuschauer mit hypnotischen Bildern tief in die Erzählung hineinzieht.
Filmemacherin Wilke nutzt für ihr ungewöhnliches True-Crime-Format vor allem die Elemente Interview und Originalschauplatz. Während ihre Protagonisten aus dem Off erzählen, schwenkt die Kamera über Waldwege, Straßen und Häuserecken, um irgendwann zu den Menschen hinter der Stimme zurückzukehren. Original-Filmmaterial aus den unterschiedlichen Ermittlungsphasen wird nur sparsam eingesetzt.
Die Regisseurin setzt ganz auf die Kraft der Erzählung. Vor allem Journalisten, die sich dem Fall seit Beginn gewidmet haben und Ermittler kommen zum Einsatz. An drei späten Abenden zeigt das ZDF die dokumentarische Filmerzählung in Doppelfolgen. Die Episoden drei und vier laufen am Montag, 11. Januar 2021, 0.05 Uhr. Episode fünf und sechs werden eine Woche später, am Montag, 19. Januar, 0.20 Uhr, gesendet. Ab dem Ausstrahlungstag von Folge eins, also am 8. Januar, sind bereits am Vormittag alle Folgen in der ZDF-Mediathek abrufbar.
Interessant sind jene Gedanken, die Regisseurin Marie Wilke über die Konzeption ihres Slow-Motion-Doku-Krimis verrät, der eine Atmosphäre, ja ein Gefühl im Zuschauer erzeugt, das seltsam nah am Geschehen dran ist und wenig an jene reißerischen Filmen erinnert, die sonst mit dem Schauder "echter Vebrechen" werben. "Von Anfang an war der Fall Peggy ein Medienspektakel. Auch als Kontrapunkt dazu wollte ich die audiovisuelle Gestaltung der Serie reduziert und klar halten", erklärt Wilke. "In der Serie sind neben Material wie Fotos und Akten nur Originalschauplätze zu sehen. Wir zeigen diese Orte in einer von Menschen und Fahrzeugen entleerten Hyperrealität. Die Form der Serie mit ihrer fortlaufenden Erzählung eignet sich besonders dafür, diesen komplexen Kriminalfall zu erzählen, in dem sich die Geschichten ineinander verschränken, sich gegenseitig widersprechen und im Kreis drehen."
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH